- Kapitel 98 -

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Lukes Sicht

Auf ähnliche Weise vergingen die nächsten zwei Tage.
Jules beehrte mich mindestens einmal am Tag mit seiner Aufmerksamkeit.

Bereits am Freitagmorgen zeigte sich, dass es unwahrscheinlich war, dass ich am nächsten Tag dazu in der Lage war zur Wache zu fahren. Denn ich hatte immer noch Fieber, meine Nase hat beschlossen die Pforten zu öffnen und der Husten hielt sich hartnäckig.
Jules meinte, ich hätte mir die Grippe eingefangen und sollte mich so viel ausruhen wie möglich, damit ich zu Montag wieder fit war und in die Schule gehen konnte.

Freitagabend lag ich in meinem Bett und hatte den Zettel in der Hand, den Damien mir am Dienstag gegeben hatte. Den mit der Nummer drauf, bei der ich mich melden sollte, falls ich nicht dazu in der Lage war Samstag auf der Wache zu erscheinen.

Meine Gedankenwelt spielte wieder einmal verrückt.
Die rationale Seite meinte, dass es okay ist abzusagen, schließlich wollte Damien das auch, damit ich mich nicht krank auf die Wache schleppen muss.
Die Seite des schlechten Gewissens jedoch war der Meinung, dass ich nicht krank genug sei, um anzusagen.

Das Fieber an sich ein Argument ist im Bett zu bleiben, interessierte diese Seite in mir nicht.

Ich nahm mein Handy in die Hand und öffnete die Kontaktliste. Dort drückte ich auf das Plus zum Hinzufügen eines neuen Kontakts und tippte die Nummer in das Kästchen für die Nummer ein. Nur noch ein Name musste für den Kontakt her.

»Damien oder Dr. Martens?«

Im Nachhinein betrachtet eine dumme Frage. Er würde nie sehen, wie er in meinem Handy eingespeichert ist und trotzdem machte ich mir Gedanken darüber, ob ich ihn aus Höflichkeit als „Dr. Martens“ einspeichern sollte oder als „Damien“.

Nach weiteren zwei Minuten des Kopfzerbrechens darüber, tippte ich in das Feld „Dr. Martens“ ein und speichert den Kontakt.

»Jetzt muss ich ihm nur noch schreiben, dass ich morgen nicht kommen kann.«

Dafür öffnete ich einen SMS-Chat und fing an zu tippen.
Zufrieden war ich mit meiner Nachricht nicht, weshalb ich sie wieder löschte.
Das wiederholte sich ein paar Mal.

»Mensch. Wieso ist es so schwer zu schreiben, dass ich morgen nicht kommen kann? Das ist doch blöd!«

Die ganze Nachdenkerei ließ die Kopfschmerzen wieder zurückkehren.

Genervt versuchte ich es noch einmal und verfasste letztendlich eine Nachricht mit den Worten:
»Hallo, ich bin's Luke. Ich bin leider immer noch krank und kann morgen nicht zur Wache kommen. Tut mir wirklich leid! Hoffentlich bin ich Dienstag wieder fit genug.«

Damit ich mir nicht weiter den Kopf über diese Nachricht zerbrechen konnte, schickte ich die ab und schloss den Chat.

Zur Ablenkung, damit ich das ganze Thema nicht für die nächste Stunde oder zwei in meinem Kopf hatte, nutzte ich meine übliche Beschäftigung.

Dabei war ich vermutlich eingeschlafen.

Am nächsten Tag, dem Samstag, blieb ich Zuhause. Damien hatte mir am morgen dieses Tages geantwortet und meinte, dass ich mich ordentlich auskurieren sollte.
Das tat ich auch.

Sonntag war der erste Tag, an dem ich fieberfrei war und auch meine Nase begann sich langsam wieder zu beruhigen. Nur der Husten hielt sich hartnäckig.

Mit Jules war abgemacht, dass sobald ich vierundzwanzig Stunden fieberfrei war und mein Kreislauf mitmacht, ich am Montag in die Schule durfte.

Es war seltsam darauf zu hoffen, dass das Fieber nicht nochmal wieder kam, damit ich meine Freigabe für die Schule bekam.

Das lag nicht daran, dass ich mich drauf freute, dass die Ferien zu Ende waren und die Schule wieder anfing.
Der Grund war, dass ich Marius fast schon versprochen hatte Montag da zu sein. Und das wollte ich halten.

Tatsächlich hatte ich Glück. Ich blieb die Nacht über Fieberfrei. Mein Kreislauf war in Ordnung und ich fühlte mich fit genug, um den ersten Schultag nach den Ferien zu überstehen.

Da wir Montags Sport im letzten Block hatten, bekam ich von Jules eine Entschuldigung geschrieben, dass ich wegen meines gesundheitlichen Zustands nicht an Sportunterricht teilnehmen durfte.

Die Entschuldigung landete in meinem Schulranzen, genau wie Brotdose und Wasserflasche.

»Falls es dir im Laufe des Schultages schlechter gehen sollte, melde dich bitte. Quäl dich bitte nicht unnötig durch den Schultag, wenn es nicht geht«, bat Dad mich darum, auf meinen Körper zu hören.
»Mache ich«, versicherte ich ihm, nahm ihn nochmal in den Arm, was Akira ihm gleich tat, wonach wir das Haus verließen und uns auf den Weg zum Bus machten.

Wie üblich trafen wir noch nicht im Bus auf den Rest unserer Clique. Erst beim Aussteigen trafen wir auf Viola und Nick.

»Heyyy!«, war es Viola, die zuerst zu Wort kam und zuerst Akira umarmte, wonach sie zu mir kam und mich auch umarmen wollte. »Nene! Warte damit lieber noch etwas. Nicht das du dich noch ansteckst!«, wies ich sie darauf hin, dass ich nicht ganz fit war und sie mir besser noch nicht zu nahe kommen sollte.
»Oh. Okay«. Sie schaute wieder zu meiner Zwillingsschwester.
»Wie waren eure Ferien?«, wollte sie von uns wissen.
»Durchwachsen. Ist ein bisschen was passiert«, antwortete Akira ihr darauf, während wir uns auf den Weg zu unserem Klassenzimmer machten.

Das folgende Gespräch beinhaltete die Erzählung von Akira über Dads Unfall und, dass ich krank geworden bin. Viola erzählte von ihrem Ausflug nach Köln und Nick erzählte von seinen eher unspektakulären Ferien.

Während die drei sich über die Ferien austauschten, ließ ich meinen Blick durch das Foyer schweifen.

Überall Schüler der verschiedenen Jahrgänge, aber von Marius fehlte jede Spur.

Es war nicht unüblich, dass wir uns vor der Schule nicht begegneten. Denn er hatte an manchen Tagen zu Beginn in einem komplett anderen Gebäudeteil Unterricht.

Wir gingen in den ersten Block des Tages. Deutsch.
Ich bemerkte schnell, dass mein Kopf noch nicht hundertprozentig wieder auf der Höhe war. Konzentrieren über einen längeren Zeitraum war schwierig. Der Husten trug nicht gerade positiv dazu bei.

In der ersten Pause ging es zu unserem Stammplatz. Zum Glück war es an diesem Tag trocken und wir konnten uns setzen.
Allzu lange dauerte es aber sicher nicht mehr, bis der Boden zu kalt wurde zum drauf sitzen und wir uns was anderes überlegen mussten, bis wir die Pausen im Foyer verbringen durften. Dad durften wir nämlich nur, wenn es draußen zu kalt war oder es am regnen war.

Ich holte meine Brotdose aus dem Schulranzen, öffnete sie und begann zu essen.
Wartete darauf, dass Marius kam.

Die Minuten vergingen und von dem Jüngsten unserer Clique war nichts zu sehen.
Verwirrt wagte ich es einen Blick auf mein Handy zu werfen. Vielleicht hatte er mir geschrieben.

Enttäuscht musste ich feststellen, dass keine Nachricht von ihm auf meinem Handy eingetroffen war.

Wo steckte er bloß?

WKM - Angst vor ihnen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt