Lukes Sicht
Eine knappe Stunde später war ich entlassen und auf dem Weg nach Hause.
Den Blick hatte ich aus dem Fenster von Bus gerichtet und dachte über das nach, was Damien und ich besprochen hatten.»Er hat Recht. Es ist sinnvoll, wenn jemand dort über deine Angst Bescheid weiß. Wenn die nichts wissen, kann nicht richtig reagiert werden, aber schaffe ich es genug vertrauen zu Fynn aufzubauen, damit ich ihm davon erzählen kann? Vielleicht möchte er das auch gar nicht...
Mensch hör auf dir derart den Kopf darüber zu zerbrechen. Du gibst morgen erstmal diesen Zettel ab und schaust, ob Fynn da ist und fragst ihn ein paar Sachen über die AG. Mehr nicht!«Dieses hin und her in meinem Kopf war anstrengend.
An meiner Haltestelle angekommen stieg ich aus und lief die restlichen Meter nach Hause zu Fuß. Es war fast halb sechs am Abend, als ich das Haus betrat und meine Schuhe auszog. Mir blieben knappe eineinhalb Stunden, bis es Abendessen gab. Die Zeit nutzte ich für me time in meinem Zimmer.
Nach besagter Zeit gab es Abendessen, wonach ich wieder in meinem Zimmer war. Mit spielen oder Videos versuchte ich meinen Kopf bis zur Schlafenszeit von dem Thema Schulsanitätsdienst abzulenken.---
»Ich bin kurz beim Sekretariat. Den Zettel abgeben!«, meldete ich mich ab, damit ich das Bewerbungsformular für den Schulsanitätsdienst abgeben gehen konnte.
»Mach das«, sagte Akira, worauf ich nickte und in Richtung Verwaltungsflut verschwand.Je näher ich diesem Flur kam, desto nervöser würde ich.
»Du kannst auch einfach ein paar Minuten warten und zu den anderen zurückkehren, ohne diesen Zettel abzugeben. Dann ist sicher, dass du nicht genommen wirst und musst dir keinen Kopf mehr darüber machen«, kam der Gedanke in mir auf. Ein verlockender, aber zugleich einer, der enttäuschte Gesichter mir gegenüber einbringen konnte.
»Nein«, ich schüttelte den Kopf. »Ich möchte niemanden enttäuschen! Reiß dich einfach mal zusammen! Diesen Zettel abzugeben bedeutet nicht gleich, dass du angenommen bist!«, rügte ich mich selbst in Gedanken, kratzte meinen Mut zusammen und holte das Formular aus meinem Schulranzen.
»Sollte ich ein bisschen warten und schauen, ob Fynn da ist, oder es besser im Sekretariat abgeben?«
»Schonender für meine Nerven wäre es, wenn ich den Zettel im Sekretariat abgebe. Das bedeutete jedoch, dass ich Fynn nicht begegnen würde«
»Gib einfach diesen Zettel ab und gut ist!«
Die Entscheidung war gefallen und ich klopfte an der Tür vom Sekretariat.
Das »Herein«, ließ nicht lange auf sich warten und ich betrat das Büro.
Die Sekretärin, die ich von unserem ersten Schultag kannte, begrüßte mich lächelnd: »Guten morgen. Wie kann ich dir helfen?«
»Ich ... wollte das Bewerbungsformular für den Schulsanitätsdienst abgegeben«, nannte ich ihr mein Anliegen und reichte ihr besagtes Formular über den Tresen. Sie nahm es entgegen und las einmal drüber.
»Das sieht gut aus. Danke. Die Rückmeldung sollte die nächsten Tage Kommen«, meldete sie mir zurück und legte den Zettel in eine Ablage.
»Okay danke«, bedankte ich mich, drehte mich um und verließ das Sekretariat. Davor musste ich erstmal durchatmen.Ich hatte es geschafft. Das Bewerbungsformular war abgegeben.
Bedeutete auch, dass ich eventuell Teil des Schulsanitätsdienstes wurde.
Noch wusste ich nicht, was ich davon halten sollte.
Schließlich waren da Personen, die sich für Medizin interessierten. Und mit Sicherheit mindestens eine Person, die das gelernt hat, also eine Person, die meine Angst nicht mag.»War es ein Fehler? Nicht das ich angenommen werde und in Panik verfalle. Was, wenn Damien keine Lösung einfällt und ich trotzdem dorthin soll? Was, wenn ich in Panik verfalle? Die anderen werden sich doch fragen, was mit mir falsch ist!«
Mein Blick fixierte den grauen Teppichboden, der in diesem Flur auslegt war. An manchen Stellen konnte man Flecken unbekannten Ursprungs entdecken.
»Hey Luke. Bewerbungsformular abgegeben?«, fragte mich jemand. Ich hob meinen Blick und drehte mich in Richtung Sanitätsraum. Dort stand Fynn und schloss den Raum auf.
Bestätigend nickte ich auf seine Frage. »Gerade eben«
Er lächelte und zeigte mir einen Daumen nach oben.»Das wäre meine Chance ihm fragen zu stellen ...«
Unsicher darüber, was ich tun sollte stand ich dort.
»Kann ich dir sonst noch behilflich sein? Du wirkst nachdenklich«, wollte er wissen.
»Weiß ich nicht«, sagte ich darauf und zuckte mit den Schultern.»Jetzt frag einfach. Ist doch nicht schwer!«
»Willst du mit reinkommen? Dann müssen wir nicht mitten auf dem Flur reden«, schlug Fynn vor.
Schaffte ich es dort reinzugehen?
Vermutlich war es nicht viel anders als der Behandlungsraum der Wache und den hatte ich mittlerweile des Öfteren betreten. Dann sollte das kein Problem sein, oder?Fynn stand abwartend im Türrahmen des Sanitätsraumes.
Einmal atmete ich durch. Redete mir ein, dass mir nichts passiert und betrat mit Fynn den Raum.
Kurz hinter der Türschwelle blieb ich stehen und schaute mich erstmal um.
Ähnlich wie auf der Wache steht in diesem Raum eine Liege. Rechts neben der Tür befindet sich ein roter Rucksack.
Ein paar Schränke auf der linken Seite gab es auch.
Fynn setzte sich auf einen Stuhl.Ich blieb mitten im Raum stehen.
»Das hier ist quasi unser Stützpunkt während der Pausen. In jeder Pause ist einer von uns hier und kann sich um die Schüler kümmern, die herkommen, wenn es ihnen nicht gut geht«, erklärte mir.
»Kommt das oft vor, dass ihr Helfen müsst?«, traute ich mich die erste Frage zu stellen.
»Wir werden nicht überrannt, aber wir haben auch nicht nichts zu tun. Wir kümmern uns ja um ein paar Dinge. Verletzungen während der Pause, Schürfwunden und sowas. Nasenbluten, und auch Mitschüler, denen es einfach nicht gut geht, kommen her und warten hier darauf, dass sie abgeholt werden. Wir versuchen natürlich bestmöglich zu helfen, damit es den "Patienten" besser geht«, beantwortete er mir meine Frage.»Wie läuft das eigentlich ab, wenn man angenommen wurde bei euch?«, schaffte ich es dir Frage zu stellen, die mir schon länger durch den Kopf schwirrte. Die Ausschreibung der AG hatte erwähnt, dass es eine Ausbildung gibt, die war aber sehr vage.
»Wenn ihr angenommen worden seit, bekommt ihr erstmal einen Termin für das erste Treffen. Das dient zum gegenseitigen Kennenlernen und dem besprechen, wie die Ausbildung laufen wird. Wir wollen die Neulinge ja nicht ins kalte Wasser werfen«. Seinen letzten Satz untermalten er mit einem Schmunzeln. Ich schmunzelte ebenfalls leicht.
»In der Ausbildung lernt ihr alles, was ihr braucht. Erste Hilfe. Lebensrettende Sofortmaßnahmen, also Herzdruckmassage und sowas. Das gehen wir Schritt für Schritt an und unterstützen nichts«, setzte er seine Erklärung fort.
»Klingt gut«, meinte ich darauf.»Ich sollte zu den anderen zurück. Sonst machen sie sich Sorgen.«
»Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich muss leider zu den anderen zurück. Die machen sich sonst Sorgen«, sagte ich und deutete Richtung Tür.
»Kein Ding. Wenn du noch Fragen hast, kannst du herkommen. Ich bin aktuell fast immer hier«
»Okay. Bis dann«, verabschiedete ich mich.
»Wir sehen uns!«Ich verließ den Sanitätsraum.
Bis zum Vertretungsplan war es nicht weit. Dort standen Akira, Viola und Nick. Sie redeten miteinander. Ich gesellte mich dazu. Akira drehte sich zu mir. »Geschafft?«, fragte sie mich. Bejahend nickte ich und sie zog mich in eine Umarmung. »Ich bin stolz auf dich!«. Sie drückte mich bzw. erdrückte mich beinahe. Ihre Kraft sollte man besser nicht unterschätzen. Bevor ich an Luftnot starb ließ sie mich wieder los.
»Jetzt heißt es auf Rückmeldung warten«, kam es von Viola.
»Ich hoffe, ihr werdet genommen«, gab Nick uns Zuspruch.
»Mal abwarten, was die Rückmeldungen in ein paar Tagen sagen«, sagte Akira darauf.»Von mir aus könnte das länger dauern als ein paar Tage. Wobei, das würde bedeuten, dass ich länger im Ungewissen bleibe und mir länger den Kopf zerbrechen muss ... Ach man ...«
Ich setzte meinen Schulranzen ab, holte meine Wasserflasche raus und trank ein paar schlucke. Hunger hatte ich keinen, weshalb die Brotdose unangerührt da blieb, wo sie war.
Den Rest der Pause verbrachte ich mit nachdenken und die anderen drei mit reden.
Danach ging es zum Informatikunterricht.
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WKM - Angst vor ihnen
RandomDas Buch gehört zu der WKM (Westfalen Klinikum Münster) Serie und beinhaltet die Geschichte der Charaktere Luke und Akira Zellner. !Triggerwarnung! (mehr dazu im Vorwort) Phobien, Angststörungen, Panikattacken. Für viele Realität und Alltag. Auch f...