- Kapitel 68 -

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Lukes Sicht

Zurück im Aufenthaltsraum setzte ich mich wieder neben Marius aufs Sofa, der es sich in der Zeit, wo ich mit Damien geredet habe, neben seiner Tante bequem gemacht hat.

Ganz wohl war mir nicht dabei so nahe bei ihr zu sitzen. Vorher war immerhin Chris noch eine weitere Person, die zwischen mir und ihr gesessen hat. Nun war es nur noch Marius.

Um meinen Kopf auf andere Gedanken zu bringen, schaute ich zu Damien, der zu der kleinen Küchenzeile gegangen ist und sich einen Kaffee machte.

Die nächsten Minuten vergingen und ich saß einfach da und sagte nichts. Marius hatte derweil die Augen geschlossen und hatte einen Arm von Aylin um sich liegen.

»Luke war dein Name. Richtig? Ich hab leider ein sehr schlechtes Namensgedächtnis«, fing sie plötzlich mit mir an zu reden an und ich schaute zu ihr. »J-Ja«, brachte ich als Antwort hervor. »Marius hat mir erzählt, wie ihr euch kennengelernt habt. Nicht jeder hat den Mut in so einer Situation zu helfen.«

»Wenn sie wüsste, wie viel Mut mich das gekostet hat, und, dass ich leider trotzdem die Biege machen musste, als der Rettungsdienst da war ...«

»Ist doch selbstverständlich«, meinte ich, in der Hoffnung, dass sie das Thema ruhen lässt.

»Für dich mag das selbstverständlich sein. Leider „übersehen" viele Leute Hilfebedürftige Menschen, aus Angst was falsch zu machen, obwohl es oft schon ausreicht Hilfe zu rufen«, widerlegte sie meine Aussage.

Das Grummeln eines Magens, was eindeutig von der Person kam, die zwischen uns saß, unterbrach unser Gespräch.

»Hat da jemand Hunger?«, fragte Aylin ihren Neffen. »Neee«, brummte dieser. »Das hörte sich aber ganz anders an«. Sie pickte ihm zwischen die Rippen, worauf Marius zusammenzuckte und sich grummelnd beschwerte.

»Hunger hätte ich auch langsam, aber ich hab mir nichts mitgenommen ...«, dachte ich mir, als ich bemerkte, dass auch bei mir sich ein Hungergefühl anschlich.

»Soll ich dir was aus der Cafeteria holen?«, fragte Aylin Marius, welcher sich richtig aufsetzte und nickte. »Das übliche?« Wieder nickte er. Daraufhin schaute seine Tante zu mir. »Möchtest du auch was?«, war ihre Frage an mich, womit ich nicht gerechnet hatte.

»Ehm. Nein, danke«, lehnte ich ab. Ungern wollte ich auf ihre Kosten was zu essen bekommen. Da war es mir lieber, bis zum Nachmittag zu warten und Zuhause zu essen.
»Hast du denn was dabei, was du essen könntest?«, stellte sie die nächste Frage, was ich mit einem Kopfschütteln verneinen musste.
»Dann hole ich dir auch was. Du brauchst was zu essen, wenn du noch länger hier bleiben möchtest. Was möchtest du haben? Belegtes Brötchen oder ein Schokobrötchen, wie Marius?«

»Sie müssen wirklich nicht ...«, begann ich zur erneuten Widerrede anzusetzen, aber sie unterbrach mich: »Nene. Nichts gibt es nicht. Du bekommst auch was!«
»Schokobrötchen ...«, nuschelte ich und wandte meinen Blick von ihr ab. »Dann bin ich Mal eben weg. Bis gleich!« Mit diesen Worten stand sie auf und verließ den Raum.

In mir nagte das schlechte Gewissen, dass sie Geld für mich ausgeben musste. Einen Jungen, den sie überhaupt nicht kannte, bis auf den Namen, und, dass ich mit Marius befreundet bin.

Es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis Aylin mit dem Essen wieder zurückkam. Marius und ich bekamen jeweils ein Brötchen.

Ich schaute es an und überlegte. Letztendlich nahm ich den ersten Bissen. Schließlich hatte sie das Geld bereits ausgegeben. Es nicht zu essen, wäre demnach unhöflich gewesen.
Lange dauerte es nicht, bis ich das ganze Brötchen vernichtet hatte und mein Magen vorerst zufriedengestellt war. Viel war es nicht, aber es war ausreichend und sollte bis zum Nachmittag halten.

Der Rest des Tages auf der Wache war weniger spannend. Damien musste noch einmal zu einem Einsatz raus. Chris noch ein paar Mal mehr.

Bereits eine Stunde vor der erlösenden Uhrzeit machte sich die Müdigkeit bei mir bemerkbar.

Als es fünfzehn Uhr war, war Damien noch nicht wieder da. Durfte ich trotzdem gehen, ohne, dass er mich nach Hause schickte? Im Grunde genommen wusste ich, wann ich meinen nächsten Termin hatte, weshalb es in meinen Augen keinen Grund gab auf ihn zu Warten.

»Worüber denkst du nach?«, war es Marius, der mich aus meinen Gedanken holte. »Meine Zeit hier ist für heute um. Allerdings weiß ich nicht, ob es für Damien okay ist, wenn ich einfach gehe. Das haben wir nie besprochen«, erklärte ich ihm im Flüsterton, was das Problem war. »Geh ruhig. Ich sag ihm Bescheid«, meinte er, worauf ich die Stirn runzelte, weil ich mir nicht sicher war, ob das eine gute Lösung war. »Na komm. Geh. Das wird schon okay sein.«

Trotz der Unsicherheit darüber, ob es richtig war oder nicht, nickte ich und stand auf.

»Wir sehen uns Mittwoch«, verabschiedete er sich von mir. »Bis Mittwoch«, erwiderte ich das und informierte den Blick von Aylin. Chris winkte ich zum Abschied noch zu, was dieser ebenso tat und verließ daraufhin die wache.

Vor der Tür schrieb ich Mom, dass sie mich abholen kommen konnte und machte mich langsam auf den Weg zum Parkplatz.

Ungefähr zehn Minuten später war sie da, ich stieg ein und es ging nach Hause.

»Das wird wohl das letzte Mal gewesen sein, ohne, dass ich mich dazu überwinden musste, Damien was von diesem Schema machen zu lassen. Wie hieß das noch gleich? ABCDE Schema? Glaube schon, dass es das war ...«, ging es mir auf dem Rückweg durch den Kopf, während ich meinen Blick aus dem Seitenfenster gerichtet hatte und den Häusern beim Vorbeiziehen zusah.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt