Kapitel 90

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Hand in Hand traten James und ich durch die Tür zum Raum der Wünsche, wo uns sofort wieder der Traumstrand empfing, diesmal allerdings mit Wellen, die im Sonnenuntergangslicht rot und orange schimmerten.
Der gesamte Strand strahlte eine ruhige und dämmernde Atmosphäre aus, was bei mir automatisch zu einer Gänsehaut fühlte.
„Wow", entfuhr es mir.
Ergriffen starrte ich auf das Bild, das sich vor mir erstreckte.
Dann strahlte ich zu James nach oben.
„Danke, dass du mich doch noch hierzu überredet hast."
Er lächelte zurück, und die Augen hinter seinen Brillengläsern, in denen sich das Meer spiegelte, funkelten amüsiert.
„Gerne doch, Krümel."
Kurz erlaubte ich mir, in seinem Anblick zu versinken und versuchte mir jedes Detail seines gut aussehenden Gesichts einzuprägen: die kantige Kieferpartie, die braunen Augen, die geraden Augenbrauen, die vollen Lippen und das schwarze Haar, das wirr in alle Richtungen abstand.
Erst dann räusperte ich mich und fragte leise, um den Augenblick nicht zu zerstören: „Und was machen wir jetzt?"

James grinste und zeigte auf das wogende Wasser.
„Was wohl? Sonnenuntergangsbaden!"
Ich hob eine Augenbraue. „Und du hast ganz sicher kein Problem damit, dass dein Pulli sich gleich voll mit Salzwasser saugen wird?"
James verdrehte die Augen.
„Evans. Weniger denken, mehr handeln."

Kurzerhand legte er einen Arm um meine Schulter, den anderen platzierte er in meinen Kniekehlen und hob mich hoch. Ich protestierte nicht, als er mit mir im Schlepptau ins Wasser rannte, sondern lachte nur glücklich, sobald die Wellen gegen uns prallten und über uns einen Nieselregen aus Salzwasser entstehen ließen.
Das Wasser war kühl und aggressiver, als es von außen wirkte, doch das störte mich nicht, solange ich James' warme Arme um mich spürte und das Gesicht an seiner Brust vergraben konnte, wenn das Salzwasser drohte, mich zu überspülen.
James stimmte in mein ausgelassenes Lachen mit ein.
Ich spürte, wie es in seiner Brust vibrierte, legte mein Ohr an seine weiche Haut und lauschte seinem schnellen, fast enthusiastischen Herzschlag, der nur vom Rauschen der Wellen übertönt wurde.

Eine Weile standen wir nur so da, James bis zu Hüfte im Wasser, seine Jeans und mein Pulli komplett durchnässt.
Bei jeder Welle hüpfte James kurz nach oben, damit die Gischt mir nicht die Sicht nehmen konnte, und manchmal tat er so, als würde er mich ins Meer werfen wollen.
Dann kreischte ich und klammerte ich lachend an ihm fest.

Als uns unser Spiel langweilte, stellte James mich auf meine eigenen Füße.
Sofort versank ich bis zur Brust im Meerwasser.
Gespielt schmollend betrachtete ich erst meine Position, und dann James, der immer noch hoch über die Wellen hinausragte.
„Merlin, bin ich klein", grummelte ich, nachdem eine anrollende Welle mich beinahe davon gespült hätte.
James grinste auf mich herunter.
„Das bist du tatsächlich. Soll ich dich wieder hochheben?"
Ich schüttelte vehement den Kopf.
Mein Widerstand löste sich allerdings in der nächsten Sekunde in Luft auf, als wieder eine Welle über mich hinwegspülte und mein rotes Haar völlig durchnässte.
Japsend kam ich wieder an die Oberfläche und streckte flehend die Arme nach James aus.

Er schmunzelte.
„Komm her."
Mit einer liebevollen Geste breitete er die Arme aus, woraufhin ich sofort hineinsprang.
Ich schlang die Beine um seine Hüfte, sodass ich über der Wasseroberfläche thronte, und legte meine Arme um seinen Hals.
Zufrieden lächelte ich James an.
Unsere Gesichter waren uns jetzt ganz nahe.
„Oh, hey", sagte ich lachend. „Du bist so groß, das ist echt praktisch. Jetzt wird höchstens mein Hintern noch nass, wenn die nächste Welle kommt."
„Hmm", machte James nur.
Er schien nicht ganz bei der Sache zu sein, jedenfalls ruhte sein Blick auf meinen Lippen und nicht auf meinen Augen.

„James Potter, hörst du mir überhaupt zu?"
Ertappt grinste er durch dunkle Wimpern zu mir nach oben. „Entschuldige, was hast du gesagt?"
„Ich sagte...", setzte ich an, doch James unterbrach mich sofort, indem er seine Lippen auf meinen leicht geöffneten Mund legte und sanft mit der Zunge über meine Unterlippe fuhr.
Im ersten Moment war ich zu erschrocken, um zu reagieren, doch dann seufzte ich leise auf und schloss die Augen.
James bewegte vorsichtig seine Lippen auf meinen, und ich saugte gierig den Geschmack nach Salzwasser und frischer Luft in mich auf, während unsere Zungen sich ab und zu trafen.
Ich fuhr mit einer Hand in James' dichtes Haar, mit der anderen klammerte ich mich an ihm fest, um nicht rückwärts ins Wasser zu fallen.
James legte beide Arme um meine Hüfte und zog mich noch fester an sich, bis seine Körperwärme die Kühle des Salzwassers, das uns umgab, überstrahlte.

Viel zu früh löste James seine Lippen wieder von meinen, um mich verschmitzt anzulächeln.
„Tut mir leid, ich wollte dich nicht unterbrechen."
„Schon okay", murmelte ich, zog seinen Kopf zu mir und begann wieder, ihn zu küssen, diesmal jedoch nicht mehr ganz so vorsichtig und schüchtern.
Ich strich mit meiner Zunge über seine Lippen und als er sie bereitwillig öffnete, biss ich sanft in seine Unterlippe. James keuchte auf und ließ mich beinahe fallen.
„Hey!", grummelte ich empört in den Kuss, als kaltes Wasser über meine Oberschenkel strich.
„Entschuldige", murmelte James zurück.
Er fuhr mit den Händen sanft über meine Beine, bevor er sie zögerlich, als wolle er erst auf meine Erlaubnis warten, unter meinem Po verschränkte, um mich zu stützen.
Unser Kuss vertiefte sich noch, bis wir uns nach Luft ringend voneinander trennten.
„Okay", murmelte ich, nachdem ich wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, „entschädigt das meine Flucht beim letzten Mal?"
James grinste mich charmant an.
„Noch nicht ganz."
Mit einem leisen Lächeln legte er wieder seine Lippen auf meine.

Die Sonne war bereits untergegangen, als James und ich schließlich wieder Hand in Hand aus dem Wasser traten, beide mit nasser, schwerer Kleidung und fechten Haaren, aber beide überglücklich und strahlend.
Kichernd schlichen wir durchs Schloss, wobei wir Salzwasserfußabdrücke auf den Gängen hinterließen und einige gemalte Persönlichkeiten aus dem Schlaf rissen, die uns teils amüsiert, teils genervt und teils nostalgisch seufzend hinterherblickten.
Wir waren gerade dabei, flüsternd um die Ecke zu unserem Wohnungseingang zu biegen, als plötzlich ein Schatten auf uns fiel.
Erschrocken hob ich den Kopf.
Beim Anblick von dem alten, missmutigen Hausmeister Argus Filch rutschte mir augenblicklich das Herz in die Hose.
Auch James verging das Lachen sofort.

Entsetzt starrten wir auf die untersetzte, buckelige Gestalt vor uns, während dessen magere Katze uns zufrieden schnurrend um die Beine strich.
„So", knurrte Filch hämisch. „So, so, so. Die Schulsprecher höchstpersönlich erlauben es sich also diese Nacht, meine Gänge zu einer Schlitterstrecke zu machen. Das dürft ihr nun wohl dem Direktor erklären. Mitkommen, sofort!"
Ohne auf unsere Proteste einzugehen, drehte er sich um und tippelte davon.
James und ich tauschten einen Oh-Shit-Blick, doch uns blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt