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Während Diego unter der Dusche war und ich das Wasser rauschen hörte, holte ich aus mein Koffer meine Schlafsachen heraus. Ich wusste nicht wohin mit den Koffern also stellte ich sie einfach in die Ecke des Wohnzimmers. Das Wasser wurde leiser bis es nicht mehr zu hören war. Diego war also fertig und zog sich um. Mit nachdenklicher Miene schaute ich auf die Couch. Dann hoch an die Decke, wo sich Diegos Bett befand, und dann wieder auf die Couch. Mein Körper und mein Herz wollen hoch. Zu ihm ins Bett krabbeln, die Arme und Beine einander verschränken und die Nähe geniessen. Doch mein Verstand wehrt sich und zwingt mich zur Couch. Doch wie immer gewann mein Herz.

Ich klopfte an die Holztür. Als keine Antwort kam dachte ich das Diego schlief, doch paar Sekunden später öffnete er auch schon die Tür. Nur mit einer Jogginghose und ein Unterhemd bekleidet stand er vor mir. Seine Haare waren noch etwas feucht vom Duschen.
"Hab ich dich geweckt?"
"Nein. Ich musste mir noch was anziehen. Brauchst du was?"
"Nein. Ich äh ... die Couch ... sie ist ungemütlich.", log ich. Schmunzelnd schaute mich Diego an. Auch wenn Lügen bei ihm nichts bringen versuche ich es immer wieder. Und immer wieder ertappt er mich dabei. Grinsend öffnete er die Tür ein großen Spalt. Dankbar kam ich rein und er schloss sie wieder zu. Ich trug nur ein lockeres rotes Tshirt und drunter eine kurze schwarze Shorts. Mein typischer Schlafanzug.
"Wenn du willst, schlaf ich auf der Couch und du hier.", sagte er als sich mein Blick auf das Bett heftete. Das Bett wo wir heute morgen noch zusammen geschlafen haben. Wortwörtlich.
"Nein, das ist schon okey so."
Er nickte und biss sich auf die Lippe um nicht so lächeln. Ich ging langsam auf das Bett zu und setzte mich auf die eine Seite. Diego kam auch auf das Bett zu.
"Wir wollten heute Abend alles klären, erinnerst du dich noch?", fragte ich ihn als er ebenfalls auf dem Bett saß. Ich setzte mich auf den Schneidersitz und schaute auf ihn herab. Er nickte und schaute die Wand an anstatt mich.
"Gibt es denn noch was zu klären? Musst du noch etwas ... wegen der Vergangenheit sagen?"
Er schüttelte den Kopf.
"Sicher?"
"Du weißt über alles Bescheid. Meine Hexenmutter, die blonde Barbie Angie, mein arroganter Vater, der selbstsüchtige Nicolas. Was gibst da noch?"
"Wieso habt ihr euch geschieden? Angie und du.", fragte ich gerade raus. Das war die erste Frage , die mir plötzlich so einfiel. Heute Nacht werden alle Karten auf den Tisch gelegt.

"Sie hat das mit meiner Mutter raus gefunden. Sie hat mich geliebt. Sie tut mir auch leid, sie hat einen besseren als mich verdient. Angie war schon immer jemand, der Aufmerksamkeit braucht und Sicherheit, jemanden bei den sie sich wie zu Hause fühlt. Doch ich konnte ihr das nicht geben. Als sie sagte, dass sie die Scheidung will war sie garnicht den Tränen nahe. Anstatt sich um sich selber Sorgen zu machen, gab sie mir Ratschläge, wie ich dich zurück bekommen konnte. Sie wollte nur mein Glück und dann hat sie unterschrieben."
Aufmerksam hörte ich zu. Ich hab die all Jahre Angie total falsch eingeschätzt. Sie ist in Diego verliebt, genauso wie ich. Sie wusste das ich eine Konkurrenz für sie war. Ich hätte genauso arrogant reagiert. Diego seufzte und fuhr sich durch die wuscheligen braunen Haare. Ich liebe seine Haare.
"Wie lange ist die Scheidung her?"
"Vor 3 Jahren haben wir uns offiziell scheiden lassen. Meine Mutter war total begeistert."
Man konnte genau den Sarkasmus in seiner Stimme hören. Ich musste mir ein Lächeln verkneifen, wenn ich an Florencias rot angelaufens Gesicht denken muss.
"Ich hab mich nicht entschuldigt, dass ich sie enttäuscht habe. Ich hab die Scheidung nie bereut. Angie auch nicht. Sie hat nach vorn geblickt und hat ein neuen Mann an ihrer Seite. Und ich hab auch nach vorn geblickt. Ohne die Entscheidungen meiner Eltern."
"Hey, ich bin stolz auf dich!", scherzte ich und klopfte ihn auf die Schultern. Er musste lachen und schaute mich nun endlich an. Ich dachte schon er würde garnicht mehr lachen. Sein wunderbares Lächeln verschwand.
"Und was ist mit dir?"
"Was soll mit mir sein?"
"Hast du nach vorn geblickt?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Ich hab mir ein neues Leben mit meiner Tochter in Italien gebaut. Weit weg von egoistischen Müttern, blonde Barbies, erpressbare Männer in Anzügen oder sture Chefs."
Als ich das Wort Chef betonte lachte Diego. Ich hab ihn schon lange nicht mehr so laut und lange lachen hören oder sehen. Mein Herz wurde warm.
"Das klingt toll.", seufzte er.
"Naja, es hatte auch negative Seiten."
"Zum Beispiel?"
Er schaute mir wieder in die Augen und wartete.
"Ich hab gearbeitet. In ein Café als Kellnerin. Dann in einem Restaurant."
Diegos zog die Augenbrauen zu einer Linie.
"Und wieso hast du nicht wieder als Sekretärin angefangen?"
"Entweder gab es keine freien Stellen oder die Leute hatten Kontakt mit Nicolas."
Er nickte verständnisvoll.
"Mir war aber der Arbeitsort völlig egal. Ich hatte Violetta. Mehr brauchte ich nicht. Wir hatten eine kleine Wohnung mitten in Mailand. Nur sie und ich, unsere kleine Familie."
Verträumte schaute ich die weiße Bettdecke an. Diegos Blick klebte an mir fest.
"Uns hat nichts gefehlt. Wir brauchten nichts weiter.", fuhr ich fort. "Doch vor paar Wochen merkte ich, dass wir doch etwas brauchen. Violetta brauchte etwas. Ich hab 5 Jahre versucht die Rolle der Mutter und des Vaters zu spielen. Anfangs hat es geklappte, als sie noch ein Baby war. Aber mit der Zeit ... war es schwerer. Sie brauchte ein Vater, sie brauchte dich. Ich hab mich nie mit anderen Männern getroffen. Nicht wegen Violetta sondern wegen dir. Ich fand das nicht in Ordnung. Ja, wir haben uns getrennt. Ja, ich hab nichts mehr in deinem Leben zu suchen. Aber ich hab mich falsch gefühlt, wenn ich mit ein anderen Mann Essen ging. Oder auch nur spazieren. Ich hab dich immer geliebt, tue es noch und werde es auch tun. Kein anderer Mann kann dir je das Wasser reichen. Niemand."

Während ich diese Sätze nach Jahren aussprach, vermied ich bewusst den Augenkontakt. Ich wollte ihn nicht dabei ansehen. Es hat mir viel Mühe gekostet das alles zu sagen. Es tat gut, aber ich fühlte mich auch komisch.
"Du liebst mich?", fragte er.
"Ja!", bestätigte ich. "Du Idiot, wie kannst du sowas fragen?!"
Empört schlug ich ihn auf die Brust. Als er anfing zu lachen schlug ich immer weiter. Meine Hände waren zu kleinen Fäusten gebaut. Erst als er mich fest an den Handgelenken hielt, hörte ich mit meinem Kampf auf. Er zog mich auf sein Schoß. Ich hatte salzige Tränen in den Augen, die langsam und qualvoll die Wange runter liefen. Wir hielten den Augenkontakt stand.
"Ich liebe dich auch.", flüsterte er irgendwann. Ich senkte mein Blick und schaute auf seine Brust, wo ich noch vor paar Minuten rauf geschlagen habe. Ich schluchzte als Diego anfing, die drei Wörter zu wiederholen. Immer und immer wieder. Als er anfing mein Gesicht mit kurzen aber sanften Küssen zu verteilen, brach alles in mir zusammen. Plötzlich erstarrte er in seiner Bewegung als er mein Gesicht sehr nah war. Er wischte mit seinen Daumen meine Tränen weg, doch als ich seine Finger an meiner Haut spürte, wurden die Tränen mehr. Seine Hände umfingen mein Gesicht und er zog mich an seine Lippen. Doch bevor wie die letzten Millimeter lösten, reagierte mein Verstand.
Ich schubste ihn weg und schlug ihm wieder auf die Brust.

"Du Arsch, du hast mich verletzt! Und betrogen! Und sogar belogen!"
Bei jedem Wort schlug ich ihn auf die Brust. Er hielt mich an der Taille fest und zog mich hinunter an seine Brust.
"Wehe du tust das nochmal! Hast du mich verstanden?! Wehe!"
Meine Stimme war zitternd und war kurz vorm Ende. Ich schlug das letzte mal auf Diegos Brust bevor ich mich schluchzend auf ihn fallen ließ. Ich vergrub mein verheultes Gesicht an seine Halsgrube und weinte. Wie ein kleines Kind, das von sein Vater getröstet werden muss. Ich spürte wie Diego die weiche Bettdecke über uns legte. Meine Arme hielten ihn am Bauch fest und ich genoss so gut es ging diese Wärme. Ich roch sein beruhigenden Duft ein während er vorsichtig seine Arme um mich legte und anfing mein Rücken und meine Haare zu kraulen.
"Es tut mir leid, Francesca.", raunte er in mein Ohr als mein Geschluchze langsam aufhörte. Ich schluckte die letzten Tränen hinunter.
"Ich liebe dich."
Er küsste meine nackte Schulter und drückte mich fest an sich.
"Ich dich auch."


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Extra langes Kapitel❤❤❤
Mein Lieblinge Kapitel😍😭❤

Mein Chef, seine Frau & ich ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt