Kapitel 121

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Ich war kein Mädchen, das sonderlich detaillierte Beschreibungen von Kleidern und Outfits und Frisuren geben konnte, daher nur so viel:
Wir sahen alle fantastisch aus und unsere Kleider waren wunderschön.
Meins war grün.
So. Reichte dann auch wieder.

Ich wollte lieber Monologe darüber halten, wie umwerfend James im Anzug aussah.
Und das, obwohl er eben einfach einen Anzug trug wie jeder andere auch.
Er hatte wohl versucht, seine Haare zu bändigen, was allerdings so lächerlich aussah, dass ich sie ihm direkt wieder zerwuschelte.
„Hey", beschwerte sich James. „Das hat Jahre gedauert!"
„Es war die Mühe nicht wert. So siehst du viel perfekter aus." Ich betrachtete zufrieden lächelnd mein Werk.

James schmunzelte und bot mir galant seinen Arm dar. „Miss Evans, darf ich bitten?"
„Aber natürlich."
Ich legte meine Hand elegant auf seinen Arm und als wir so auf die Große Halle zu spazierten, fühlte ich mich plötzlich ganz erwachsen und seriös.
Im Stillen dankte ich Mary dafür, dass sie mich in eine absolute Schönheit mit Hochsteckfrisur, wehendem Kleid und hohen Schuhen gemacht hatte.
„Du siehst wirklich wunderschön aus", flüsterte James mir zu, als wir die Große Halle durchquerten und auf die kleine Empore stiegen, auf der sonst der Lehrertisch stand.
„Dankeschön", flüsterte ich glücklich zurück und strahlte ihn an.

Sobald wir vor der großen Schülermasse aus Siebtklässlern standen und McGonagall uns anerkennend zugenickt hatte, wurde ich allerdings so schrecklich nervös, dass ich James' Kompliment direkt wieder vergaß.
Er dagegen war wie immer die Ruhe selbst, belegte seine Stimme mit einem „Sonorus"-Zauber und bedeutete mir, seinem Beispiel zu folgen.
Mit zitternden Fingern richtete ich meinen Zauberstab auf meine Kehle und murmelte den Zauberspruch, bevor ich den Stab wieder in einer praktischen sowie unauffälligen Rockfalte verschwinden ließ.

James räusperte sich, und dank des Zauberspruches war das Geräusch so laut, dass der ganze Saal verstummte und sämtliche Gesichter sich in unsere Richtung wandten.
James grinste und winkte in die Runde.
Ich stand daneben und fühlte mich ein wenig fehl am Platz.
Oh, Merlin, musste ich nicht eine Rede halten?
Ich glaubte mich vage erinnern zu können, dass James und ich etwas in diese Richtung vorbereitet hatten. Allerdings war mein Kopf gerade wie leer gefegt.
Glücklicherweise schien James den ersten Part der Rede abbekommen zu haben.

„Hey, Leute! Jetzt ist es also soweit, unser letzter Abend in diesen Gemäuern steht an. Es sei denn, einer von euch will unbedingt als Lehrer hierher zurückkehren."
Die Menge buhte lautstark, und James lachte. „Das dachte ich mir schon."
Wie konnte er da so locker und selbstbewusst stehen und mit der gesamten Jahrgangsstufe so plaudern, als würde er sich lediglich mit Sirius unterhalten?
Ich hatte meinen Freund noch nie so sehr bewundert wie in diesem Moment.

„Na ja, jedenfalls denk ich, dass wir hier alle eine ziemlich wunderbare Zeit hatten. Und klar, es lief nicht immer alles perfekt. Ich zum Beispiel kenne die Toiletten von Hogwarts vermutlich besser als jeder andere, da mein Freund Sirius mich mal beinahe in einer Kloschlüssel ertränkt hätte.
Eigentlich wollten wir nur das Lehrerklo verstopfen..."
James registrierte McGonagalls missbilligenden Blick und fuhr schnell fort. „Natürlich hat der ganze Spaß wieder zu einer Runde Nachsitzen geführt. Ich kann stolz behaupten, dass ich im Durchschnitt pro Jahr 85 Mal in Dumbledores Büro zitiert wurde. Ich würde ihn schon als meinen besten Freund bezeichnen."
An dieser Stelle verbeugte James sich Richtung Dumbledore, der ihm wohlwollend ein Weinglas entgegenreckte.

„Daher möchte ich unserem werten Schulleiter und natürlich auch all den anderen Lehrern danken, dass Sie es nun seit sieben Jahren mit uns allen aushalten. Ich hatte mir schon überlegt, absichtlich durch die Prüfungen zu rasseln, um Ihnen noch ein weiteres Jahr auf den Keks zu gehen ... Aber dann dachte ich mir, das würde sich in meinem Lebenslauf vielleicht nicht so gut machen."
Oh. Ich war gleich dran.
James' Stimme hatte mich so sehr beruhigt, dass ich mich mittlerweile sogar an meinen Part der Rede erinnern konnte. Wobei ich mir ziemlich sicher war, dass James gerade völlig improvisiert hatte.

„Ein besonderer Dank geht auch an meine Schulsprecherpartnerin und Freundin Lily Evans. Danke, dass du endlich mit mir ausgegangen bist. Und sorry an alle, die deswegen einen hohen Wetteinsatz zahlen mussten."
James grinste mich an, ich verdrehte die Augen.
„Idiot", wollte ich ihm zuflüstern, aber da meine Stimme bereits magisch verstärkt war, hörte man es in der ganzen Halle.
Die Schüler lachten und ich lief knallrot an.
Glücklicherweise war meine Haut unter einer dicken Puderschicht verborgen.

Ich räusperte mich und begann dann, völlig frei drauflos zu reden.
Es fühlte sich nicht richtig an, diesen Menschen, mit denen ich sieben Jahre voller Glück, Freude, Tränen, Wut und Notendruck durchgestanden hatte, etwas auswendig Gelerntes vorzutragen.
Also fing ich einfach an.

„Was mein blöder Freund hier eigentlich sagen möchte, ist, dass wir euch allen danken. Diese sieben Jahre hier waren die ereignisreichsten meines Lebens. Vielleicht nicht immer die schönsten, aber doch die spannendsten. Ich habe so viel gelernt, und damit meine ich nicht den Schulstoff. Ich habe gelernt, wie es ist, erwachsen zu werden, und dass es echt anstrengend und nervtötend sein kann. Stichwort Bernd, für alle, die wissen was ich meine. Ich habe gelernt, dass es so viel Wichtigeres als Noten gibt – und vielleicht haltet ihr das für leere Worte, da ich eine der besten Schülerinnen hier bin, aber ich meine es ernst.
Wer erinnert sich schon gerne an die Momente, in denen er in seinem Zimmer saß und für eine bevorstehende Prüfung gepaukt hat?

Ich jedenfalls nicht. Ich erinnere mich an den ersten Moment, in dem ich diese Halle betreten habe. Und wie glücklich ich war, als ich unter dem Sprechenden Hut saß. Ich erinnere mich an gute Freunde, die zu Feinden wurden, und ganz besonders an einen Feind, der zu meinem Freund wurde."
Ich streckte James die Zunge raus.

„Aber bevor das hier zu kitschig wird, sagen wir lieber Lebewohl zu all den seltsamen und schönen Dingen, die wir hier gelernt und erlebt haben.
Hört nie auf, neues dazuzulernen, bleibt mutig und neugierig und kämpft für das, woran ihr glaubt. Ihr könnt es dort draußen gebrauchen."
Tosender Beifall kam auf, und ich löste erleichtert den Verstärkungszauber, um tief durchatmen zu können.

James neben mir tat es mir gleich und strahlte mich an.
„Ich bin so froh, dass ich zuerst dein Feind war, und jetzt dein Freund und nicht andersrum", gestand er mir leise.
„Ich weiß." Ich lächelte ihn an und hielt ihm meine Hand hin. „Bereit für den Eröffnungstanz, Mr Potter?"
James ergriff meine Hand und legte seine andere um meine Taille.
„Na klar."

Im nächsten Moment wurde ich so schnell über die Tanzfläche gewirbelt, dass ich nicht anders konnte als überrascht zu lachen.
„James!", quietschte ich, während meine Beine ganz von selbst in den Rhythmus fanden. „Du kannst ja tanzen!"
„Natürlich kann ich das. Ich musste auf den schicken Abendessen meiner Eltern mit allen möglichen Mädchen tanzen, aber keins war so schön wie du."
Ich lachte und wurde schon wieder rot.
James zog mich noch ein Stück näher an sich, sodass ich meinen Kopf an seiner Schulter ablegen konnte.

Mittlerweile waren auch andere Schüler auf der Tanzfläche, weshalb wir nicht mehr so im Mittelpunkt standen. Ich war dankbar dafür, denn James drückte mir einen Kuss aufs Haar und fragte dann leise: „Hey, Lily?"
„Ja, James?"
„Willst du mich heiraten?"
„Wenn's unbedingt sein muss."
Er zwickte mich mit der Hand, die an meiner Taille lag, sodass ich kichern musste.
Dann legte ich die Arme um seinen Hals, sah ihm direkt in die Augen und sagte: „Natürlich will ich dich heiraten, du Idiot."

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt