- Kapitel 90 -

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Lukes Sicht

Ich rechnete damit, dass jemand in diesem Zimmer war und ich jeden Moment angesprochen wurde, doch nichts passierte. Das Zimmer war leer.

Erleichtert atmete ich aus und schloss hinter mir die Türe.

»Jetzt nur noch rausfinden, wo der Schlüssel ist.«

Leider konnte er überall liegen.
Am ehesten vermutete ich ihn in einem der Nachtschränke.

Zuerst ging ich zu Dads Bettseite.

»Das kann ich nicht machen!«

»Ohne Medikamente bist du aufgeschmissen!«

Egal wie sehr ich versuchte mich damit abzufinden, dass es früher oder später sowieso jemand bemerkte, die Angst war stärker und meine Energie dagegen anzukämpfen war begrenzt.
Deswegen musste ich wohl oder übel nachgeben und das durchziehen.

Das schlechte Gewissen hatte bereits seinen Platz in meinem Kopf eingenommen.

Ich schüttelte den Kopf, versuchte mir nicht weiter den Kopf zu zerbrechen und suchte weiter nach dem gesuchten Objekt.

In Dads Nachtschrank war es nicht zu finden. Also ging meine Suche auf Moms Seite weiter. Dort fand ich auch einen Schlüssel. Ob es der passende war, konnte ich erst wissen, wenn ich ihn ausprobiert hatte.

Der Schlüssel landete in meiner Hosentasche, ich schlich mich wieder aus dem Schlafzimmer und zurück ins Bad, wo ich den Hustenreiz aufhörte zu unterdrücken. Mit einer Hand vor meinem Mund versuchte ich die Geräuschkulisse, die ich verursachte, einzudämmen.
Nachdem der Husten mich vorerst wieder in Frieden gelassen hatte, holte ich den Schlüssel aus meiner Hosentasche.

»Dann schauen wir doch mal, ob du passt.«

Ich steckte ihn ins Schloss des Schranks und versuchte diesen aufzuschließen. Und es klappte.
Glück gehabt.

Da ich nun Zugriff auf unsere Hausapotheke hatte, schaute ich gleich mal nach, ob wir was da hatten, was mir behilflich sein konnte.
Ibuprofen gegen die Kopfschmerzen waren schon mal das Erste, was ich mir unter den Nagel riss.

Wenn die Kopfschmerzen erst einmal weg waren, war schon einiges gewonnen, aber wenn ich noch was fand, was mir mit dem Husten half bzw. dem Hustenreiz, wäre das quasi der Jackpot.

Leider kannte ich bis auf Ibuprofen und Novalgin kaum was von den Medikamenten. Daher wusste ich auch nicht, was wogegen hilft.

Ausreichend Zeit zum Beipackzettel durchlesen hatte ich leider nicht.
Deshalb schaute ich alles durch und las mir das durch, was auf der Verpackung stand. Eine Schachtel stieß mir besonders ins Auge. Lutsch Pastillen gegen Halsschmerzen.
Besser als nichts.

Meine Ausbeute ließ ich in meiner Hosentasche verschwinden, der Schrank wurde wieder abgeschlossen und landete ebenso in der Hosentasche.

»Ob den wer vermisst in den nächsten Tagen?«

Ich hoffte einfach, dass in den paar Tagen, die ich den Türöffner noch brauchte, ihn niemand anderes suchte. Ihn jedes Mal wieder zurückzubringen und neu holen zu müssen war erstens zu riskant und zweitens nicht gut für meine Nerven.

Wieder in meinem Zimmer versteckte ich die Medikamente und den Schlüssel zwischen den T-Shirts in meinem Kleiderschrank. Falls jemand suchen sollte, dann nicht als Erstes dort.

Erschöpft ließ ich mich auf meinem Bett nieder.
Meine Augen hatte ich geschlossen und alle Viere von mir gestreckt.

Mir war heiß, mein Kopf pochte und mein Hals fühlte sich an, als hätte ihn jemand mit Schmirgelpapier bearbeitet.

Eigentlich war es Zeit zum Frühstücken. Allerdings war mir nicht danach nochmal aufzustehen und den Weg runter in die Küche auf mich zu nehmen. Ich wollte einfach im Bett bleiben und den ganzen Tag schlafen.
Bedauerlicherweise musste ich mich aufraffen, um keinen Verdacht zu erregen.

Damit ich die nächsten Stunden einigermaßen überstehen konnte, nahm ich mir die medikamentösen Helferlein an die Hand. Ein Mal Ibuprofen und eine dieser Lutschpastillen für den Hals. Letzteres hatte entgegen meiner Erwartung nicht den Geschmack nach Medizin, sondern nach Kirsche, was das ganze etwas angenehmer machte.

Nach ein paar Minuten stellte sich in meinem Hals ein leicht betäubtes Gefühl ein.
Die Ibuprofen bräuchte länger, um ihre Wirkung zu entfalten. Leider zu lange und ich musste mich noch vor richtigen Wirkungseintritt nach unten schleppen.

Zu meinem Glück befand sich kein Erwachsener in der Küche. So konnte ich mir in Ruhe eine kleine Portion Müsli machen und niemand konnte meckern.

Der fehlende Appetit machte es mir echt schwer überhaupt einen Löffel runter zu bekommen. Trotzdem zwang ich es mir runter. Für mein Gewissen, damit ich nicht noch mehr lügen musste.

Da der Hustenreiz sich wieder begann zu melden, brachte ich das Essen schnell hinter mich, räumte ab und verschwand wieder ins Zimmer hoch.

Am liebsten wäre ich auf der Stelle eingeschlafen und hätte den fehlenden Schlaf von der Nacht aufgeholt. Jedoch wollte ich mitbekommen, wenn jemand was von mir wollte und ich wollte ungern meinen Termin bei Damien verschlafen.

Die nächsten Stunden lag ich in meinem Bett, beschäftigte mich mit meinem Handy und hielt mich irgendwie wach. Immerhin hatte die Ibuprofen inzwischen angeschlagen.

Eine halbe Stunde vor dem Termin mit Damien begann ich mich fertig zu machen.

Damit die Wirkung der Ibu nicht nachließ, nahm ich noch eine und dazu noch was gegen die Halsschmerzen.

Das, was ich nicht beseitigen konnte, war der Hustenreiz und das Gefühl, der Schlappheit im ganzen Körper.

Bevor ich nach unten ging, machte ich noch einen Abstecher ins Bad und schaute mich im Spiegel an.
Die Augenringe waren nicht zu übersehen und leicht blass war ich auch. Wenn jemand fragte, musste ich mir eine Ausrede einfallen lassen, die mich nicht in die Scheiße ritt.

Ich klatschte mir nochmal Wasser ins Gesicht in der Hoffnung dadurch etwas klarer im Kopf zu werden. Leider blieb der erwünschte Effekt aus. Enttäuscht trocknete ich mir das Gesicht wieder ab und machte mich auf den Weg nach unten.

Kaum hatte ich den unteren Treppenabsatz erreicht, kam Mom aus dem Wohnzimmer.
Eigentlich hatte ich gehofft unbemerkt aus dem Haus zu kommen.

»Bist du so weit?«, fragte sie mich, was ich mit einem nicken bejahte.
»Gut. Dann machen wir uns gleich auf den Weg«, meinte sie und zog sich ihre Schuhe an.
»Ich wollte eigentlich mit dem Bus fahren …«
»In den nächsten Wochen wirst du zu deinen Terminen bei Dr. Martens gefahren. Einfach um sicherzugehen, dass du dort wirklich ankommst.« Ihr ernster Blick machte mir klar, dass es da nichts zu diskutieren gab. Was hatte ich nach meiner Aktion mit dem Abhauen auch erwartet?

»Du siehst übrigens nicht so gut aus. Geht’s dir gut?«, sprach sie mich auf mein angeschlagenes Aussehen an. »Hatte eine blöde Nacht …«, versuchte ich es mit der Ausrede. »Schlecht geträumt?«
»Mh-m«, brummte ich zustimmend. Tatsächlich hatte ich nicht gut geträumt, aber das war nicht die Hauptursache für meinen Schlafmangel.
»Vielleicht solltest du das bei deinem Gespräch heute ansprechen. Scheinst in letzter Zeit häufiger schlechte Nächte zu haben«. Sie schnappte sich ihren Autoschlüssel vom Schlüsselbrett.
Auf diese Aussage nickte ich nur und wir gingen zum Auto.

Ich ließ mich auf dem Beifahrersitz nieder, schnallte mich an und lehnte den Kopf gegen die kühle Scheibe.

Mom hatte neben mir auf dem Beifahrersitz Platz genommen, startete den Motor und los ging es zum WKM.

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt