Am Gryffindortisch angekommen erlebte ich eine positive Überraschung.
Mary war endlich wieder da.
Sobald ich sie entdeckte hatte, beschleunigte ich meine Schritte und umarmte sie schließlich.
Sie sah müde und angespannt aus, doch ihre blaugrauen Augen glänzten wieder ein bisschen und sie hatte zugenommen.
Der Besuch bei ihren Eltern schien ihr gutgetan zu haben.
Unwillkürlich musste ich schlucken. Was hätte ich dafür gegeben, selbst wieder in den tröstenden Armen meiner Eltern liegen zu können.
Kannst ja James nehmen..., schnurrte die Stimme in meinem Unterbewusstsein.
Ich ignorierte sie geflissentlich.
„Hey Mary", begrüßte ich meine Freundin leise. „Wie geht es dir?"
Sie zuckte mit den Schultern und gähnte. „Ich bin total fertig, aber es ist okay. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Beerdigung hilfreich sein könnte, aber es tut auf eine seltsame Art gut, seinen Schmerz mit anderen zu teilen. Verstehst du das irgendwie?"
Ich nickte heftig und drückte ihre Hand, während ich den Platz neben ihr einnahm.
„Ja, auf jeden Fall. Deswegen bin ich ja so froh, dass ich dich habe..." ...und James.
Ich runzelte die Stirn. Konnte diese blöde Stimme mal ihre Klappe halten?
Außerdem „hatte" ich James nicht.
Leider.
Aaaargh!
„... und in dir jemanden gefunden habe, der mich versteht", beendete ich etwas zu spät meinen Satz.
Mary pflichtete mir bei, bevor sie mich einer genauen Musterung unterzog. „Und wie geht es dir?", fragte sie schließlich sanft.
Tja, das war wohl die Frage der Fragen.
„Ich bin ziemlich ... verwirrt. Das trifft es wohl am besten."
Marys Augenbrauen gingen in die Höhe. „Verwirrt?"
Hoffentlich wurde ich nicht rot. „Du weißt schon... die neue Situation und alles."
Den Teil, den James zu dieser neuen Situation beitrug, ließ ich mal lieber weg.
Schnell wechselte ich das Thema und bat Mary, mir von all ihren Erlebnissen zu erzählen. Danach war ich an der Reihe und dann fingen wir beide erstmal an zu heulen.
Als hätte irgendein kleiner Hauself dort unten unsere deprimierende Stimmung bemerkt, erschien vor uns ein riesiger Schokoladenkuchen, der wohl der Grund war, warum wir uns letztendlich doch noch in den Unterricht schleppten.
In der ersten Stunde hatten wir Verwandlung, was nicht unbedingt zu meinen Stärken zählte. Genauer gesagt war es das einzige Fach, indem ich nicht auf einem „Ohnegleichen" stand.
Sehr zu meiner Unzufriedenheit.
Vor allem weil ein gewisser schwarzhaariger Junge ausgerechnet in diesem Fach ein absolutes Ass sein musste. Es gab zwei Dinge, die James Potter besser konnte als ich, und diese waren Quidditchspielen und Verwandlung.
Und na ja ... vielleicht umarmen. Aber zum Umarmen gehörten immer zwei, also war ich wohl auch nicht so schlecht...
Wütend stierte ich meine Tischplatte an. Was sollte das?!
Konnte ich bitte ein neues Gehirn haben? Dieses hier funktionierte nicht mehr, wie es sollte!
Ich war so sehr in meine Gedanken vertieft, dass ich nicht aufpasste, als McGonagall uns erklärte, wie man größere Gegenstände in Kleintiere verwandelte.
Folglich war ich am Ende die einzige, die es nicht hinbekam.
Nun, nicht ganz die einzige, doch ich gehörte zur Schicht der Versager.
Was für eine Niederlage. Bestimmt war ich knallrot.
Doch es kam noch schlimmer. Denn diejenigen, die den Zauber absolut nicht ausführen konnten, bekamen talentiertere Partner zugeteilt und wie es das Schicksal wollte, landete ich bei James.
Bei wem auch sonst.
Merlin musste mich hassen.
„Also, Krümel, woran hapert's?", fragte James, durchaus freundlich.
Ich schaute in sein hübsches Gesicht und wurde augenblicklich noch wütender. Warum musste er aussehen wie ein Supermodel, während ich hier wie eine Drogenabhängige auf Entzug rumrannte? Mit Vampiraugenringen?
Was war daran denn bitte fair?!
„Ich habe nicht aufgepasst, als McGonagall das erklärt hat", knurrte ich mürrisch.
Eine seiner schwarzen Augenbrauen wanderte in die Richtung seines Haaransatzes. „Du und nicht aufpassen? Wie ist denn das passiert?"
„Ich habe eben an andere Dinge gedacht."
Dazu sagte er nichts weiter. Vielleicht bezog er die Aussage auf meine verstorbenen Eltern und wollte mir dieses Thema nicht aufdrängen.
Besser so. Ich stand sowieso schon wieder kurz vor einem emotionalen Zusammenbruch, er musste mir nicht auch noch das antun.
Stattdessen begann James, mir in Ruhe alles zu erklären, von der Handhabung des Zauberstabes bis hin zur Aussprache der richtigen Wörter.
Ich war sehr fasziniert, leider aber eher weniger von dem Zauberspruch. Mich sprachen mehr seine Unterarmmuskeln an, die sich bei den hastigen Bewegungen an- und entspannten.
Verzweifelt versuchte ich, auf das was James da erzählte zu achten, und kam dabei immer mehr ins Schwitzen.
Scheiße, wann war denn diese blöde Stunde endlich vorbei?
„Also, jetzt bist du dran", schloss James seinen Vortrag, wobei er mich mit einem erwartungsvollen Blick bedachte.
Ich, die bis eben noch darüber philosophiert hatte, wie es wohl wäre, durch seine weich aussehenden Haare zu wuscheln, blinzelte irritiert zu ihm auf.
„Ähm. Was?"
James seufzte resigniert. „Lily, hast du überhaupt zugehört?"
Meine Antwort bestand aus einem schuldbewussten Lächeln.
„Dann eben nochmal von vorne. Und diesmal passt du besser auf." Mit einem drohenden Blick in meine Richtung begann James wieder zu sprechen.
Ich schaltete alle unnötigen Gehirnzellen ab und konzentrierte mich wirklich auf den Inhalt seiner Worte, und nicht auf die Bewegungen, die sein Mund dabei machte.
Na ja, zumindest meistens.
Am Ende hatte ich es soweit verstanden, dass ich einen weiteren Verwandlungsversuch startete.
Leider wurde aus meinem Tisch kein vollständiges Schwein, sondern eines, das stelzenartige Tischbeine und einen viel zu lang gestreckten Körper hatte.
Am liebsten wäre ich im Boden versunken.
Es war mir nicht einfach nur peinlich, dass ich so sehr versagt hatte.
Die Tatsache, dass James meinen missglückten Versuch mit einem einfachen Schlenker seines Zauberstabs wieder beseitigt hatte, rieb mir noch deutlicher unter die Nase, in einer wie viel höheren Liga er spielte.
Und zwar in einer schier unerreichbaren.
Traurig starrte ich auf meine Chucks hinunter.
„Das war wohl nichts", brachte James die Sache auf den Punkt. „Na ja, dafür klappt es beim nächsten Mal besser."
Er lächelte mich an und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter.
Als wäre ich sein Kumpel, oder schlimmer noch, ein Haustier, das sein Leckerli brav aufgefressen hatte.
Missmutig grummelte ich irgendetwas vor mich hin.
Was war nur los mit mir?
Warum ließ ich mich so sehr von ihm beeinflussen?
Und an sich hatte er doch nicht einmal etwas Schlimmes getan. Er behandelte mich, als wären wir Freunde. Und das waren wir doch auch.
Was zum Geier passte mir denn daran nicht?
Tief in meinem Inneren hatte ich ein sehr ungutes Gefühl bei dieser Sache.
Merlin, das Ganze machte mir Kopfschmerzen.
„Ja, danke", antwortete ich James schließlich, der immer noch erwartungsvoll vor mir stand.
Sein Grinsen war absolut Hollywood-reif.
Am liebsten hätte ich ihm seine blöden, geraden weißen Zähne ausgeschlagen.
Dann müsste ich mich neben ihm wenigstens nicht mehr allzu hässlich fühlen.
McGonagall erlöste mich von meinen Minderwertigkeitskomplexen, indem sie das Ende der Stunde ankündigte.
Erleichtert raffte ich alle meine Sachen zusammen und wartete ungeduldig auf meine drei Freundinnen, um endlich von Potter loszukommen.
Er sollte sich aus meinem Kopf verziehen, und zwar schnell.
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Die Regel - Lily& James Ff ✔️
FanfictionABGESCHLOSSEN Seit Jahren besteht diese eine Regel: Evans hasst Potter, Potter mag Evans. Wenn es nach Lily Evans, Einserschülerin und absoluter Lehrerliebling, geht, wird diese Regel auch niemals gebrochen werden. Doch da hat sie ihre Rechnung ohne...