- Kapitel 135 -

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Lukes Sicht

»Ich wollte meinen Beitritt zurücknehmen …«, nannte ich ihm den Grund, wieso ich überhaupt zum Sanitätsraum gekommen war.
»Wieso wolltest du deinen Beitritt zurücknehmen?«, hakte er nach.

Die Hoffnung, dass er meine Erklärung akzeptierte und das Thema von Tisch war, erlosch.
Musste ich ihm wirklich von meiner Angst erzählen?
Ausreden hatten keinen Zweck. Keine hatte glaubhaft erklärt, wieso ich in Panik verfallen war.
»Wovor hattest du Angst? Davor, dass dir jemand böse ist, dass du dich umentschieden hast?«

Obwohl Fynns Vermutung nicht stimmte, konnte ich sie nicht verneinen.
Es war nicht alleine die Angst vor dem medizinischen, sondern auch die Angst davor jemanden zu enttäuschen.

Mein Blick haftete am Boden.

»Erzähl es ihm. Er wirkt nicht so, als würde er sich darüber lustig machen«
»Was, wenn er sich trotzdem darüber lustig macht? Er kann auf den ersten Blick korrekt wirken, aber sich dennoch darüber lustig machen.«

»Ich hab Angst, dass du dich drüber lustig machst …«, murmelte ich.
»Egal was der Grund dafür ist, dass du eben in Panik verfallen bist, ich werde mich sicher nicht darüber lustig machen. Versprochen!«, versicherte er mir.
Unsicher zog ich die Augenbrauen zusammen.
»Ich …«, begann ich, die entscheidenden Worte blieben mit jedoch im Hals stecken.

»Komm schon. Er hat es dir versprochen.«

»Ich … hab sowas wie eine Phobie gegen medizinisches.«
Die Worte hatten meinen Mund verlassen und ich kniff die Augen zusammen. Wartete auf Fynns Reaktion. War darauf gefasst ausgelacht zu werden.

»Erklärt deine Panik. Ich stelle mir das ziemlich anstrengend vor mit einer derartigen Angst leben zu müssen«, war seine Reaktion auf meine Erklärung.

Erleichtert atmete ich aus und öffnete die Augen wieder. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf in die Richtung des Schulsanitäters. Sein Blick war leicht besorgt.

»Meinst du, du schaffst es, dass ich mich kurz um deine Schürfwunden kümmere?«, wollte er von mir wissen und deutete auf meine lädierten Hände.

»Luke, das schaffst du. Er schaut sich das an, desinfiziert es und verbindet das ganze. Nichts dramatisches«, redete ich mir innerlich ein.
Meine Angst war anderer Meinung, aber das musste ich ignorieren. Meine Hände konnten nicht so bleiben.

Zögernd hielt ich ihm meine rechte Hand hin. Sie zitterte deutlich.
»Darf ich?«, fragte er sicherheitshalber nochmal, bevor er sich an die Arbeit machte.
Nickend gab ich ihm meine Erlaubnis.
Er nickte einmal und waltete seines Amtes. Erst schaute er sich die Wunden an. Da Asphalt nicht der sauberste Boden ist, waren meine Hände dementsprechend dreckig. Fynn holte aus seinem Sanirucksack das Desinfektionsmittel.
»Das ist eins was nicht brennt. Keine Sorgen«, nahm er mir die Angst vor dem brennenden Schmerz, den man von Menschen Desinfektionsmittel zu spüren bekam.
Er begann die Wunden meiner rechten Hand zu desinfizieren und es brannte wirklich nicht. Klar, das Säubern war trotzdem nicht angenehm, aber es war auszuhalten.
Nachdem der grobe Dreck weg war. Desinfizierte er nochmal und begann die Wunden zu verbinden. Nachdem er fertig verbunden hat, schmückte ein ordentlich angelegter Verband meine rechte Hand.
Dasselbe tat er bei meiner linken Hand, wonach beide Hände verbunden waren.

Zum Glück sahen meine Ellenbogen weniger schlimm aus. Die wurden nicht verbunden, aber desinfiziert.

Meine Knie hatten am meisten Glück. Die Hose weniger, denn statt, dass meine Knie aufgeschürft wurden hatte der Stoff meiner Hose leiden müssen. Die war reif für die Tonne.

Schade um die Hose. Gut für meine Knie.

»Ich weiß, ich hab’s eben schon einmal gefragt, aber ich muss auf Nummer sicher gehen. Bist du mit dem Kopf aufgeschlagen?«, fragte Fynn mich nochmal.

»Glaube nicht«, meinte ich.
»Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel?«
Verneinend schüttelte ich den Kopf.
»Gut. Scheinst glimpflich davon gekommen zu sein«. Fynn schloss den Sanirucksack.

»Möchtest du deinen Beitritt immer noch zurücknehmen?«, kam er wieder auf das Thema Schulsanitätsdienst zu sprechen.
»Ich schaff’s nicht …«, sagte ich leise und schaute meine verbundenen Hände an.
»Wenn ich richtig informiert bin, ist deine Schwester auch angenommen worden. Richtig?«
»Ja«, bestätigte ich das.
»Du bist also nicht alleine. Ich bin mir sicher, dass du das schaffen kannst! Außerdem kannst du deine Angst zum positiven Einsetzen, denn du verstehst besser als wir anderen die Situation des Patienten und kannst dich wahrscheinlich besser in diese hineinversetzen«
»Ich weiß nicht … Was, wenn ich Panik bekomme während der Ausbildung? Das möchte ich nicht …«
»Ich werde bei der Ausbildung dabei sein. Falls was sein sollte bin ich da und kann dir helfen!«

Er war dabei?

»Du bist dabei?«, fragte ich zur Sicherheit nochmal, um sicherzugehen, dass ich es richtig verstanden hatte.
»Ja, ich gehöre sozusagen zu den Ausbildern«, bestätigte er es mir.

»Das ist das, was Damien wollte. Er wollte, dass jemand Bescheid weiß, der bei der Ausbildung dabei ist und Fynn ist dabei. Wenn was passiert, kann er eingreifen.«

»Ein Versuch ist es wert, oder? Komm Freitag zum ersten Treffen und schau es dir an. Wenn du danach der Meinung bist, dass du es nicht schaffst werde ich deinen Austritt akzeptieren. Vielleicht merkst du aber, dass es weniger schlimm ist, als du in Moment denkst«, schlug er vor.

Einmal dabei sein und es mir ansehen.
Schaffe ich das?

Ich überlegte hin und her.
Akira war dabei. Fynn war da. Absicherungen hatte ich genug. Nur meine Angst stand dagegen.

»Du kannst das. Du hast schon viel Größeres geschafft als das!«, rief ich mir in Erinnerung.

»Okay. Ich bin dabei. Zumindest für Freitag«, nahm ich seinen Vorschlag an, worauf er lächelte.
»Das freut mich!«

Die Schulklingel ertönte. Teilte uns mit, dass der Unterricht in Kürze weiterging.

»Bist du dazu in der Lage im Unterricht mitzumachen oder soll jemand informiert werden, dass du abgeholt werden musst?«, wollte Fynn wissen.
»Geht schon«, meinte ich und stand langsam auf. Fynn erhob sich ebenfalls und setzte sich den Sanirucksack auf.
»Wenn was ist, ich bin in der nächsten Pause wieder im Saniraum zu finden«
»Danke für deine Hilfe …«, bedankte ich mich bei ihm.
»Nicht dafür!«

Ich schaffte es mich zu einem leichten Lächeln abzuringen und machte mich auf den Weg zum Vertretungsplan. Hoffte, dass Akira und die anderen dort noch standen und auf mich warteten. Dort angekommen kam Akira direkt auf mich zu und zog mich in ihre Arme.
»Da bist du ja! Wo warst du? Ich hab mir Sorgen gemacht!«
»Sorry. Ich brauchte Zeit für mich …«, entschuldigte ich mich.
»Was hast du mit deinen Händen gemacht?« Nick hatte meine verbundenen Hände bemerkt.
»Gebremst«, war meine Antwort darauf.
»Autsch«, kam darauf von ihm.
»Wir können das später besprechen. Wir müssen zum Unterricht sonst bekommen wir noch Ärger!«, wies Viola und darauf hin, dass wir uns spüren mussten.

Akira löste sich von mir und reichte mir meinen Schulranzen. Diesen setzte ich auf. Sie setzte ihren auf und es ging in den nächsten Unterrichtsblock.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt