- Kapitel 104 -

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Lukes Sicht

Sobald mein Körper wieder Normaltemperatur erreicht hatte, durfte ich mich aus der Decke befreien.

»Hast du was dagegen noch eine halbe Stunde zu bleiben, bis deine Mom Feierabend hat? Dann kann sie dich mit heim nehmen«, fragte er mich, während er die Decke ordentlich zusammenlegte.

Stimmt ja. Da war ja was.
Daran hatte ich gar nicht gedacht.

Nickend stimmte ich ihm zu.

»Hier warten oder traust du es dir zu in den Aufenthaltsraum zu gehen?«, überließ er mir die Wahl.

An sich hatte ich nichts gegen den Aufenthaltsraum. Da war ich bereits ein paar Mal über längere Zeit gewesen und eine halbe Stunde wäre da gegen nichts gewesen.
Die Angst jedoch war der Meinung, dass man unnötiges Aushalten in diesem Raum möglichst vermeiden sollte. Das die Alternative daraus bestand in den Raum zu bleiben in dem das ganze medizinische Zeug verstaut war, war ihr auch nicht geheuer. Aus dem eben genannten Grund und, weil ich hier zuletzt Marius gesehen hatte.

So eine Entscheidung zu treffen war schwierig.
Ich musste mich aber entscheiden.
Die Frage war, was ich eher eine halbe Stunde durchhielt.
Beides war nicht berauschend.

»Hier warten«, entschied ich mich letztendlich.
Eine halbe Stunde in diesem Raum auszuharren, in dem ich bereits deutlich mehr als eine halbe Stunde verbracht, hatte sollte klargehen.
Jules hatte das zur Kenntnis genommen und so warteten wir auf den Feierabend von ihm und Mom.

Mein Onkel hatte Glück und wurde nicht mehr rausgejagt.
Wie es bei Mom aussah, wussten wir nicht.

»Komm. Wir gehen schauen, ob sie da ist«. Er erhob sich von dem Rollhocker und ich ließ mich langsam von der Liege auf die Füße rutschen. Kurz wartete ich, damit ich sichergehen konnte, dass mein Kreislauf den Lagenwechsel vertrug.
Sobald ich mir sicher war geradeaus laufen zu können, folgte ich Jules aus dem Raum raus, den er hinter uns abschloss, wonach wir uns auf den Weg zum Aufenthaltsraum machten.

Je näher wir dem Sammelpunkt der rot neongelben Fraktion kamen, desto mehr begannen meine Hände zu schwitzen und mein Herz wieder zu rasen.

Machte es wirklich einen Unterschied mit Jules dort rein zu gehen statt mit Damien?

Allzu stark war die Angst zum Glück nicht und ich konnte hinter Jules den Aufenthaltsraum betreten.

Ich fühlte mich wieder mal wie ein kleines Kind, was schüchtern war und sich hinter den Eltern versteckte.

»Wie geht’s deinem Privatpatienten Jules?«, fragte jemand. Von der Stimme konnte ich nicht ausmachen, wer es war. Konnte auch eine Person sein, die ich noch nicht kannte.
»Ist wieder aufgewärmt«, meldete mein Onkel zurück. »Weiß jemand was von Marie?«, hing er noch die Frage hinten dran.
»Sie ist vor einer Stunde mit Elias und Noah auf einen Einsatz raus. Keine Ahnung, wie lange die noch brauchen. Deren Ablöse ist aber schon da und ist auch gerade umziehen«, wurde Jules von einem Kollegen aufgeklärt.
»Hoffen wir Mal, dass die schnell wieder zurück sind«, er wollte sich gerade aufs Sofa setzte, als die Tür sich hinter uns öffnete.

Vor Schreck entfernte ich mich von der Tür und schaute, wer reinkam.

Der eine war Simon und der andere war mir nicht bekannt.

Wie sich herausstellte, war das die Ablöse von Jules und seinem Kollegen.
Während die, die Übergabe machten, hielt ich mich im Hintergrund in der Nähe der Tür auf.

Die öffnete sich kaum zehn Minuten später erneut und herein kamen Mom und die beiden Kollegen von ihr.

Mein Namensgedächtnis ließ mal wieder zu wünschen übrig.

Da ich in unmittelbarer Nähe zur Tür stand, dauerte es nicht lange, bis sie mich entdeckte.

»Luke? Was machst du denn hier?« aus ihrer Stimme konnte man die Verwunderung raushören.
Zum Glück übernahm Jules das Antworten auf diese Frage:
»Das erkläre ich dir Zuhause«
Moms Blick wechselte zwischen mir und Jules hin und her.

»Mach erstmal die Übergabe. Geh dich umziehen und dann geht’s zu euch nach Hause«, meinte Jules darauf zu ihr.
Mom nickte darauf.

Es verging noch einmal eine Viertelstunde, bis wir die Wache verließen und zum Auto gingen.
Ich fuhr bei Mom mit.

Die knapp zehnminütige Autofahrt nach Hause sprachen wir kein Wort miteinander.
Das war überraschend für mich, da ich damit gerechnet hatte, dass sie mich ausfragte, obwohl Jules gemeint hatte, dass er ihr Zuhause alles erklärt.

Da wollte ich nicht dabei sein.
Für diesen Tag hatte ich wirklich genug und wollte nur noch alleine sein.

Kaum waren wir durch die Haustür rein, kam auch schon Akira aus dem Wohnzimmer geeilt und auf mich zu. Kurz darauf fand ich mich in einer Umarmung wieder.
»Wie geht’s dir?«, wollte sie wissen, während sie mich noch immer in diesem Klammergriff von Umarmung hielt.
»Ganz okay«, meinte ich.
Sie hielt mich noch einen Moment so fest, bevor sie mich los ließ und mich meine Schuhe ausziehen ließ.

Jules und Mom hatten sich derweil ins Wohnzimmer zurückgezogen. Dad war auch wieder da. Denn es waren drei verschiedene Stimmen aus dem Raum zu hören.

»Hoch?«, fragte Akira. Ich nickte und wir gingen die Treppe hoch in die obere Etage.

Dort ging ich in mein Zimmer und ließ mich auf meinem Bett nieder.

»Vielleicht solltest du dich noch umziehen bevor du einschläfst«, erinnerte Akira mich.
Ich stieß einen Seufzer aus. Hatte keine Lust mehr mich zu bewegen. Andererseits wollte ich nicht mit Klamotten schlafen, mit denen ich auf einer Parkbank gelegen und hinter der Wache gehockt habe.

Hieß wieder aufstehen, Frische Klamotten aus dem Schrank holen, wie so oft Hoodie und Jogginghose, umziehen und erst dann wieder hinlegen.
Akira legte sich neben mich und nahm mich wieder in den Arm.

Ihre Anwesenheit und die Müdigkeit durch die Geschehnisse des Tages sorgten dafür, dass ich ziemlich zügig ins Land der Träume befördert wurde.
Dass es nicht mal neun Uhr abends war, war mir total egal.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt