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Ich stand gefühlte 10 Stunden vor dieser Tür. Hinter der Tür lag meine Tochter, meine tapfere Tochter. Ich legte zitternd meine Hand auf die Klinke und drückte sie nach drei Atemzügen runter. Das Zimmer war dunkel und nur das Licht übers Bett war an. Die gelben Gardinen waren zu gezogen. Mein Blick flog rüber zum Bett, wo Violetta lag. Sie hatte das Krankenhauskittel an und ein Verband um den Kopf. Sie lag dort, ihre beide Arme gestreckt auf dem Bett und die Augen zu. Ich zog ein Stuhl ans Bett und setzte mich. Sie hatte ein Pflaster auf der Handfläche wo sich darunter eine Nadel befand. An der Wand hing ein Tropf mit Flüssigkeit und der Monitor, wo ihr Herz und Blutdruck gemessen wird. Ich nahm ihre kalte Hand in meine und streichelte vorsichtig drüber. Sie sah so blass aus, so verletzend. Ich bin total stolz auf sie! Mehr als sie sich vorstellen kann. Ich drückte ihr ein sanften Kuss auf die Stirn und dann auf ihre zwei Backen. Als dann an der Tür geklopft wurde zuckte ich kurz zusammen. Ich schniefte und wischte die Tränen weg. Dann ging die Tür auf und Schritte näherten sich.
"Kann ich rein?", fragte die Person, Diego.
"Du bist schon drinnen, komm.", lachte ich leise und hielt fest Violettas Hand. Die Tür wurde zu gedrückt und Diego erschien auf mein Blickfeld. Er schaute genauso wie ich am Anfang auf sie herab. Voller Stolz und Trauer. Dann setzte er sich auf den freien Stuhl auf der anderen Seite des Bettes.

"Hat der Arzt was gesagt?", fragte er ohne sein Blick von ihr zu lassen.
"Der Tumor ist entfernt worden.", grinste ich und auch er musste lächeln.
"Es hat sich also gelohnt den ganzen Tag zu warten."
"Danke."
Nun schaute er mich an und sein Lächeln verblasste nicht. Er antwortete nicht und schaute wieder auf Violetta.
"Wie ist sie so?", fragte er leise und legte seine Hand auf ihre Wange. Ich sah die Tränen in seinen Augen.
"Sie ist wie ein kleiner Engel. Manchmal ist sie sehr mürrisch und stur, genauso wie ihr Vater."
Diego lachte.
"Was hat sie noch so von mir?"
"Die Augen, das Lächeln und sie ist auch sehr von sich überzeugt."
"Sie ist wunderschön.", meinte er und rutschte etwas näher ans Bett. "Wie alt ist sie?"
"Sie wird bald 6."
Er nickte und konnte weder die Finger noch den Blick von ihr lassen. Ich fand diesen Moment einer der tollsten. Ich dachte, dass Diego uns nach dem Vorfall garnicht mehr sehen wollte. Doch jetzt will sie alles über sie wissen, und das berührt mich zu tiefst.
"Angie ist bestimmt wütend auf dich, du solltest besser zu deiner Frau.", murmelte ich. Ich verfluchte mich selber dafür. Doch er schüttelte den Kopf.
"Ex-Frau."
"Was?"
"Wir sind geschieden."
Er blickte nun zu mir und ich sah ihn seine wundervollen Augen. Sie sind geschieden? Seit wann? Wieso? Warum hat er sich dann nicht bei mir gemeldet? Ich wollte ihn diese Fragen stellen, doch im Moment konzentrierte ich mich nur auf Violetta.

Irgendwann mussten wie leider raus, da es schon sehr spät ist und Violetta mehr als Ruhe brauchte. Der Arzt versprach uns aber sofort anzurufen wenn was sein sollte. Es war schon 1 Uhr morgens und ich war total am Ende. Ich wollte nicht weg aber ich musste. Still liefen Diego und ich nebeneinander aus dem Krankenhaus. Ich fand mich total unwohl und als wir draußen waren überraschte mich die Kälte.
"Mein Wagen steht gleich hier. Wollen wir?", fragte er unsicher. Ich nickte zögernd und folgte ihm. Er legte seine Hand auf meine und zog mich sanft mit. Dann standen wir vor sein BMW und ich stieg auf dem Beifahrersitz ein. Diego startete den Motor und fuhr vom Parkplatz runter und bog nach links auf die dunkle Straße. Während der Autofahrt war es still zwischen uns. Ich lehnte mein Kopf an die kalte Fensterscheibe und meine Augen fielen jede Sekunde zu.
"Soll ich dich zum Hotel fahren?", fragte er. "Oder willst du zu mir?"
Ich drehte mich mit dem Kopf zu ihm.
"Und Angie?"
"Wir wohnen getrennt. Wir sind geschieden, vergessen?"
Seine Stimme war sanft und ruhig.
"Und warum war sie dann bei dir als ich da war?"
"Die Frage ist eher, warum ich bei ihr war. Ich hab ihr das Haus als Entschädigung hinterlassen. Ich hab mir ein neues Haus gekauft, es ist klein aber fein."
Er lächelte mich an und blickte wieder auf die Straße. 
"Aber Ilaria.", murmelte ich müde.
"Sie hat mir angeboten dich mit zu nehmen."
Er zuckte mit den Schultern.
"Aber wenn du lieber auf der Couch im Hotel schlafen willst, fahr ich dich ins Hotel."
Ich überlegte so gut ich konnte. Ich sollte zurück ja, aber ich wollte nicht Diego verlassen. Ich will bei ihm sein.
"Bring mich zu dir."
Er nickte strahlend und bog nach rechts.

Mein Chef, seine Frau & ich ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt