Kapitel 91

7.5K 503 245
                                    

„Merlin", zischte ich James zu, während wir im Eilschritt hinter Filch hergingen, der für einen so kleinen, alten Mann ziemlich beweglich war, „das ist alles deine Schuld! Ich hab doch gesagt, ich komme nur mit, wenn wir uns nicht erwischen lassen. Und jetzt habe ich nicht mehr als einen klitschnassen Pulli und Unterwäsche an!"
James zuckte lediglich entschuldigend mit den Schultern.
Auf seinen nackten Oberarmen hatte sich eine Gänsehaut gebildet.
Wahrscheinlich würde er sich eine Erkältung holen – es war nicht gerade empfehlenswert, im Dezember halbnackt und nass durch Hogwarts zu rennen.
Andererseits waren Sirius und James einmal an Halloween in Damenunterwäsche durch das gesamte Schloss gerannt, also sollte James wohl abgehärtet sein.

Dennoch rieb ich im Gehen flüchtig über seinen linken Arm, um ihn ein bisschen zu wärmen.
James spannte daraufhin seinen Bizeps an und zwinkerte mir anzüglich zu.
Ich rollte mit den Augen und formte mit den Lippen das Wort „Angeber".
Ein breites Grinsen war die Antwort, bevor James den Blick wieder auf die Fliesen senkte, auf denen unsere nassen Füße weiterhin kleine Pfütze hinterließen.
Ich warf einen Blick über die Schulter und wäre gerne stehengeblieben; denn irgendwie hatte der Anblick unserer feuchten Spur, in der sich das seichte Mondlicht, das durch die hohen Fenster ins Schloss fiel, spiegelte, etwas Magisches.

Doch Filchs hastige Schritte erinnerten mich daran, dass ich gleich dem Direktor vor die Augen treten würde – und zwar tropfend und eher leicht bekleidet.
Bei dem Gedanken daran schüttelte es mich.
Ich hatte noch nie, nie, nie eine Strafe absitzen müssen, ich war eine tadellose Musterschülerin und fiel höchstens mal auf, wenn Marlene wieder irgendeinen Mist angestellt hatte.
Vor meinem geistigen Auge sah ich schon, wie man mir das glänzende Schulsprecherabzeichen abnahm, um das ich so lange gekämpft hatte.
Gut, vielleicht hatte ich einen Hang zum Dramatischen.
Dennoch war und blieb diese Situation äußerst unangenehm.

James schien mein Unbehagen zu spüren. Er tastete nach meiner Hand, und als er meine Fingerspitzen gefunden hatte, umschloss er meine kleine, eiskalte Hand mit seiner großen.
Ich schaute überrascht zu ihm auf.
Irgendwie hatte diese kleine Geste etwas extrem Intimes – klar, mittlerweile wusste jeder, dass James und ich ein Paar waren, aber eigentlich gehörten wir nicht zu den Leuten, die in der Öffentlichkeit Zärtlichkeiten austauschten und jedem unter die Nase rieben, wie glücklich wir miteinander waren.
Doch es fühlte sich seltsam schön an, dass er jetzt, vor dem griesgrämigen Hausmeister ganz einfach nach meiner Hand griff, ohne zu zögern.
Und er ließ mich nicht los, auch nicht, als wir schließlich in Dumbledores Büro standen.
Ich schloss meine Finger ebenfalls fest um seine Hand und lächelte ihn von schräg unten leicht an.
James erwiderte mein Lächeln, indem er meine Hand kurz drückte.
Erst dann richteten wir unsere Aufmerksamkeit auf den Schulleiter.

Dumbledore war noch wach gewesen, und hatte mit einem Ausdruck milder Überraschung zu uns aufgeblickt, als der wutschnaubende Filch uns in sein Büro gezerrt hatte.
Mit aneinander gelegten Fingerkuppen hatte er stumm hinter seinem Schreibtisch gesessen und geduldig gewartet, bis Filch seine Schimpftirade beendet hatte und nun mit verschränkten Armen auf das Urteil des Direktors wartete.

Angespannt verfolgte ich, wie Dumbledore sich quälend langsam erhob und hinter seinem Schreibtisch hervorkam.
Wie immer trug er eine dieser seltsamen, weit schwingenden Roben und sein langer, silbriger Bart hüpfte bei jedem Schritt fröhlich auf und ab.
Er strahlte eine Ruhe aus, die mich in der ersten Klasse immer glauben hatte lassen, dass unser Direktor der Weihnachtsmann persönlich wäre.
Endlich durchbrach Dumbledore das unbehagliche Schweigen, indem er sich räusperte und James und mich amüsiert musterte.
Die hellblauen Augen hinter den Halbmondbrillengläsern funkelten voller Schalk, als er sagte: „Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, Argus, dass es absolut unverantwortlich von Mr Potter und Miss Evans war, um diese Uhrzeit auf den Gängen herumzuspazieren, vor allem, da sie ja nicht einmal auf einer Patrouille waren."
Dumbledore warf uns einen strengen Blick zu, der allerdings durch das kleine Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte, erheblich gemildert wurde.

Nervös zerquetschte ich James' Hand, bis er ein leises Zischen von sich gab.
Schuldbewusst ließ ich seine Hand los.
Mit einer kurzen Grimasse in meine Richtung massierte James sich die Handfläche.
Währenddessen fuhr Dumbledore fort.
„Selbstverständlich verstehe ich auch den Unmut darüber, dass sie unsere Gänge in eine Schlitterbahn verwandelt haben."
Mit hochgezogenen Brauen musterte Dumbledore James' und meine nackten Füße.
Ich widerstand der Versuchung, mich hinter James zu verstecken.

„Aber"- hier grinste Dumbledore uns ganz offen an- „sind Sie nicht auch genauso froh wie ich, Filch, über diesen Anblick der jungen Liebe in diesen alten, kalten Gemäuern?"
Filch blinzelte irritiert.
„Äääh ...", setzte er an, doch Dumbledore steigerte sich gerade erst richtig in seinen Monolog hinein.
Er breitete die Arme aus – ja, wirklich – und ließ seinen Blick wohlwollend auf James und mir ruhen, während er sich in Rage redete.
„Ist es nicht wundervoll, dass, obwohl diese ergrauten Steine schon seit hunderten von Jahren übereinander liegen, immer noch Liebe darin geboren und ausgelebt wird? Ist es nicht erstaunlich, wie viele Menschen kommen und gehen, und doch die Liebe das Schloss nie verlässt? Ich finde, wir sollten Potters und Evans' romantische Beziehung unbedingt unterstützen. Natürlich haben sie eine Strafe verdient - aber wir wollen ihnen nicht die größte Strafe, nämlich ihre Trennung voneiander, zumuten, nein, wir wollen sie in ihrem ewigen Band zueinander bestärken."

Hier legte Dumbledore eine bedeutungsvolle Pause ein.
„Ich finde, wir sollten die beiden dazu verdonnern, gemeinsam die Große Halle zu schmücken und uns mit ihrem entzückenden Geschmack zu beehren. Ist das in Ihrem Sinne, Argus?"

Filch, der so aussah, als hätte Dumbledore ihm soeben die Gebrauchsanleitung eines Staubsaugers vorgelesen, brachte nichts weiter hervor als: „Äh, also ... ähm. Wie bitte?"
„Ob es für Sie in Ordnung wäre, wenn wir Mr Potter und seine Gefährtin dieses Jahr damit beauftragen, die Große Halle ein wenig festlich zu gestalten", wiederholte Dumbledore sich geduldig.
Filch schüttelte fassungslos den Kopf. „Ähm, ja. Natürlich."
„Wie schön!" Dumbledore klatschte zufrieden in die Hände und strahlte einmal in die Runde. „Wie wäre es dann, wenn wir die Schulsprecher auf ihre Zimmer gehen lassen, damit sie morgen schön ausgeruht sind und sich ihren Aufgaben stellen können?"
Filch brummelte etwas Unverständliches, schien aber einverstanden.
James deutete eine Verbeugung in Richtung Dumbledore an.
„Vielen Dank, Professer."
Mir entging nicht, dass auf seinem Gesicht ein fettes Grinsen prangte. Ganz offensichtlich hatte Dumbledores Rede ihn bis aufs Äußerste amüsiert.
Ich war eher genauso fassungslos wie Filch.

Statt einer ordentlichen Strafe hatten James und ich ein Lob für unsere „ewige Liebe" bekommen? Und nun sollten wir die Große Halle dekorieren?
Man konnte über Dumbledore sagen, was man wollte, aber er hatte definitiv nicht alle Tassen im Schrank.
Bevor wir doch noch eine strengere Strafe einheimsen konnten, machten James und ich uns schnellsten aus dem Staub.

Hastig bogen wir um einige Ecken, Hand in Hand und in einvernehmlichem Schweigen, bis James plötzlich stehenblieb und sich vor Lachen zusammenkrümmte.
Seine erstickten Laute hallten von den Wänden wieder, Tränen liefen unter seinen Brillengläsern hervor, und er musste sich den Bauch halten, während der heftige Lachkrampf ihn schüttelte.
Ein wenig verstört tätschelte ich seinen Rücken.
„Ähm, James, ist alles okay?"
James schüttelte nur den Kopf und gab sich eine gefühlte Ewigkeit seinem Lachen hin, bis er endlich wieder in der Lage war, japsend die Worte: „Dumbledore ist ein Genie!" hervorzubringen.
Ich runzelte die Stirn. „Ja, tatsächlich. Allerdings auch sein sehr durchgeknalltes Genie."
James schüttelte immer noch grinsend den Kopf.
Er stützte sich nach Luft ringend an der Mauer ab.
Einige letzte Tränen liefen immer noch seine Wangen hinab.
Irgendwann griff er nach meiner Hand. „Komm, meine junge Liebe, wir gehen in mein Schlafzimmer und bestärken unser ewiges Band zueinander."
Er schaute mich an, und in seinen Augen blitzte es nur so vor Belustigung.
Dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus und füllten die Gänge des „alten, kalten Gemäuers" mit den Freuden „junger Liebe".

Happy Birthday an GinnyALWAYSGryfindor☺️
(Nur um das klarzustellen: ich kann jetzt leider nicht an jedermanns Geburtstag updaten, okay?😅)
Tut mir übrigens leid, dass in letzter Zeit eher weniger Zusatzkapitel kamen und ich nicht sofort auf Kommentare antworte... Ich schaffe es schultechnisch nicht mehr, an der Story weiterzuschreiben und verbrauche daher gerade meinen ganzen Vorrat ... Aber es sollte weiterhin jeden Donnerstag ein Kapitel kommen:)
Danke an euch für alles❤️❤️
Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eure Kommentare durchgehe oder die Votes und Reads sehe😱😍
Peace out,
Karla 🌻

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt