„Fröhliche Weihnachten", erwiderte Petunia steif.
Vernon ließ ein zustimmendes Grunzen hören.
Seine kleinen Schweinsäuglein hatten längst das Interesse an uns verloren; er studierte die Speisekarte mit einer Intensität, als würde von der Wahl seines Gerichts das Überleben der Menschheit abhängen.
James und ich ließen uns auf die zwei Stühle den beiden gegenüber fallen und wandten uns ebenfalls der Karte zu.
Ich konnte mich nicht wirklich auf die verschiedenen Auswahlmöglichkeiten konzentrieren, die Buchstaben verschwammen vor meinen Augen bei dem Gedanken daran, dass mir ein ganzer Nachmittag mit meiner Schwester bevorstand.
Nervös glättete ich mein Haar und wischte mir unauffällig die schwitzigen Hände an meiner Hose ab.
Plötzlich empfand ich die angenehme Wärme der Pizzeria als drückend und das Stimmengewirr klingelte in meinen Ohren.
James, der mein Unbehagen zu spüren schien, legte eine Hand auf meinen Oberschenkel, ohne dabei den Blick von der Speisekarte zu nehmen.
Es herrschte Schweigen, bis die fröhlich lächelnde Kellnerin an unserem Tisch auftauchte und unsere Bestellungen entgegennahm.
Auf James ruhte ihr Blick besonders lange, auch wenn ich ihr vorhin klar zu verstehen gegeben hatte, dass er bereits vergeben war.
Vernon dagegen schenkte sie keine weitere Aufmerksamkeit.
Ich konnte es ihr nicht verdenken, besonders als das Walross sich schließlich räusperte, die fleischigen Hände aneinander rieb und seine Augen auf James richtete.
Ich wusste, dass das Verhör gleich eröffnet werden würde und drückte in Gedanken die Daumen, dass James sich gut schlagen würde.
Am Abend zuvor hatte ich ihm mehrmals verklickert, so wenig Magie wie möglich zu erwähnen.
Dennoch war mir klar, dass es für James, der nichts anderes als seine Welt kannte, besonders schwierig sein würde, sich an die Bräuche und Lebensweise der Muggel anzupassen.
„Wie war dein Name noch gleich?", fragte Vernon James unwirsch.
„James Potter", erwiderte James ruhig. Er hielt kurz Vernons abschätzigen Blick stand, bevor er den Kopf senkte, um seine Serviette auf seinem Schoß auszubreiten.
Hastig folgte ich seinem Beispiel, um meine Hände irgendwie beschäftigen zu können.
„Ein ziemlich gewöhnlicher Name. Ich meine, dafür, dass ihr besonders seid", ließ Vernon mit einem gehässigen Unterton vernehmen.
Ich biss die Zähne zusammen.
Musste Vernon gleich anfangen, über die Schlucht, die unsere Welten voneinander trennte, zu diskutieren?
Ich konnte nicht anders, als Petunia stumme Vorwürfe zu machen.
Immerhin hatte ich James klar eingetrichtert, das Thema Magie zu meiden – andersrum hätte sie genau das gleiche bei Vernon tun sollen, wo ihr das Ganze doch so unangenehm war.
„Ich habe nie behauptet, besonders zu sein", stellte James klar. Seine Stimme war weiterhin höflich, hatte aber einen kaum merklichen, kühlen Unterton angenommen.
Vernon lachte glucksend, was seine Doppelkinne zum Erzittern brachte.
„Nein, natürlich nicht. Ich muss mich falsch ausgedrückt haben: Nicht besonders, sondern abnormal."
Diesmal konnte ich mir einen wütenden Blick in Petunias Richtung nicht verkneifen, doch meine Schwester betrachtete scheinbar sehr interessiert die Eiskarte.
Und das, obwohl ich genau wusste, dass sie Süßspeisen nie zu sich nahm, um bloß keine zusätzlichen Kalorien auf ihre mageren Hüften zu bringen.
Ein Wunder, dass sie vorgeschlagen hatte, sich in einer Pizzeria zu treffen.
Vielleicht hatte sie es mit dem Gedanken an Vernon getan.
Äußerlich betrachtet hätten die beiden nicht gegensätzlicher sein können: Sie, groß und dünn; Er, mehr als nur dick und erstaunlich klein.
Nun, wenigstens waren sie beide von einem ziemlich gemeinen Wesen.
Manchmal glaubte ich fast, dass Petunias Wahl bei ihrem Partner eine kleine Rebellion mir gegenüber sein sollte: Immerhin hatte sie sich den normalsten und langweiligsten Menschen, den man sich überhaupt vorstellen konnte für sich auserkoren.
„Was meinen Sie mit abnormal?", fragte James durch zusammengebissene Zähne hindurch.
Seine Hand, die zuvor so beruhigend auf meinem Bein gelegen hatte, hatte sich zu einer Faust geschlossen und ich sah, wie seine Kiefermuskeln zuckten.
Ich beschloss, dass es an der Zeit war, das Thema zu wechseln.
Bevor Vernon genauestens schildern konnte, was für abnormale Kreaturen wir waren, warf ich ein: „Vernon, wie läuft deine Firma?"
Das Thema Bohrmaschinen war meist recht unverfänglich im Umgang mit Vernon.
Ich hatte schon einige angespannte Familienessen während der Ferien, die ich Zuhause verbrachte, überstanden, indem ich Vernon auf seine Firma „Grunnings" angesprochen hatte, woraufhin er meistens in einen extrem ermüdenden Monolog verfallen war, der vor Selbstlobpreisungen nur so triefte.
So war es auch jetzt: Vernons Schweinsäuglein begannen zu glänzen, und meine Schwester zeigte zum ersten Mal ein Lebenszeichen.
Wenn es um Vernons Erfolg ging, war nicht nur Vernon stolz auf sich selbst.
Petunia war in dieser Hinsicht beinahe noch schlimmer als er.
„Oh, es läuft grandios!", betonte sie mit schriller Stimme, wobei sie ihre Hand auf Vernons Arm legte. „Wenn es so weitergeht, können wir uns bald ein kleines Haus in einem der schicksten Stadtteile Surreys leisten. Die Gegenden dort sind zurzeit sehr beliebt."
Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie es in Surrey aussah, stellte es mir allerdings entsetzlich langweilig vor.
Dennoch lächelte ich und nickte freundlich in Tunias Richtung, während Vernon das Wort übernahm.
Er strich sich beim Reden genüsslich über den Schnurrbart und stierte James an, als würde der Fakt, dass er einen Bart trug und James nicht zeigen, wer hier der wahre Mann am Tisch war.
„Nun, ja, es läuft tatsächlich sehr gut", sagte Vernon mit einem überlegenen Lächeln. „Die neuen Bohrer sind der absolute Hit."
In diesem Moment war ich froh, dass ich James von vornherein erklärt hatte, was Bohrer waren.
Seltsam, wie berechenbar die zukünftigen beiden Dursleys waren.
„Und was arbeiten Sie?", schnarrte Vernon James an.
Vermutlich genügte ihm die Machtdemonstration durch das Tragen eines Schnurbarts noch nicht – Jetzt musste James noch durch seinen gesellschaftlichen Rang zerlegt werden.
„Ich gehe noch zur Schule", erklärte James geduldig. „Aber meine Eltern sind Auroren."
„Das ist sowas wie die magische Polizei", fügte ich schnell hinzu.
Damit handelte ich mir einen frostigen Blick aus Petunias Richtung ein.
Oh, Verzeihung, ich habe das Wort mit M gesagt.
Zum Glück wurde in diesem Moment unser Essen serviert, was jegliche Gespräche unterband.
Für ein paar Minuten genoss ich die ungefährliche Stille, die sich über unseren Tisch legte, während wir alle zu essen begannen.
Doch es dauerte nicht lange, bis Vernon wieder das Wort ergriff.
„Dann muss eure abnormale Welt also ziemlich gefährlich sein."
Wie ich es liebte, dass er diesen Satz nicht einmal mehr als Frage formulierte.
„Einzig und allein das Existieren von Sicherheitsbeauftragten beweist noch lange nicht, dass eine Welt kriminell ist", konterte James, den Blick auf seinen Teller gerichtet.
Vernon blinzelte kurz und schien zu überlegen, was James damit meinte.
„Es spricht aber auch nicht gerade dagegen", sagte er schließlich. „Aber gut, wenn es nicht so gefährlich ist, wie du sagst, müssen deine Eltern wohl nicht allzu viel zu tun haben. Vermutlich sind sie dann arbeitslose Nichtsnutze."
Am liebsten hätte ich Vernon den Hals umgedreht.
Ich wusste, dass James seine Eltern sehr liebte.
Die Tatsache, dass die beiden gerade in einem der gefährlichsten Gebiete des Landes kämpften und jeden Moment sterben könnten, machte das Thema noch heikler.
Verdammt, ich hätte James nicht mitbringen sollen.
Er war in die Schusslinie gerückt, nachdem ich nach all den Seitenhieben schon ziemlich abgehärtet war.
Wie zu erwarten hatte Vernon einen Nerv getroffen, und damit war das Wortgefecht zwischen James und Vernon offiziell für eröffnet erklärt.
Die beiden debattierten den gesamten Nachmittag erbittert hin und her, bis auf Vernons Stirn Schweißtropfen standen und James knallrot angelaufen war.
Ich sank immer mehr auf meinem Stuhl zusammen und versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Meine anfänglichen Versuche, das Thema zu wechseln, waren jedes Mal sofort untergegangen und als Petunia sich irgendwann auch noch einmischte und Vernon lautstark verteidigte, gab ich auf.
Das hitzige Gespräch rauschte an mir vorbei.
Nur vage bekam ich mit, wie Vernon und Petunia nach einiger Zeit wutschnaubend und die „abnormale Welt der Zauberei" verfluchend die Pizzeria verließen.
„Also echt!", knurrte James. „Lils, du hättest mir wirklich etwas mehr beistehen können."
„Merlin, James!", schluchzte ich, halb wütend, halb verzweifelt. „Es hätte gar nicht zu diesem Streit kommen dürfen! Das ist meine Schwester! Wie konntest du nur!"
Völlig durcheinander knallte ich etwas Geld auf den Tisch, packte meine Reisetasche und stürmte aus der Pizzeria, ohne mich nach James umzusehen.
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Die Regel - Lily& James Ff ✔️
FanfictionABGESCHLOSSEN Seit Jahren besteht diese eine Regel: Evans hasst Potter, Potter mag Evans. Wenn es nach Lily Evans, Einserschülerin und absoluter Lehrerliebling, geht, wird diese Regel auch niemals gebrochen werden. Doch da hat sie ihre Rechnung ohne...