- Kapitel 133 -

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Lukes Sicht

»Er hat "Wir sehen uns" gesagt. Wie meint er das? War das einfach so gesagt ohne Hintergedanken oder weiß er mehr als ich?
Er weiß viel über die Ausbildung und den Ablauf …
Natürlich weiß er das, er hat die Ausbildung selbst durchgemacht.
Aber irgendwie hab ich ein seltsames Gefühl … woher kommt das?
Hab ich was übersehen?
Vielleicht hat sein "Wir sehen uns" doch mehr zu bedeuten?
Quatsch! Hör auf, dir wegen drei Wörtern den Kopf zu zerbrechen.
Es hat nichts damit zu tun, ob du angenommen bist, oder nicht.
Vielleicht gehört er zu den Leuten, die das entscheiden.
Nein, das ist dumm. Wieso sollte er sich wegen zwei zufälligen Treffen dazu entscheiden, dass du Teil des Teams wirst, wenn er überhaupt was zu sagen hat diesbezüglich. Er ist immer noch Schüler. Genau wie du!
Oberschüler.
Egal. 
Aber …
Nein!«

Seufzend ließ ich den Stift auf das leere Blatt vor mir sinken und lehnte den Kopf an meine Stuhllehne.

Egal, wie sehr ich versuchte, mich auf die Hausaufgaben zu konzentrieren, meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Immer wieder zu demselben Thema.
Zum Glück musste ich die Hausaufgaben, die noch erledigen musste, nicht bis zum nächsten Tag erledigt haben.

»Du wirst in ein paar Tagen wissen, wie sich entschieden wurde. Es lohnt sich nicht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen! Entspann dich ...«, ermahnte ich mich selbst in Gedanken.

Entspannen ...
Mir kam etwas in den Sinn, was Damien mir ein paar Tage vorher beigebracht hatte. Dieses Muskel anspannen und entspannen Ding. Der Name davon ist mir entfallen, wie es funktioniert hingegen, nicht.

»Ein Versuch ist es wert«

Da Damien mir den Vorgang im Stehen beigebracht hatte, stand ich auf, atmete durch und begann mit den Armen. Anspannen, Spannung halten und entspannen. Dasselbe mit dem Rest vom Körper.

Tatsächlich fühlte ich mich danach entspannter als vorher. Leider war diese Technik nicht dazu in der Lage, den Kopf zu beruhigen.

Ich ließ mich auf mein Bett fallen und streckte alle viere von mir. Konzentrierte mich aufs Atmen.

Einatmen …

»Fynn wirkte echt nett, ob es infrage kommt, ihm von meiner Angst zu erzählen?«

Ausatmen....

»Was, wenn er sich darüber lustig macht?«

Einatmen …

»Nein! Hör auf, darüber nachzudenken!«

Geräuschvoll atmete ich aus und setzte mich auf. Schaute aus meinem Fenster. Der Himmel war bedeckt, aber es war trocken.
Noch.
Ich traute dem Wetter nicht über den Weg, weshalb herausgehen und mit Training den Kopf freibekommen wegfiel.

Gar nichts zu tun bzw. alleine zu sein kam erst recht nicht infrage, weil mein Kopf sonst kein Ende beim Nachdenken fand.

»Dad wird unten im Wohnzimmer sein. Vielleicht sollte ich zu ihm gehen«

Da mir keine andere Lösung einfallen wollte, schwang ich die Beine aus dem Bett, stand auf, verließ mein Zimmer. Es ging die Treppe runter und Richtung Wohnzimmer. Auf dem Sofa saß Dad und schaute fern. Ich ließ mich neben ihn aufs Sofa fallen.

»Hey, großer. Alles gut?« Er legte einen Arm um mich und ich lehnte mich an ihn.
»Hm-m«, brummte ich und schloss die Augen. Nicht weil ich müde war, sondern weil mich das, was im Fernsehen lief, nicht interessierte.
In Dads Anwesenheit war der Gedankenkreisel nicht weg, aber immerhin weniger geworden. Deshalb blieb ich bei ihm. Nichts zu tun war ermüdend und das ganze Nachdenken zuvor hatte meinen Kopf angestrengt, weshalb ich irgendwann Mühe hatte nicht in Dads Armen einzudösen.

Das Abendessen rettete mich vor einem abendlichen Nickerchen und den damit einhergehenden Einschlafproblemen, die damit einher gekommen waren am späteren Abend.

Nach dem Abendessen zog ich mich wieder auf mein Zimmer zurück. Das Gedankenkarussell nahm wieder zu. Mithilfe von Musik versuchte ich, die Gedanken zu übertonen und von dem Thema Fynn und Schulsanitätsdienst wegzukommen.
Das klappte … sagen wir, ganz okay.

Die nächsten Tage vergingen viel zu schnell. Wir wussten nicht, wann genau die Rückmeldungen kamen. Wir wussten nur, dass es ein paar Tage dauern sollte.

Was ist für die ein paar Tage?

Bis Freitag passierte nichts und das Wochenende kam. Bedeutete am Samstag wieder auf die Wache. Dieser Tag verging wie die letzten Wachentage. Zeit zum Akklimatisieren, Konfrontationstherapie, Gespräch mit Damien und die restliche Zeit verbrachte ich entweder im Aufenthaltsraum oder im Ruheraum.

Der Sonntag war unspektakulär und dann kam er Montag.

Der erste Block war Deutsch. Eine Stunde, die wir mit unserer Klassenlehrerin hatten. Alles verlief normal, bis die Klingel den Unterricht beendete.

Unsere Clique wollte, wie der Rest der Klasse, schnell in die Pause.

»Viola, Luke, Akira. Habt ihr noch eine Minute?«, kam es von Frau Kiel.

Was wollte sie?

»Ich warte am Treffpunkt auf euch«, meinte Nick und verließ mit den anderen Schülern den Klassenraum.

Viola, Akira und ich blieben.

»Ich habe erfahren, dass ihr drei euch für den Schulsanitätsdienst beworben habt. Freut mich, dass es noch Schüler gibt, die ihren Mitschülern im Notfall helfen wollen« während sie sprach, suchte sie in ihrer Mappe nach etwas.
Viola kratzte sich verlegen am Kopf. Akira lächelte leicht und ich reagierte gar nicht.

»Die Leitung der AG kam heute auf mich zu und hat mich gebeten, euch das zu geben« Sie gab jeden von uns einen Briefumschlag mit unserem Namen darauf.

Die Rückmeldung?

»Danke«, bedankte Viola sich im Namen von uns dreien.

Frau Kiel entließ uns in die Pause.
Akira und Viola unterhielten sich aufgeregt, während ich hinter ihnen her lief und den Briefumschlag ansah.

»Wenn es die Rückmeldung ist, was steht drin? Bin ich angenommen, oder nicht?«

Die Antwort stand sicher dort drinnen. Traute ich mich, diesen Umschlag zu öffnen?
Nein.

»Und? Was wollte sie von euch?«, forschte Nick nach.
Viola zeigte ihm den Brief. »Ist wahrscheinlich die Rückmeldung wegen der Bewerbung«
»Nice! Mach auf!« Nick war genauso aufgeregt wie Viola. Sie ließ sich das nicht zweimal sagen, öffnete ihren Brief und holte den Zettel raus.
»Ich bin angenommen!«, jubelte sie.
»Glückwunsch!«, beglückwünschte Nick sie.
Akira öffnete derweil ihren Brief und las sich den Zettel durch.
»Dann sind wir schon mal zu zweit!«
Viola fiel ihr um den Hals.

Ich schaute nervös auf den Brief in meiner Hand.
Wenn die beiden angenommen waren, war ich es auch, oder war dadurch die Wahrscheinlichkeit niedriger?

»Und was sagt deiner?«, wollte Viola wissen. Darauf zuckte ich mit den Schultern.
Akira trat vor mich.
»Wollen wir ihn zusammen öffnen?«, schlug sie vor.
»Weiß nicht …« Ich hatte Angst vor dem, was dort drinnen stand.
»Ich kann ihn für dich öffnen und nachschauen«
Nettes Angebot, aber ich musste selbst schauen.
Mit zitternden Händen öffnete ich den Brief und zog den Zettel raus, auf dem stehen sollte, ob ich Teil des Schulsanitätsdienstes wurde oder nicht.

Ich klappte ihn auf und las die Zeilen.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt