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Ich saß stundenlang auf mein Stuhl, las Verträge, telefonierte und schrieb Notizen. Meine Gedanken waren nur bei der verdammten Hochzeit. Nur einige Mitarbeiter waren im Gebäude. Auch Natalia war nicht da. Ich wollte zwar nicht hingehen doch ich muss. Ich muss Diego nach einmal sehen.
Nach meiner früheren Schicht fuhr ich sofort nach Hause.

Es war dumm zur Arbeit zu gehen, wo sowieso die Hälfte fehlt. Ich weiß nicht ob ich mich für die Hochzeit fertig machen sollte, aber ich ging trotzdem unter die Dusche und zog mir ein langes weißes Sommerkleid an. Meine Haare ließ ich offen. Ich bin innerlich zerbrochen und traurig, aber Diego und die anderen sollten das nicht sehen. Ich verletze mich zwar selber wenn ich auf die dumme Hochzeit gehe aber Diego muss die Wahrheit erfahren. Ich schnappte mir meine braune Tasche, wo ich meine Brieftasche, mein Handy, die Schlüssel und ein Foto vom Ultraschall packe.
Als es dann soweit war verließ ich die Wohnung und stieg in ein Taxi. Ich muss mir wirklich ein eigenen Wagen kaufen. Eine Viertelstunde später kam ich an einer Kirche an. Mehrere Gäste standen davor und ich glaube sogar Florencia lachend gesehen zu haben. Ich nahm mein Mut zusammen und stieg aus dem Taxi, der auch gleich wieder weg fuhr. Natalia stand neben León am Eingang. Sofort ging ich zu ihr.
"Francesca du bist doch da!", begrüßte sie mich und umarmte mich. Ich lächelte gezwungen und schaute mich um.
"Ich bin León, hallo."
Er hielt mir seine Hand hin, die ich schüttelte.
"Francesca."
"Ich lasse euch zwei dann mal alleine."
"Nein brauchst du nicht. Ich gehe kurz rein und begrüße die anderen.", widersprach ich als ich Florencia auf mich zu kommen sah. Eilig lief ich in die Kirche und wollte mich in eine tiefe Ecke verstecken, doch da rief diese Hexe schon nach mir. Seufzend drehte ich mich zu ihr um.

"Francesca was verschafft mir die Ehre?", grinste sie und hielt mir ihr Champagner hoch.
"Ich wollte die Hochzeit genießen, doch langsam wird es hier doch ätzend."
"Wer hat dich eingeladen?"
"Keiner.", gab ich zu. "Ich bin ein Überraschungsgast."
Sie rollte genervt die Augen.
"Ich hab Diego doch gesagt, dass er dir keine Einladung geben soll. Also bitte, verschwinde."
"Da sie mich so sehr bitten ... bleibe ich.", lächelte ich und ging an ihr vorbei. Sofort verdunkelte sich meine Laune wieder und ich ging wieder raus zu Natalia.
Ich stellte mich still neben ihr und sah mich nach Diego um. Vielleicht ist es doch falsch herzukommen.

Es ist nun eine weile vergangen und alle Gäste sitzen bereits auf ihren Plätzen. Ich schleiche mich immer noch in den Gängen umher und suche nach dem Bräutigam. Als ich vor einer offenen Tür stand schaute ich rein und entdeckte zwei Männer und Diego. Mein Herz setzte ein Sprung als ich ihn in diesen schwarzen Anzug sah. Ich hatte immer mal gehofft ihn so zu sehen. Als die Männer sich umdrehten um den Raum zu verlassen versteckte ich mich kurz um die Ecke, bis sie gegangen sind. Nervös ging ich wieder zur Tür. Diego stand mit dem Rücken zu mir und fuhr sich durch die Haare. Er hat mich noch nicht bemerkt, was meine Gelegenheit ist. Ich ging hinein und räusperte mich, damit er mich bemerkt. Verwundert drehte er sich zu mir um und machte große Augen. Ich wusste nicht so recht ob ich ihn an sehen sollte oder ob ich das überhaupt will, deswegen starrte ich den weißen Boden einfach an.
"Du bist hier.", bemerkte er und kam auf mich zu.
"Ich wollte ... ich muss dir was sagen."
Ich hob den Blick und blickte in seine trüben Augen. Er hatte genau wie ich dunkle Augenringe, wenn nicht sogar dunkler als meine. Mein Herz wurde schwer.
"Ich ... ich hab dir nicht die ganze Wahrheit gesagt als du bei mir warst."
"Welche Wahrheit?"
"Ich wollte dir das eigentlich garnicht sagen aber ... ich muss. Es betrifft uns beide und du hast ein recht drauf."
Ich nahm eine Pause und er wartete bis ich weiter sprach. Ich konnte ihn nicht die Wahrheit sagen, deswegen grübelte ich in meiner Tasche und holte das Ultraschallbild raus. Nachdem ich tief Luft nahm gab ich es Diego. Irritiert schaute er auf das Bild.
"Das Bild hab ich seit paar Tagen. Ich bin genauer gesagt im zweiten Monat.", gab ich zu. Doch er starrte nur auf das Bild.
"Ich weiß es auch erst seit kurzem. Eigentlich seit du weg bist, keine Ahnung ob du wirklich aus der Stadt warst."
"Behälst du es?", fragte er, mit dem Blick immer noch auf das Bild.
"Ja.", bestätigte ich sicher. "Und weder du noch sonst wer kann meine Meinung ändern."
Er nickte und hob sein Kopf. Seine Augen waren glasig und er blinzelte, etwa weil er weinen muss? Gerade als er mir das Bild zurück geben wollte, schüttelte ich den Kopf.
"Behalt sie. Ich hab sowieso noch eine Kopie zu Hause. Du sollst ein Andenken an mich haben bevor du ... naja du weißt schon."
Ich beneide mich selber für diesen Mut den ich gegenüber Diego habe. Ich musste nicht mal eine Träne verschwenden. Dennoch geht mir das alles sehr nahe und ich würde am liebsten in eine Ecke kriechen.
"Es tut mir wirklich leid, Francesca. Ich würde gerne die Zeit zurück drehen, wirklich.", seufzte er.
"Keine Sorge. Ich verstehe das du deine Hexenmu ... ich meine Mutter ... glücklich machen willst. Schade nur das du kein eigenes Leben hast, wo du selbst Entscheidungen treffen kannst. Immerhin bist du alt genug."
Er spannte sein Kiefer.
"Bleibst du hier?", fragte er.
Ich zuckte mit den Schultern. Plötzlich zuckte ich kurz zusammen als Diego seine Arme um mich legte und mich so fest an sich drückte, dass mir das erste mal seit ich hier bin ein Wimmern entlockte.

Das ist wohl der Abschied. Der Abschied zwischen uns. Er vergrub sein Gesicht an mein Hals und ich musste leise schluchzen. Ich wollte hier aufkreuen, die Wahrheit raus posaunen und ohne eine Träne zu vergießen hier raus gehen. Doch diese Umarmung erweckte diesen Schmerz in mir, den ich seit Tagen in mir trage. Diego löste sich nach Minuten von mir. Doch trotzdem waren wir uns nah, sodass sich unsere Nasenspitzen berührten. Wir sahen uns Sekunden in die glasigen Augen bis ich Diegos weiche Lippen auf meine spürte.
Mir war es egal, dass er wohl möglich Angie hintergeht. Ich erwiderte den Kuss mit allen was ich hatte und genoss es, da es unser letzter Kuss sein wird. Ich legte meine Arme um seine Taille und er seine an meine Wangen. Ich will nicht das er geht. Er soll bei mir sein. Bei unserem Kind. Ich liebe ihn mehr als mich. Gerade als es so schön wurde und ich das Gefühl hatte Diego den Anzug vom Leib zu reißen, klopfte es an der Tür. Wir lösten uns sofort und ich ging so weit von ihm weg. Die Tür wurde geöffnet und Florencia steht dort.
"Hier steckst du. Los, alle warten schon!", sagte sie und drängte Diego raus, der ohne ein Blick zu mir sofort das Zimmer verließ. Ich schniefte und wischte die Tränen weg.
"Und nun zu dir.", sagte sie zu mir gewandt und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
"Heute ist die Hochzeit meines Sohnes und ich habe dich bewusst nicht eingeladen. Ich will das du sofort verschwindet und dich von mein Sohn fernhälst. Ist das klar?!"
"Ich hab keine Angst vor Ihnen."
Diegos Umarmung und Kuss weckte den Mut in mir. Ich stellte mich vor der Hexe.
"Ich habe es akzeptiert, dass sie Diego von mir fernhalten. Anscheinend wissen Sie von unserer Beziehung bereits. Doch Sie haben nicht zu bestimmen wann und ob ich gehe."
"Liebes, alle Welt weiß von eurer Beziehung. Sogar Angie! Und sie hat die Affäre ignoriert und steht trotzdem vor dem Altar.", lachte sie höllisch. "Glaub mir, würdest du Diego etwas bedeuten, hätte er sich gegen die Hochzeit gewehrt. Doch er stimmte ohne mit der Wimper zu zucken zu."
Ich glaubte ihr kein Wort. Diego würde mich nicht anlügen, oder? Florencia würde alles tun um mich von ihm fernzuhalten.
"Ich muss auch dann mal gehen. Es wird Zeit für die Hochzeit."
Sie machte kehrt und verschwand um die Ecke. Ich sah mich noch kurz im Zimmer um bevor ich traurig das Zimmer ebenfalls verließ. Ich ging Richtung Saal und versteckte mich etwas am Türrahmen.

Gerade standen Diego und Angie Hand in Hand am Altar. Florencia ganz vorne und Diegos Vater neben ihr. Wahrscheinlich sitzt Diegos ganze Familie dort, genauso wie Angies. Der Anblick an die beiden verletzte mich so sehr im Herzen wie noch nie. Ich weiß es ist blöd Diego gehen zu lassen. Aber hab ich eine Wahl?
Angie und er sehen glücklich zusammen aus, auch wenn er für sie nichts empfinden sollte. Diego und ich ... das hätte sowieso nicht gepasst. Jeder wusste von unserer Beziehung. Natalia etwa auch?
Gerade als der Priester Diego fragte, ob er Angie zu Frau nehmen will. Ich wollte den Satz nicht von ihm hören und drehte mich um, um zu gehen. Doch da schaute Diego auch schon zur Eingangstür, zu mir. Wir hatten ein langen Blickkontakt. Ich spürte Trauer, Schmerz und Liebe. Ich will ihn nicht loslassen aber ich muss. Er ist der Vater meines Kindes und er heiratet eine andere. Ich und das Kind werden ohne Diego ein Leben führen. Werde ich das überleben? Der Blickkontakt war zu lange, sodass im Saal schon getuschelt wurde. Ich sah in Diegos Augen die Frage Soll ich?.
Als würde er mich um Erlaubnis bitten. Ich schloss schluchzend die Augen und öffnete sie gleich wieder. Nachdem ich meine Hand auf mein Bauch legte und nachdenklich auf den Boden guckte, starrte ich wieder hoch zu Diego. Mein Diego. Ich nickte und schloss sofort meine Augen. Ich lehnte mich an die Wand.
"Ja ich will.", hörte ich Diegos Stimme. Sofort öffnete ich meine Augen wieder und starrte ihn an. Zu meiner Überraschung starrte er mich auch an. Er starrte mich die ganze Zeit schon an! Als Angie verwirrt Diegos Blick folgte und mich entdeckte, wurde ihr Blick sauer. Ich weiß ich müsste mich falsch fühlen gegenüber Angie, doch das tat ich nicht. Mein Herz schmerzte noch mehr als Angie Diego am Kragen zu sich zog und ihre Lippen so doll auf seine drückte, als müsste sie mir was beweisen. Ich versuchte nicht drauf zu gucken, doch ich konnte nicht. Vor einpaar Minuten hab ich seine Lippen das letzte mal berührt und nun darf diese Barbie ihn berühren. Nur noch sie. Ich schniefte und drehte mich um. Ich muss raus. Es war falsch her zukommen doch richtig Diego alles gesagt zu haben. Ich rannte aus der Kirche uns lief so schnell wie ich konnte die dunklen Straße entlang.

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Hasst mich nicht. Die Story ist noch nicht vorbei!

Mein Chef, seine Frau & ich ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt