- Kapitel 110 -

247 35 10
                                    

Lukes Sicht

Der einzige Vorteil, der das krank sein gehabt hat, war, dass ich, besser einschätzen konnte, was mich erwartete und was ich zu tun hatte.

In diesem Fall, das Damien mich abhören wollte, drehte ich mich auf der Liege so, dass er an meinen Rücken kam, zog meine Jacke aus und zog meinen Hoodie samt T-Shirt weit genug hoch, damit er arbeiten konnte.

Damien warnte mich noch vor wegen des kalten Stethoskops, bevor er loslegte und mir Anweisungen gab, wie ich atmen sollte.
»Und fertig. Kannst du dich jetzt einmal zu mir drehen, sodass du mich anschauen kannst?«
In meinem Kopf kam kurz die Frage »wieso?« auf. Laut aussprechen tat ich sie nicht, sondern drehte mich, wie gefordert zu ihm um und schaute ihn an.

»Ich mache jetzt das, was ich gerade bei dir am Rücken gemacht habe auch vorne nochmal. Dieses Mal nicht um die Lunge anzuhören, sondern das Herz. Ist das okay?«, erklärte er mir, was er als Nächstes tun wollte.

Das war was, dass musste ich nicht über mich ergehen lassen die letzten Tage. Da er aber meinte, dass es grundlegend nichts anderes ist als das Abhören am Rücken, verursachte das nicht viel Unbehagen in mir. Deshalb ließ ich ihn machen.

Lange dauerte es nicht und es war geschafft.
Damien legte das Stethoskop beiseite und schaute wieder zu mir.
»Wo liegst du jetzt mit deiner Angst?«, holte er sich einen Zwischenstand ein.
»Drei. Ungefähr«, war meine Antwort.
»Meinst du, dass du Puls und Blutdruckmessen auch noch schaffst? Wenn nicht, ist das nicht schlimm.«
»Geht schon«, meinte ich.
Momentan hielt sich die Angst in Lauerstellung und machte sich nur durch innere Unruhe bemerkbar.

»Puls messen kennst du ja. Ich nehme mir ein Handgelenk von dir und Messe dort deinen Puls. Nichts Wildes.«
Ich nickte und reichte ihm bereits mein linkes Handgelenk. Das nahm er und legte zwei Finger auf den Punkt am Handgelenk, wo er Puls messen wollte.

»Als Jules das vor ein paar Wochen bei mir machen wollte hab ich mich noch richtig überwinden müssen. Mittlerweile geht das«, bemerkte ich meinen Fortschritt. Dadurch kam mir das Thema wieder in den Kopf und damit die Zweifel an dieser ganzen Sache mit Damiens „Therapie“.

»Es ist Fortschritt, aber ist das auch ausreichend Fortschritt, für die Zeit, die ich mittlerweile daran arbeite?«, fragte ich mich.
Laut Mom war es nicht genug. Für mich war es bereits ein großer Fortschritt, dass ich nicht mehr direkt panisch werde, wenn man bei mir Puls messen wollte zum Beispiel.

Aus meinem Gedanken rausgeholt wurde ich von leichtem rütteln an meiner Schulter. Verwirrt blinzelte ich und schüttelte leicht den Kopf.
»Worüber denkst du nach?«, hakte Damien nach, der derweil mein Handgelenk wieder losgelassen hatte.

»Soll ich mit ihm darüber reden?«

Da es mich beschäftigte und ich wirklich mit dem Gedanken spielte das ganze hier sein zu lassen, sollte ich wirklich darüber nachdenken mit ihm darüber zu sprechen. Allerdings hatte ich Angst, dass er das falsch aufnehmen könnte. Das ich undankbar sei, weil er sich extra die Zeit nahm oder sowas in der Art.

Mein Blick hatte den Fußboden fixiert. Grau blauer Linoleumboden. Ähnlich wie im Hauptgebäude.

»Ich …«, versuchte ich die ersten Worte über die Lippen zu bringen, hielt aber sofort wieder inne.
»Hast du Angst darüber zu sprechen?«
Als Antwort nickte ich ganz leicht.
»Kannst du mir sagen, wovor genau du Angst hast?« Er ließ sich auf dem Rollhocker nieder.
»Das sie … das irgendwie falsch aufnehmen oder so …«, nannte ich ihm den Grund, wieso ich zögerte das Thema anzusprechen, was mich beschäftigte.
»Wenn dich etwas so sehr beschäftigt, dass du schon in deinen Gedanken versinkst, dann wird das einen Grund haben. Egal, was es ist, du kannst mit mir darüber reden. Es steht mir nicht zu darüber zu urteilen, wie du das jetzt gemeint haben könntest oder sonst was. Stattdessen sollte ich und möchte ich dir helfen dieses Thema aufzuarbeiten, damit dich das nicht mehr zu sehr beschäftigt«, versuchte er mir die Sorge darüber zu nehmen, dass er es eventuell falsch aufnehmen könnte.

Einen Augenblick ließ ich seine Worte wirken und überlegte, ob ich wirklich darüber reden wollte, oder ob ich aus einer Mücke einen Elefanten machte und übertrieb.

»Ich, also … Ich hab Angst, dass mein Fortschritt zu unbedeutend ist für die Zeit, die ich schon daran arbeite die Angst loszuwerden«, rückte ich zögerlich mit der Sprache raus. Dabei fixierten meine Augen nach wie vor den Fußboden.
»Was lässt dich glauben, dass du nicht ausreichend Fortschritte machst?«, hakte der Mediziner nach.
Nervös nestelte ich wieder an meinen Ärmeln Rum, um ein Teil dieser Nervosität abbauen zu können.
»Naja. Weiß nicht. Ist so ein Gefühl?«, kam es mehr fragend von mir, als das ich ihm eine Antwort gab.
»Hat dir das wer gesagt, dass du zu wenig Fortschritte machst?«

Ich schluckte.
Sollte ich ihm wirklich sagen, dass Mom mir gesagt hat, dass ich ihrer Meinung nach zu wenig Fortschritte machte?
Ungern wollte ich sie in schlechtes Licht rücken. Schließlich stand sie in der Situation auch unter Stress wegen Dads Unfall.

»Okay. Musst du mir nicht sagen. Aber Luke. Egal, ob andere sagen, dass dein Fortschritt zu klein ist für die Zeit, die du bereits an der Angst arbeitest, du musst dich damit wohlfühlen. Wenn du dir durch solche Aussagen Druck machen lässt, kann sich dieser Stress negativ auf deinen Fortschritt auswirken.
Deswegen lass dich davon nicht beeinflussen, auch wenn es nicht leicht ist. Du machst das super!«

Vorsichtig schaute ich zu ihm hoch.

»Zweifelst du selbst an deinem Fortschritt?«, hing er an seinen kurzen Monolog die Frage dran.
Wieder nickte ich ganz leicht.

Er zog ganz leicht dir Stirn in Falten und schien zu überlegen.

»Ich hab einen Vorschlag, wie wir dir deinen Fortschritt etwas visualisieren könnten«, kam es von ihm.
Fragend schaute ich in an und fragte: »Und wie?«

Er stand auf. »Das zeige ich dir. Schaffst du es hier einen Moment zu warten? Ich muss eben was holen«, wollte er wissen.
»Ja«, bejahte ich.
»Gut. Ich bin sofort wieder da«
Nach den Worten verschwand er durch die Tür auf den Flur.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt