20

720 31 3
                                    

Wir saßen noch still auf den Boden. Es tat wirklich gut das alles wieder zu erzählen. Nur blöd, dass mich das immer noch verletzt. Ich wollte stark sein und das alles hinter mich lassen. Doch sowas kann man nicht vergessen. Niemals.
"Was willst du jetzt wegen Nicolás unternehmen?", fragte Diego, der langsam die Kisten wieder einräumte. Ich zuckte mit den Schultern.
"Er hat gewonnen. Er wollte mich sowieso am Boden sehen, nur weil ich nicht mit sein Sohn Alex zusammen kommen wollte."
"Die Gálans sind Tiere wenn es um ihr Image geht.", meinte er und stand auf um die Kisten wieder in den Schrank zu stellen. Ich saß noch auf den Boden und blätterte in den Blättern herum.
"Nicolás kann man nicht vertrauen. Alex genauso wenig."
"Warst du deswegen so wütend auf mich in London?", fragte ich. Diego schaute zu mir und sah etwas traurig aus.
"Ja."
Ich nickte und packte alles ein. Diego kam auf mich zu und setzte sich neben mich.
"Ich hab eine Zeit lang bei Nicolás gearbeitet. Ich war sein Assistent.", sagte er. "Ich hab viel von ihm gelernt und ich wollte so sein wie er. Dann hab ich erfahren, dass er mit falschen Karten spielt."
"Was meinst du damit?", fragte ich und drehte mich zu ihm. Ich lehnte mich an die Couch und schaute ihn fragend an.
"Nicolás kauft sich seine Investoren. Er hat sein Sohn absichtlich Drogen in die Tasche gesteckt, damit er in die Schlagzeilen kam. Er hat seinen Ruf quasi manipuliert."
"Arschloch.", murmelte ich leise. Diego lachte und schüttelte dabei den Kopf.
"So läuft es eben.", meinte er und schaute mich nun auch an. Da wir beide den Blick stand hielten, lächelte ich automatisch. Zum Glück schenkte er mir auch sein Zahnpasta Lächeln.
"Du hast ein tolles Lächeln. Musst du mal öfters machen.", gab er mir ein Kompliment. Mein Lächeln wurde breiter und ich spürte wie rot ich wurde. Ich sah schüchtern auf den Boden, doch er schaute immer noch zu mir.

Ich weiß nicht ob das Diego auch so empfand, aber irgendwas war da zwischen uns. Eine Verbindung oder sowas in der Art. Mein Herz klopfte doll und ich hatte das Gefühl, dass ich wie die meisten Teenager gerade ausrasten würde. Ich wagte ein Blick hoch und wieder trafen meine Augen Diegos. Sein Lächeln war fast verschwunden. Seine Augen waren nur noch auf mein Gesicht geheftet. Ich dachte ich spinne als ich sah, dass Diego sich mir langsam näherte. Aber das war keine Einbildung. Mein Chef kam mir immer näher und näher. Und das schlimmste: ich tat nichts dagegen. Nein, ich wollte es anscheinend!
Bevor ich oder mein Verstand noch reagieren konnten, lagen auch schon die weichen, sanften Lippen von Diego auf meine. Aus Angst erwiderte ich erstmal nicht doch dann bewegte ich mich mit ihm. Der Kuss war sanft. Zärtlich und doch voller Leidenschaft. Diego legte seine rechte Hand an meine Wange, aus Angst ich würde den Kuss gleich abbrechen. Ich legte mein Arm um sein Hals, zog ihn an mich und stieg schon fast auf sein Schoß. Zum Glück waren wir alleine in der Abteilung. Wenn jetzt jemand die Tür aufmacht, flippe ich aus. Diego nahm seine andere Hand, legte diese an mein Rücken und drückte mich so eng an sich, dass ich kurz nach Luft schnappen musste. Gerade als dieser Kuss fast zu einer Knutscherei wurde, wurden wir langsamer. Ich spürte plötzlich seine Hand an mein Rücken. An meiner nackten Haut. Meine Alarmglocken läuteten. Ich brach den Kuss sofort ab und entfernte mich von ihm.

Diegos Lippen waren rot, meine sicherlich auch. Ich fasste panisch mein Mund an, die schon angeschwollen waren. Ich stand auf und griff nach meinen Schuhen, die ich vorhin ausgezogen habe. Diego stand ebenfalls auf.
"Francesca ... warte es tut mir leid.", sagte Diego doch ich ging nicht drauf ein sondern zog mein Mantel an und schlüpfte in meine Schuhe. Ich muss einfach hier weg. Ohne noch was zu sagen verließ ich sein Büro und eilte zum Fahrstuhl. Ich drückte wie eine Irre auf den Knopf.

Schluchzend raufte ich mir die Haare. Ich bin so dumm! Ich hab vor Verzweiflung mein Chef geküsst! Wie konnte sowas passieren? Wie? Die Türen öffneten sich, ich stieg ein und drückte auf den runden Metallknopf. Ich lehnte mich an die Wand, schloss meine Augen und fasste nochmal mein Mund an. Ich spürte immer noch seine weiche Lippen. Die, die so süß geschmeckt haben. So vertraut und doch heiß. Als sich die Türen wieder öffneten, ging ich so schnell wie möglich aus dem Gebäude und rief ein Taxi.
Als ich zu Hause ankam lag Ilaria schon schlafend auf der Couch. Ich gab ihr ein Kuss auf die Stirn und legte mich auch sofort schlafen. Nachdem ich von Diego träumte konnte ich seelenruhig einschlafen.

Der Geruch von Kaffee weckte mich am nächsten helllichten Tag. Meine Schwester ist schon wach. Ich schlüpfte sofort in ein schwarzen Jumpsuit und machte mich im Bad frisch. Meine Haare ließ ich ausnahmsweise offen.
"Guten Morgen.", lächelte Ilaria als ich in die Küche kam. Ich schenkte ihr ein Lächeln und setzte mich ihr gegenüber.
"Und wie wars gestern?", fing sie sofort an.
"Ich hab Diego alles erzählt. Von Anfang bis Ende.", gestand ich. Sie war erstmal erschrocken, nickte aber dann doch. Sie legte ihre Hand auf meine.
"Und dir gehts gut, ja?", fragte sie besorgt. Ich zwang mir ein Lächeln und nickte. Ilaria sollte sich keine unnötigen Sorgen um mich machen. Deswegen erzähle ich ihr auch nicht, dass sie eigentlich entjungfert werden sollte.
"Ist da noch was zwischen euch vorgefallen?", fragte sie. Ich schüttelte den Kopf und goss Milch in mein Kaffee. Sie sah mich prüfend an.
"Umarmung, Blicke oder Kuss?", fragte sie und nahm einfach mein Kaffee weg. Verdutzt schaute ich sie an. Doch sie wartete auf meine Antwort.
"Das zweite.", gab ich leise zu. Sie hob ihre Augenbrauen und wartete.
"Und dritte.", sagte ich noch leiser und versank in Scham. Sie grinste wie ein Honigkuchenpferd.
"Meine kleine Schwester hatte ihren ersten Kuss!", schrie sie glücklich und kniff in meine Wange. Ich schlug eingeschnappt ihre Hand weg.

Mein Chef, seine Frau & ich ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt