Kapitel 84

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Er legte ganz vorsichtig seine Lippen auf meine, während seine Arme sich wie von selbst um meine Taille schlangen, um mich noch näher zu sich zu ziehen.
Bereitwillig folgte ich seinem Beispiel, indem ich meine Hände in seinen Nacken legte und den Kuss erwiderte, zuerst ebenso langsam und behutsam wie James, dann fordernder.
Meine Hände wanderten seinen Hals hinauf in sein weiches Haar, und als ich es noch mehr zerwühlte, als es wohl sowieso schon war, seufzte James leicht an meinen Lippen.
Irgendwo in der hintersten Ecke meines Bewusstseins glaubte ich zu hören, wie James' Zauberstab klappernd zu Boden fiel, denn seine Finger waren nunmehr damit beschäftigt, über meinen Rücken zu streichen, als den Stab zu halten.
Ich drückte mich noch enger an ihn und genoss das Gefühl des Verbundenseins, den leichten Geschmack von Schokolade, der wohl vom Schokobrunnen herrührte, und James' Körper an meinem, näher als je zuvor.
Eine wohlige Wärme breitete sich in mir aus, und ich versuchte alles in diesen Kuss zu legen, was ich in Worte niemals hätte fassen können.
James schien genau zu verstehen, was ich ihm zu zeigen versuchte, denn er erwiderte den Kuss nun mit einer Heftigkeit, die mir die Knie weich werden ließ und ich musste meine Finger in sein Haar krallen, um auf den Beinen zu bleiben.
Beziehungsweise auf den Zehenspitzen. Aufgrund meiner nicht vorhandenen Größe musste ich den Abstand zwischen unseren Köpfen nämlich überbrücken, indem ich Leistungen vollbrachte, auf die jede Ballerina neidisch gewesen wäre.
Das schien James auch bewusst zu werden, jedenfalls löste er den Kuss für einen kurzen Moment, aber nur, um mich von hinten an den Oberschenkeln zu packen und mit einem Ruck hochzuheben.
Ich lachte atemlos auf und klammerte mich mit den Beinen an ihm fest.
James lächelte mich an, bevor er sich meinem Gesicht wieder näherte. Ich hielt die Luft an, bis sein Mund wieder den meinen fand.
Himmel, wer hätte gedacht, dass ich mal mit meinem Erzfeind in einem unterirdischen Gang wild herumknutschen würde.

Es war James, der sich irgendwann schwer atmend von mir löste.
Sanft ließ er mich zu Boden gleiten, wo ich alle Mühe hatte, mit meinen wackeligen Beinen stehenzubleiben.
„Das war ... Das war ... wow", stammelte er nach Luft ringend, den Blick aus geweiteten Pupillen erstaunt auf mich gerichtet, als könne er nicht fassen, was da gerade eben passiert war.
Mindestens genauso durcheinander, aber glücklich, strahlte ich zurück. Ich versuchte mir dieses Bild von ihm genau einzuprägen, die großen Augen, die leicht schief sitzende Brille, die total zerzausten Haare und die geschwollenen Lippen; er sah einfach perfekt aus.
James lächelte mindestens genauso breit zurück und legte die Hände um mein Gesicht.
„Merlin, Lily, danke, danke, danke. Du weißt nicht ... Ich bin so glücklich ..."
Ich unterbrach sein hilfloses, überwältigtes Gestammel, indem ich ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen drückte.
„Ich weiß." Ich lächelte ihn an.

Vermutlich hätten wir noch ewig so in diesem Gang herumstehen und uns verliebt angrinsen können, wäre da nicht diese bitterkalte Zugluft gewesen, die mich zum Frösteln brachte.
Sofort setzte James eine besorgte Miene auf. „Du frierst ja schon wieder! Merlin, ich bin der schlechteste Freund der Welt."
Er war schon dabei, sich seinen Pulli über den Kopf zu ziehen, als er mitten in der Bewegung erstarrte.
Offenbar war ihm bewusst geworden, dass er sich selbst soeben als meinen Freund betitelt hatte.
Mein Herz hatte bei diesen Worten jedenfalls einen Purzelbaum geschlagen.
James steckte seinen Kopf wieder durch die Kapuze und schaute mich unsicher an.
„Also, natürlich nur, falls du auch willst, dass ich dein Freund bin. Wie gesagt, ich bin vermutlich der schlechteste Freund der Welt und ich werde dir ungefähr eine Millionen Streiche spielen und mich wie der größte Idiot der Welt aufführen, aber ich verspreche dir ..."
„James!" Leise lachend unterbrach ich seinen Redefluss. Unglaublich glücklich schlang ich die Arme um seine Mitte, legte mein Kinn unter seiner Brust ab und strahlte zu ihm hinauf. „Ich hätte dich wirklich verdammt gerne zum schlechtesten Freund der Welt."
James schloss den Mund einmal, öffnete ihn wieder, starrte mich an und fuhr sich augenblicklich nervös durch die Haare.
„Ähm... wirklich?"
Ich nickte bekräftigend, wobei mein Kinn sich leicht in seine Bauchmuskeln drückte.
Himmel, fühlte sich das gut an.
„Ich ... Ich weiß nicht was ich sagen soll", murmelte James, völlig neben der Spur.
„Vielleicht, dass du mich auch liebend gern zu deiner Freundin haben würdest?"
„Freundin? Ich will dich zu meiner Frau machen!"
Offensichtlich war ihm das nur herausgerutscht, denn er lief knallrot an und beeilte sich, hinzuzufügen: „Also, aber Freundin reicht erstmal. Ich meine, das wäre unfassbar schön. Du bist unfassbar schön."
Wieder musste ich lachen.
Er war wirklich süß, wenn er so aus dem Konzept gebracht war.
„Na dann ist ja gut", murmelte ich, wobei ich mein Gesicht in seinem Pulli vergrub. James' vertrauter Geruch hüllte mich ein, ebenso wie seine Körperwärme.
„Wow. Meine Freundin. Warte, bis ich das Padfoot erzählt habe!"
Ich seufzte. „Sicher, dass ich es bin, die du heiraten willst, und nicht Sirius?"

Um das klarzustellen: Ich schlief heute Nacht nur in James' Bett, weil ich aufgrund höllischer Bauchschmerzen unbedingt eine menschliche Wärmflasche brauchte.
Und da James – mein Freund – gerade so gut zur Verfügung stand, nutzte ich das auch ordentlich aus.
Leidenschaftliches Küssen war eine Sache, sogar eine verdammt gute, aber es ging nichts über das geborgene Gefühl, das mich überkam, wenn ich in James' Armen schlief.
Und obwohl wir durch unseren nächtlichen Ausflug zum Honigtopf eigentlich schon einiges von der Nacht versäumt hatten, fühlte ich mich am nächsten Morgen so frisch und ausgeschlafen wie es sonst selten der Fall war.

Da ich vor James aufgewacht war, konnte ich die Gelegenheit nutzen, um ihn in aller Ruhe zu betrachten.
Okay, es war gruselig, Leute beim Schlafen zu stalken, aber wer würde das bei so einem Anblick nicht tun?!
James sah so viel jünger im Schlaf und ohne Brille aus, seine Gesichtszüge waren entspannt und wirkten ganz zufrieden.
Ich war verdammt froh, dass ich eher aufgewacht war, denn mein schlafendes Gesicht wäre wohl nicht annähernd so attraktiv gewesen wie James'.
Irgendwann riss ich meine Augen los und zwang mich in eine aufrechte Position, wobei ich erfreut feststellte, dass meine Bauchschmerzen gänzlich verschwunden waren.
Noch ein Grund zur Freude.
Ich strahlte James' gegenüberliegende Wand an.
War das normal, dass man sich fühlte, als würde man schweben, nachdem man jemanden geküsst hatte?
Wahrscheinlich nur, wenn man den richtigen geküsst hatte.
Und James war definitiv der richtige, obwohl ich nie im Leben geglaubt hätte, dass ich das mal sagen würde.
Aber die besten Dinge im Leben geschahen ja sowieso unerwartet.

So leise ich konnte rappelte ich mich auf und schlich auf Zehenspitzen durchs Zimmer, dabei musste ich all meine Beherrschung aufbieten, um nicht einige Tanzschritte einzulegen.
Mir war nach hüpfen, springen und Salsa tanzen zumute, aber dann wäre James vermutlich mit dem Gedanken, was denn eine Herde trampelnder Elefanten in seinem Raum zu suchen hatten, aufgewacht, und da gab es doch weitaus schönere Dinge.
Wachküssen zum Beispiel.
Aber das würde ich mir für ein anderes Mal aufheben.
Immerhin hatten James und ich jetzt verdammt viel Zeit.
Der Gedanke ließ mich lächeln, während ich durch die Tür hinausschlüpfte.

Aaaaah, es ist sowas von seltsam, Kussszenen zu schreiben... Ich musste sowas noch nie schreiben, okayyyy? 
Aber na gut, ihr habt lange genug darauf warten müssen. 😅
Hoffe, es war alles zu eurer Zufriedenheit, hehe. 😇
Karla🌎

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt