Kapitel 7

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Ich starrte Potter an, der schuldbewusst ein rotes Stück Stoff in der Hand hielt. Neben ihm Black, der geschockt auf seinen Zauberstab starrte.
Scham, gemischt mit bodenloser Wut und Enttäuschung stieg in mir hoch. Da konnte Black sich seinen gespielt verdutzten Blick auch sparen!
„Sag mal, tickt ihr noch ganz richtig!", schrie ich, doch meine Worte wurden von Tränen erstickt. Wie konnten sie mich nur so bloßstellen! Ich schlang die Arme um meine nackte Brust, heiße Tränen der Wut liefen mir übers Gesicht, das schamrot angelaufen war.
„Lily, wir...", fing Potter an, der Blick seiner weit aufgerissenen Augen hinter der Brille ängstlich und hilfesuchend.
„Spar dir deine Worte, Potter!", brüllte ich. Sein Theater machte mich rasend vor Zorn, er sollte wenigstens zu seiner miesen Tat stehen! Scham, Verlegenheit und Beklemmung waren wie ausgelöscht, dafür war ich nun um so mehr in der Stimmung, ihm eine saftige Ohrfeige zu verpassen. Und Black noch dazu!
„Ich hatte wirklich gedacht, du hättest dich geändert, nachdem ihr mich so nett hier empfangen habt! Aber nein, ich hätte wissen müssen, dass Mr Potter nur darauf aus ist, mir in der Dusche nach zu spannen oder meine Badesachen verschwinden zu lassen! Von wegen, „schöner als all die Supermodels"! Du würdest doch alles nehmen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist! Ein Wunder, dass du mich bisher kein einziges Mal nach einem Date gefragt hast! Kannst du nicht einmal aufhören, nur an dich selbst zu denken und den Gefühlen anderer Beachtung schenken?! Aber nein, Potter ist ja der größte und einzige und alle anderen sollen zu ihm aufschauen! Bereust du überhaupt irgendetwas? Oder findest du es immer noch witzig, schwächere zu verhexen, selbst wenn sie Slytherins sind?"
Ich hätte gut und gerne noch weiter schreien können, doch da stieß das Floß am Ufer an. Ohne weiter darüber nachzudenken nutzte ich meine Chance, sprang ins weiche Gras und rannte davon.
Wahre Sturzbäche rannen mir über die Wangen. Konnte ich nicht irgendwo friedlich bleiben? Musste ich immer vertrieben werden?
Blind vor Wut trampelte ich die Treppen bis nach oben in den Dachboden, knallte die Tür des Gästezimmers zu, dass die Wände wackelten und warf mich heulend aufs Bett.
Meine Empörung hielt sich in Grenzen, vielmehr war ich schrecklich enttäuscht.
Ich war mir so willkommen vorgekommen. Und irgendwie war es ja auch ganz witzig mit den zwei Jungs ... hatte ich zumindest ganz tief in mir gedacht.
Doch damit war jetzt Schluss. Mal wieder hatte Potter bewiesen, dass er es nicht wert war, ihm eine Chance zu geben. Und wie hatte Marlene nur mit einem Kindskopf wie Black zusammen sein können?
Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte. Ich drückte einfach nur mein Gesicht ins Kissen und ließ die Tränen laufen.

Den Rest des Tages verharrte ich in dieser Stellung. Ich stand nur einmal kurz auf, um mir wieder Shorts und Shirt anzuziehen und die Toilette aufzusuchen, ansonsten stöpselte ich mich völlig von der Außenwelt ab.
Ich kam nicht, als Black und Potter zum Mittagessen riefen, ich ging nicht zur Tür, als sie anklopften und mich anflehten, mit ihnen zu reden und später ignorierte ich die Bitte, doch wenigstens etwas zu Abend zu essen.
Ich wollte gar nix. Ich wollte nur in meinem Kummer versinken.
Nicht mal das schien mir gegönnt zu sein. Denn etwa gegen zehn Uhr abends stand Potter wieder vor meiner Tür. „Lily Evans", sagte er in scharfem Ton, als wäre ich es gewesen, die ihm sein Bikinioberteil weggezaubert hätte. Wobei er ja nicht genug Körbchen für eins hatte. „Du öffnest mir jetzt sofort die Tür oder ich finde meinen Weg da rein, das schwöre ich dir!"
Sollte er doch. Mir war alles egal.
Es blieb wieder eine Weile lang still. Gerade als ich glaubte, er hätte es aufgegeben, hörte ich, wie ein Schlüssel ins Schloss geschoben wurde.
Innerlich stöhnte ich auf. Ein Ersatzschlüssel, verdammt. Na, wenigstens sprengte er die Tür nicht mit einem Zauberspruch.
Die Tür wurde mit einem Knarren aufgeschoben.
„Lass mich allein", sagte ich in das Kissen hinein.
„Steh auf, Lily."
„Du hast mir gar nichts zu sagen! Und niemand hat dir erlaubt, mich Lily zu nennen."
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
Ich fuhr zurück. „Fass mich nicht an!", warnte ich ihn. In sitzender Position zog ich meinen Zauberstab.
Potter seufzte resigniert. Er sah völlig fertig aus. Sein schwarzes Haar stand noch mehr ab als sonst, seinen Augen hinter der Brille fehlte der Glanz und ausnahmsweise mal spielte kein Lächeln um seine Mundwinkel.
Geschieht ihm recht, flüsterte es in mir, doch ich kam nicht umhin, ein wenig Mitleid für ihn zu empfinden.
„Lily, du verhältst dich wie ein bockiges Kleinkind..."
Okay. Streicht das mit dem Mitleid.
„... dabei kennst du noch nicht mal die ganze Geschichte", beendete Potter seinen Satz. Diese haselnussfarbenen Augen bohrten sich flehend in meine.
Abrupt drehte ich mich weg. „Ihr habt ... ihr habt mir mein Bikinioberteil weggezaubert, was gibt es denn da nicht zu verstehen?", gab ich kalt zurück.
Wieder wurde ich rot. Ich durfte gar nicht daran denken, dass sowohl Potter als auch Black mich oben ohne gesehen hatten.
„Das ist es ja gerade", sagte Potter leise. „Wir haben es nicht weggezaubert. Zumindest nicht absichtlich."
Ich schnaubte ungläubig. „Wer's glaubt..."
„Komm schon, Lily, bitte! Hör mir doch wenigstens zu!" Bittend legte er die Hände auf meine Knie, zog sie aber gleich wieder zurück, als er meinen Blick bemerkte.
„Was solls", dachte ich, „schlimmer kann's eh nicht werden."
Erwartungsvoll schaute ich ihn an. Na, da war ich aber gespannt.
„Hör zu", begann er zögerlich, und suchte meine Augen. Er schaute mich fest und ehrlich an. Es hatte fast was Komisches, wie er da vor meinem Bett hockte und zu mir hochsah. „Du warst eingeschlafen und bist immer mehr von uns weggetrieben, also dachten wir, wir holen das Floß lieber wieder näher ans Ufer, bevor du dich noch im Schlaf drehst und ins Wasser fällst oder so. Sirius wollte nicht extra nochmal rausschwimmen, also hat er's mit dem Aufrufezauber probiert. Aber na ja... er hat nicht richtig gezielt und so ... hat er anstelle des Floßes ... dich getroffen. Wirklich Lily, wir wollten das nicht." Das Flehende war aus seinen Augen verschwunden, an seine Stelle war eine Härte getreten, wie ich sie selten bei ihm gesehen hatte.
„Vielleicht solltest du mal ein bisschen länger nachdenken, bevor du aus den Vorurteilen wieder irgendwelche Schlüsse ziehst. Ich habe mich sehr wohl geändert, Evans. Auch wenn du das scheinbar nicht sehen willst."
Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzublicken.
Er ließ mich vollkommen verwirrt zurück.


Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt