Kapitel 61

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„Lily? Was ist passiert? Merlin, du siehst ja mal wieder scheiße aus."
Vielen Dank Mary, für diese aufbauenden Worte.
Das hörte man doch gerne um sieben Uhr morgens.
„Danke, Mary, du siehst auch nicht schlecht aus", grummelte ich schlecht gelaunt.
Meine Freundin verzog mitleidig das Gesicht.
„Macht es die Sache besser, wenn ich dich darauf hinweise, dass Bernd wieder aufgetaucht ist?", fragte sie vorsichtig, während sie sich mit einem entschuldigenden Lächeln neben mich fallen ließ.
„Bernd?!" Erschrocken fasste ich mir an die Stirn. Der sogenannte „Bernd" war ein äußerst hartnäckiger Pickel, der seit der vierten Klasse immer mal wieder auf meiner Stirn vorbeischaute.
Gefühlt wurde er von Mal zu Mal größer und furchteinflößender.
Tatsächlich ertastete ich da einen kleinen Hubbel direkt unter meinem Haaransatz.
„Verdammt", knurrte ich. Ich schaute Mary an. „Wie schlimm ist die Lage?"
Sie zuckte mit den Schultern. „Ist nichts, was wir nicht ausdrücken können. Aber jetzt erzähl mal, wo liegt das eigentliche Problem?"
Welches Problem meinte sie? Dass meine Eltern tot waren? Meine Schwester eine böse Hexe war? Die Exfreundin meines ... ähm .... James eine absolut umwerfende, aber hinterlistige Schlange war?
Oder dass ich im Gegensatz zu ihr einfach nur eine kleine graue Maus mit einem riesigen Bernd auf der Stirn war?!
„Such dir eins aus", beantwortete ich Marys Frage schulterzuckend, bevor ich mich meinem Frühstück widmete. Vielleicht konnten Kohlenhydrate ja meine Lebenspartner werden.
Im Gegensatz zu Jungs kapierte ich deren System wenigstens.
„Jetzt rück schon raus mit der Sprache."
Mary ließ einfach nicht locker. Obwohl ich wusste, dass es nicht fair war und sie mir doch eigentlich nur helfen wollte, wurde ich plötzlich sauer.
Himmel, ich hatte diese Nacht mal wieder gar nicht geschlafen und das Frühstück schmeckte einfach nach nichts.
Alles, was ich wollte, war ein bisschen Glück.
Hatte ich das nicht auch mal verdient? Nach wochenlanger Qual wollte ich sehr gerne meine Koffer packen und einfach auf einer verlassenen Insel im Meer abtauchen.
War das denn zu viel verlangt?!
Ich ließ das Besteck aus meinen Händen fallen und warf den Kopf in den Nacken.
„Scheiße, Mary! Ich bin verliebt, das ist das Problem!"
Moment.
Hatte ich das gerade wirklich ausgesprochen?
Ich schloss die Augen kurz, dann öffnete ich sie wieder und starrte blinzelnd an die verzauberte Decke.
Diese Worte hatte ich mich bisher nicht einmal getraut zu denken. Und jetzt warf ich sie einfach so in den Raum?!
Vorsichtig schielte ich zu Mary hinüber.
Sie tat sich ungerührt etwas Spiegelei auf. Als sie meinen Blick bemerkte, hielt sie in der Bewegung inne.
„Ja. Wusste ich schon. Und?"
Mir klappte die Kinnlade nach unten. „Was?! Was meinst du mit ... du wusstest es schon?! Hättest du mich vielleicht mal warnen können?"
Das brachte mir ein Stirnrunzeln ein. „Lily, normalerweise solltest du die erste sein, die das rafft."
Ich konnte sie nur weiterhin ungläubig angaffen. „Ja aber... Hä?"
Mary verdrehte die Augen. „Ist doch egal. Du hast also endlich eingesehen, dass du James Potter total heiß findest und am liebsten jede Nacht bei ihm einbrechen möchtest, um in seinen Armen einzuschlafen. Und? Wo ist jetzt das Problem?"
„In seinen Armen ... Bitte WAS?!" Ich musste heftig blinzeln. „Mary, überfordere mein Gehirn doch nicht so."
Den Fakt, dass ich schon bei James eingebrochen war, ließen wir jetzt einfach mal weg.
Endlich wandte Mary die Augen von ihrem Teller ab, um mich anzusehen.
„Okay, nochmal für die begriffsstutzigen Sturköpfe unter uns: Du hast endlich eingesehen, dass du in James verliebt bist, hab ich recht?"
Oh, Merlins lilafarbene Begonien.
War ich tatsächlich in James Potter verknallt?
Ich musste an Holly denken, und wie mich die Vorstellung, dass sie etwas mit James gehabt hatte, fast umgebracht hatte.
Und dann musste ich an James denken, und wartete auf den üblichen Würgereiz, doch er blieb einfach aus. Stattdessen wurde mir ganz warm.
Na super.
Zögernd nickte ich.
Mary zuckte mit den Schultern. „Okay. Toll. Und wo liegt jetzt das Problem?"
Ähm ... ich war ein Niemand und James hatte seinen eigenen Fanclub?!
Ich verkniff mir, genau diesen Gedanken auszusprechen. Es musste ja nicht jeder wissen, dass ich in Selbstmitleid ertrank.
Stattdessen sagte ich: „Wenn er überhaupt noch etwas für mich empfindet, dann ist es Mitleid, Mary."
Ich rollte mit den Augen. „Und außerdem habe ich die letzten Jahre damit zugebracht, ihn zu hassen! Ich kann das nicht einfach ablegen! Alles in mir stellt sich gegen diese neuen ... Gefühle!"
Das letzte Wort spuckte ich aus wie Gift.
Nachdenklich betrachtete Mary mein Gesicht. Genauer gesagt ruhten ihre blaugrauen Augen auf meiner Stirn.
„Hör auf, Bernd anzustarren!", fuhr ich sie an.
„Hmm?" Etwas aus dem Konzept gebracht, blinzelte Mary mich an. „Ach so, ja, entschuldige bitte. Das ist irgendwie faszinierend ..."
Ich warf ihr einen bitterbösen Blick zu, woraufhin sie mir seufzend die Hand auf den Arm legte. „Okay, Lils, wenn du dir sowieso noch nicht sicher bist, was das da für Gefühle in dir sind" – sie betonte das Wort genauso abfällig wie ich- „... ist es doch ganz gut, dass James scheinbar nicht so sehr auf dich steht. Wird dir erstmal darüber klar, was du eigentlich willst. Du hast noch genug andere Probleme."
Danke auch für diesen Hinweis.
Probleme? Ich?! Niemals. Hallo, ich ritt auf einem pinken Einhorn direkt ins Wunderland. Probleme, dass ich nicht lachte.
„Und ich übrigens auch." Sie zeigte auf meine Stirn. „Ich muss Bernd unter einem Haufen Puder verstecken."
Mit einem Aufstöhnen ließ ich den Kopf auf die Tischplatte knallen.
„Oder auch nicht", hörte ich Mary murmeln, „du hast ihn gerade ziemlich zerquetscht."
„Mary, bitte hör auf, auf meinem Bernd rumzureiten."
„Wer reitet hier wen?", mischte sich eine neue Stimme verwirrt ein.
Ich stöhnte, wenn überhaupt möglich, noch lauter auf und ließ meinen Kopf gleich drei weitere Male auf die Tischplatte sausen.
„Remus, ist es irgendwie dein geheimes Talent, immer in den unpassendsten Momenten aufzutauchen?", fragte ich den Rumtreiber danach resigniert, ohne dabei den Kopf zu heben.
Ich glaubte zu hören, wie er sich uns gegenübersetzte.
„Glaub mir, dieses Talent schaffe ich so schnell wie möglich wieder ab. Aber wer ist Bernd?"
„Du bist soeben Zeuge seines Todes durch Ausquetschen geworden", teilte ich ihm mit.
„Ah ...ja. Ich glaube, ich frühstücke dann doch woanders."

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt