- Kapitel 78 -

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Lukes Sicht

Wieder wach wurde ich nach einer unbestimmten Zeitspanne.

Das Erste, was mir auffiel, war, dass ich nicht alleine war. Jemand hatte sich zu mir gelegt und die Arme um mich gelegt.
Langsam öffnete ich die Augen und schaute nach, wer bei mir lag.
Schnell erkannte ich, dass es Akira war, die sich zu mir gesellt hatte. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Atem ging gleichmäßig. Sie schien zu schlafen.

Vorsichtig löste ich mich aus ihrer Umarmung und setzte mich auf.

Keine Schmerzen.

Mir fiel wieder ein, weshalb ich schmerzfrei war und schaute zu meiner linken Hand, in dessen Handrücken nach wie vor der Zugang lag.

»Hey Luke. Wie geht’s deinem Kopf?«, wurde ich von der anderen Seite des Sofas gefragt und entdeckte Jules dort sitzen. Dieses Mal in Alltagskleidung statt Dienstkleidung.

»Besser«, war meine kurze Antwort.
»Kann es sein, dass du oben bei der Treppe gestürzt bist?«, folgte die nächste Frage.
Unbewusst strich ich mir übers Kinn, was bei besagtem Sturz neben meinem Brustkorb auch nähere Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hat.

Die Frage war, ob ich ihm die Wahrheit sagen, oder ob ich lügen sollte.
Nicht, dass er aus diesem Sturz ein größeres Drama machte, als nötig.

»Bist du bei der Treppe oben hängen geblieben, oder haben deine Beine einfach nicht mehr mitgemacht?
Das wäre schon wichtig zu wissen, denn einen Sturz auf den Kopf sollte man nicht unterschätzen«, erklärte er mir, wieso er das wissen wollte.

Mein Blick lag auf dem Boden.

»Egal was es von beiden war. Bist du auf den Kopf gefallen?«

Vor lauter Nervosität begann ich an meinen Fingernägeln zu knibbeln.

»Vielleicht?«, sagte ich leise und traute mich nicht den Blick anzuheben.
»Wie ist es gerade mit Schwindel und Übelkeit?«
»Nichts von beidem«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
»Kannst du mich kurz anschauen?«. Das fragte er, während er näher zu mir rückte.
Das Verlangen danach, zurückzuweichen, war da, aber nicht so stark, als dass ich dem hätte direkt nachkommen müssen.

Um seiner Aufforderung nachzukommen, hob ich den Blick und schaute ihn an.

»Ich werde jetzt kurz mit meiner Handytaschenlampe deine Pupillen kontrollieren. Das wird kurz hell und alles, was du machen musst, ist mir auf die Nasenspitze zu schauen«, erklärte er mir was er vorhatte, und das, was ich zu tun hatte.

Klang nicht allzu schlimm, weshalb ich auch tat, was er von mir wollte. Ich schaute ihm auf die Nasenspitze und er überprüfte meine Pupillen, indem er immer in ein Auge leuchtete und das andere zuhielt.

»Das sieht gut aus. Mal schauen, was dein Kopf später macht, wenn das Schmerzmittel aufhört zu wirken«, meinte er und legte das Handy wieder auf Seite.

Auf das Abklingen des Schmerzmittels freute ich mich nicht. Aus Angst, dass die Kopfschmerzen wieder kamen. Das brauchte ich wirklich kein zweites Mal.
Immerhin hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits einen Zugang. So brauchte ich zur Not nicht mehr darüber nachdenken, ob ich Schmerzmittel wollte oder nicht.

Ich schaute zu meiner Zwillingsschwester, die immer noch friedlich am Schlafen war. Man merkte ihr nicht an, wie es ihr ging. Ob es ihr vorher gut oder schlecht ging, bevor sie sich zu mir gelegt hatte.

»Wie spät ist es?«, fragte ich, weil ich wissen wollte, wie lange ich geschlafen hatte. »Halb fünf«, nannte Jules mir die Uhrzeit.

Halb fünf. Wann waren er und Mom hergekommen? Kurz nach dem Mittagessen, aber an die genaue Zeit erinnerte ich mich nicht.
Ungefähr zwei Stunden Schlaf werden es aber gewesen sein.

»Brauchst du gerade irgendwas?«. Jules nahm seine Aufgabe, auf uns aufzupassen, wirklich ernst.
Apropos aufpassen. Hatte Mom sich bezüglich seines Angebots entschieden?
Mit im Raum war sie nicht, was bedeuten könnte, dass sie es angenommen hatte und uns unserem Onkel eine Weile anvertraute.

Weil sich diese Frage wegen des Angebots von Jules in den Vordergrund gedrängt hatte, hatte ich vergessen auf seine Frage zu antworten, ob ich was bräuchte.

Das bemerkte ich erst, als er mich aus meinen Gedanken holte und seine Frage erneut stellte.
Darauf zuckte ich nur mit den Schultern.
»Kein Hunger? Kein Durst?«, wurde er genauer. Beides verneinte ich.

Allerdings machte sich ein anderes Bedürfnis bemerkbar. Ich musste auf Toilette. Vermutlich wegen der Infusion, über die ich mein Schmerzmittel bekommen habe.

»Bin kurz aufm Klo«, gab ich Jules Bescheid, was ich vorhatte.
»Mach langsam, okay?«. Darauf nickte ich, stand vorsichtig auf und ging ins Gästebad, weil ich nicht die Treppe hochgehen wollte.

Nachdem das Bedürfnis befriedigt war, ging ich ins Wohnzimmer zurück, wo Akira wachzuwerden schien, denn sie setzte sich auf. Ich setzte mich wieder neben sie. Sie rieb sich einmal über die Augen, blinzelte ein paar Mal und schaute erst zu mir und danach zu Jules.

»War also kein Traum?«, fragte sie brummend.
»Kein Traum«, bestätigte Jules, worauf Akira seufzte.
»Brauchst du denn gerade irgendwas? Was zu essen oder trinken?«, fragte er meine Zwillingsschwester dasselbe, wie mich vor ein paar Minuten. Auch sie verneinte das mit einem Kopfschütteln.
»Gibts denn Neuigkeiten?«, wollte sie stattdessen wissen.
»Ja, die gibt es«.
Erwartungsvoll schauten wir unseren Onkel an. Hofften auf gute Nachrichten.
»Es hat sich herausgestellt, dass er sich bei dem Unfall einen Lendenwirbel gebrochen hat. Der soll auch operativ einmal stabilisiert werden. Ob er bereits im OP ist, das weiß ich nicht. Ich bekomme auf jeden Fall Bescheid, wenn er aus’m OP raus ist«, teilte uns er die Neuigkeiten mit.

Ich musste schlucken.
Der Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung hatte sich also bestätigt.

»Hoffentlich kann das gut repariert werden und er ist nicht gelähmt«, ging es mir durch den Kopf.

Akira zog mich in ihre Arme.
Ob sie mir jetzt Nähe schenken wollte, oder ob sie sich selbst so Trost spenden wollte, wusste ich nicht.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt