- Kapitel 108 -

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Lukes Sicht

Die nächsten Tage zogen ins Land und liefen immer ähnlich ab.

Aufstehen, Schule, Nachhause kommen, ins Zimmer verziehen, über Marius Nachdenken, Abendessen und irgendwann schlafen.

Freitag war der Tag, an dem ich mich entscheiden musste, ob ich mich dazu in der Lage fühlte zur Wache zu fahren oder nicht.

Körperlich fühlte ich mich gut genug. Der Husten hatte sich mit jedem Tag weiter gebessert und meldete sich nur noch zu Wort, wenn ich mich anstrengte.
Psychisch wollte ich den Samstag am liebsten aus dem Weg gehen wegen der anstehenden Konfrontation, was auch wieder Stress bedeutete. Und von Stress hatte ich die letzten Tage und Wochen genug gehabt.

Nun saß ich da. Mit meinem Handy in der Hand an meinem Schreibtisch und überlegte, ob ich absagen sollte oder nicht.

Das schlechte Gewissen war der Meinung, dass ich hingehen sollte und es mir nicht schlecht genug ging, um abzusagen.

Egal wie ich es drehte und wendete in meinem Kopf. Ich hatte keine Chance daran vorbeizukommen.

Früher oder später hätte ich mich dem ganzen sowieso stellen müssen. Wieso dann unnötig aufschieben?

»Vielleicht wird es ja halb so schlimm, als ich es mir vorstelle …«

Kurzerhand verfasste ich eine Nachricht an Damien, die beinhaltete, dass ich am Samstag zur gewohnten Uhrzeit an der Wache war und legte das Handy danach weg.

Den Kopf lehnte ich zurück an die Lehne meines Stuhls.

»Das ist nur ein Teil dieses Schemas. Nichts Wildes. Ich hab weitaus schlimmeres die Tage durchgestanden, als ich krank war … Oder?«, versuchte ich mir einzureden, dass das ganze gar nicht so dramatisch ist.

Mein Kopf jedoch wollte einfach nicht aufhören sich darum Gedanken zu machen, weshalb ich die Ablenkungstaktik wieder einmal nutzen musste.

Zwischendurch gab es Abendessen und später ins Bett.

Am nächsten Morgen machte mein Wecker mich darauf aufmerksam, das die Nacht bereits vorbei war und ich mich dem Tag stellen musste.

Mir blieb noch etwas Zeit, bis ich mich fertig gemacht unten einfinden musste, um zu meinem „Termin“ gebracht zu werden.

Nach nochmal zehn Minuten im Bett liegen und darüber nachdenken, ob ich mich nicht doch noch spontan bei Damien abmelden sollte, stand ich auf und begann mich im Schneckentempo fertig zu machen.

Zwischenzeitlich kam Mom einmal nach oben und sagte mir Bescheid, dass wir bald losmussten.

Als ich bei meiner letzten Station von fertig für den Tag machen, angekommen war, nämlich das Bad, fiel mir ein, dass ich eigentlich noch frühstücken musste.

»Naja. Frühstück wird eh überbewertet.«

Einigermaßen ansehnlich machte ich mich auf den Weg nach unten und zog meine Schuhe an.
Akira war ebenfalls startklar für ihr Training.

Sobald ich fertig war und Mom aus dem Wohnzimmer zu uns gekommen war, ging es zum Auto und los zur Wache.

Die Fahrt verlief wie immer schweigend und in meinem Kopf stapelten sich die Gedanken, wie der Tag ausgehen konnte und was für Katastrophen Szenarien, so unrealistisch sie auch waren, eintreten konnten.

Fünf vor neun war es, als Mom das Auto auf dem Parkplatz des WKMs parkte, mich verabschiedete, ich Ausstieg und mich auf den Weg zu dem Gebäude des Rettungsdienstes machte.

Vor der Tür wartete niemand.
Das konnte entweder bedeuten, dass Damien unterwegs war, oder das er drinnen auf mich wartete.

»Soll ich warten oder reingehen?«

Schwierige Entscheidung, wenn ich nicht wusste, ob Damien da war oder nicht. Wenn ich reinging und er nicht da sein sollte, bestand die Möglichkeit, dass die Panik wieder mal übernahm. Darauf konnte ich verzichten.
Sollte ich wiederum draußen warten und er war da, dann konnte ich ewig warten. Zumindest, bis Damien nach mir suchte.

Innerlich wägte ich ab, was die bessere Entscheidung war.
Reingehen oder warten?

Vom Bauchgefühl her fand ich die Option mit warten besser. Trotz der Wahrscheinlichkeit, dass Damien eventuell drinnen auf mich wartete.

Ich lehnte mich an die Wand neben der Tür und wartete einfach ab. Entweder darauf, dass Damien zurückkam oder er nach mir suchte.

Eine Viertelstunde passierte gar nichts, außer, dass mir langsam frisch wurde. Ich hatte zwar eine Jacke an, aber der Wind ließ mich dennoch frösteln.

Irgendwann öffnete sich die Tür neben mir und jemand kam raus. Dabei handelte es sich um niemanden anderen als Damien, der auch nicht lange brauchte, um mich zu entdecken.

»Da bist du ja. Hab mich schon gewundert, wo du bleibst«, sagte er und schaute mich an.
»Sorry, hab mich nicht alleine reingetraut«, entschuldige ich mich und schaute vor Damiens Stiefeln auf den gepflasterten weg.
»Das ist nicht schlimm. Du hattest die letzten Tage einiges um die Ohren. Da kann es schon mal sein, dass du dich nicht direkt wieder dazu durchringen kannst alleine das Gebäude zu betreten. Zumal das noch ein frischer Meilenstein ist«, meinte Damien. »Schaffst du es denn mit meiner Hilfe?«
»Muss ich versuchen« Sicher, ob es klappt, war ich mir nicht.
Mit einem Kopfnicken deutete Damien mir an ihm zu folgen.
Ich stieß mich von der Wand ab und folgte ihm ins Innere der Wache.

Ein unwohles Gefühl war da. Konnte auch damit zusammenhängen, dass ich wusste, was mir an diesen Tag bevorstand.

Wir liefen die Treppen nach oben und in Richtung Aufenthaltsraum.

Bedeutete für mich, dass ich noch etwas Zeit zum Akklimatisieren hatte.

Hinter Damien betraten wir den Sammelraum der Besatzung.

Ich schaute, wer alles da war außer Damien. Lea und Manuel kannte ich. Die drei anderen, die Anwesend waren nicht.
Von zweien richtete sich die Aufmerksamkeit direkt auf mich.
Unangenehm.

Damien stellte mich den beiden vor und ich hob nur darauf nur die Hand.

Um nicht wie festgewurzelt an Ort und Stelle stehenzubleiben, ging ich zu dem Sofa rüber, was an leersten war und setzte mich möglichst weit weg von der nächsten Person. Damien tat mir den Gefallen und setzte sich mit etwas Abstand neben mich. Das gab mir nochmal zusätzliche Sicherheit.

Leise atmete ich durch. Versuchte meine Nervosität zu senken. Denn mein Herz klopfte unangenehm schnell und das war auf Dauer extrem anstrengend.
Dadurch, dass ich wusste, dass ich noch Zeit hatte, bis Damien mit seinem Vorhaben für diesen Tag begann, nutzte ich die Zeit eben dazu.
Runterkommen.
Auch wenn ich nicht wusste, wie viel Zeit mit genau blieb.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt