Extrakapitel número tres

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Ein Treffen nach dem Schulabschluss
Lilys Sicht



„Sirius!" Mit einem zugegeben äußerst mädchenhaften Schrei warf ich mich in die Arme meines besten Freundes.
Dieser hatte eine derart stürmische Begrüßung wohl nicht erwartet, denn er stolperte unbeholfen ein paar Schritte zurück, bis er sein Gleichgewicht wiederfand und meine Umarmung zögerlich erwiderte.
„Ich hab dich vermisst!", nuschelte ich an seiner Schulter.
Sirius schob mich energisch von sich und richtete seinen Zauberstab auf mich. „Wer bist du und was hast du mit Lily Evans gemacht? Raus mit der Sprache!"

„Darf ich mich nicht einfach freuen, dich nach einer Ewigkeit wiederzusehen?", schmollte ich.
„Nein", erklärte Sirius. „In diesen Zeiten kann man nie sicher sein, ob nicht irgendein Todesser, der einen Vielsafttrank angewandt hat, hinter dem Gesicht deiner engsten Vertrauten steht. Und dass du dich freust, mich zu sehen, ist so untypisch für dich, dass ich wirklich für einen Gegner halten könnte."
Ich schüttelte den Kopf und zog Sirius am Ärmel seiner Lederjacke ins Haus der Potters.
„Sonst beschwerst du dich über meine Unnahbarkeit und kaum mache ich es anders verurteilst du mich dafür. Dir kann man es echt nicht recht machen – und weißt du was? Ich habe dich doch nicht vermisst. Idiot."
Er grinste mich an. „Das klingt schon eher nach dir. Ich hab dich auch vermisst, Lily- Schatz."

„Nenn mich nicht ....", begann ich, doch in diesem Moment klingelte es erneut an der Tür.
Bevor ich der Person öffnen konnte, war Sirius vor mich gesprungen.
„Halt! Es könnte sich um einen Todesser handeln." Er bückte sich, und versuchte durch das Schlüsselloch zu stieren. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und verdrehte die Augen.
„Sirius, in diesem Haus wohnen zwei erwachsene Auroren. Denkst du wirklich, sie hätten keine Schutzmaßnahmen getroffen? Das gefährlichste, was dort vor der Tür stehen könnte, wäre eine hungrige Dorcas."
„Das erzähle ich ihr weiter", rief eine Stimme, die ich als Marlene identifizierte, von draußen.

Ich lachte, doch Sirius brachte mich mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen.
„Psssst! Verhalte dich unauffällig, bis ich die Lage geklärt habe."
„Sirius Black, mach sofort diese blöde Tür auf. Ich will mir endlich das berühmt-berüchtigte Anwesen der stinkreichen Eltern des Freundes meiner besten Freundin ansehen!"
Marlene hatte sich anscheinend zu dem Schlüsselloch nach unten gebeugt und lauthals geschrien, sodass Sirius erschrocken zurückgezuckt war.
„Sie ist meine beste Freundin", grummelte er missmutig, war aber endlich dazu bereit, Marlene einzulassen.
Meine beste Freundin fiel mir strahlend um den Hals. „Lily! Ich hab dich so vermisst!"
Während ich ihre Umarmung fest erwiderte, warf ich Sirius einen bedeutungsvollen Blick zu.
„Siehst du? Das ist eine völlig normale Art sich zu begrüßen, wenn man sich lange nicht gesehen hat, und hat nichts mit Todessern zu tun!"

Nach Sirius und Marlene kamen Remus und Peter in etwa zeitgleich an, und mit etwas Verspätung erschienen auch Dorcas und Mary schnaufend vor der Haustür und klingelten Sturm.
„Dorcas hat auf dem Weg hier her ein blödes französisches Gebäck im Schaufenster einer Bäckerei gesehen und musste den gesamten Laden leerkaufen", erklärte Mary mir mit einem anklagenden Blick Richtung Dorcas. Tatsächlich hielt diese gleich drei große Tüten mit buntem Inhalt in den Händen.
„Das sind Macarons", korrigierte Dorcas sie. „Und ich wollte eben auch was zu unserem gemeinsamen Essen beitragen!"

Ich schob die beiden in den Hausflur und schloss die Tür.
„Das ist sehr lieb von dir, Dor, allerdings haben Holly und Effie so viel gekocht und gebacken, dass wir die gesamte britische Insel damit ernähren könnten."
„Holly?!", quiekte Dorcas alarmiert. „Was macht die blöde Kuh hier?"
„So heißt die Hauselfe, Dor. Und sie ist viel netter als die Holly aus der Schule."
„Trotzdem wird Name mit Sicherheit Aggressionen in Marlene auslösen", prophezeite Mary, die Dorcas ihren Mantel abnahm und an den Haken hängte.
Dorcas dankte ihr mit einem verliebten Lächeln.

Ich betrachtete die beiden mit einem wohlwollenden Blick. Sie waren so süß zusammen, dass ich manchmal fast neidisch wurde, auch wenn zwischen mir und James alles perfekt lief.
„Kommt einfach nach oben in den Speisesaal, wenn ihr fertig mit flirten seid", sagte ich zu den beiden, bevor ich grinsend die Treppe nach oben verschwand.
„Wir flirten doch gar nicht!"
„Ihr seid fast so schlimm wie Hugo und Marls damals!", rief ich zurück.
Wohl ein wenig zu laut, denn Marlene schrie aus dem Essbereich zurück: „WER HAT WAS VON HUGO GESAGT?"
Das konnte ja heiter werden.

Nach weiteren zehn Minuten, die wir dafür brauchten, eine Sitzordnung zu finden, mit der jeder (und damit war vor allem Sirius gemeint) einverstanden war („Ich will aber neben James sitzen!" „Oh nein, jetzt kann ich Lily nicht angucken, Remus, mach mal Platz." „Ich sitze zu weit weg von den Pasteten!" „Na super, jetzt sitzt James zu weit weg. Ehrlich Leute, ihr wart sieben Jahre mit mir auf einer Schule, habt ihr nichts über meine Essgewohnheiten gelernt?" „Aahhh! Meine wunderschönen Haare hängen in der Suppe!").

Am Ende saß Sirius zwischen James und Remus, mir gegenüber und vor ihm stand ein Berg Pasteten. Trotz des Suppenunglücks schien er sehr zufrieden zu sein.
Seit unserem Abschluss waren etwa drei Monate vergangen, und so langsam verabschiedete sich der Sommer und wich einem goldenen Herbst. Da jeder von uns sehr mit seinem eigenen Leben beschäftigt gewesen war, hatten wir uns nur selten gesehen, und nie in der großen Gruppe, in der wir jetzt zusammengekommen waren.
James' Eltern waren seit Wochen ständig auf irgendwelchen Einsätzen, da der Zaubererkrieg wütete wie noch nie, und dennoch hatte Effie sich die letzten zwei Tage freigenommen, um mit Hollys und meiner Unterstützung das Haus und ein Festmahl für all unsere Freunde herzurichten.
Jetzt waren sie und Fleamont wieder auf einem Einsatz und James und ich genossen die Anwesenheit unserer besten Freunde.

Apropos James. Er saß mir ein wenig diagonal gegenüber und tippte ständig wie aus Versehen mit seinem Fuß an meinem, um mir dann verschwörerisch zuzulächeln, wenn ich verwirrt aufsah. Ich rollte mit den Augen, erwiderte sein Lächeln aber.
Wir hatten einen sehr schönen gemeinsamen Sommer hinter uns. Anfangs hatten Sirius, James und ich zu dritt im Anwesen der Potters gewohnt, und die Stimmung war ganz ähnlich gewesen wie in jenen schicksalhaften Wochen vor unserem letzten Schuljahr, als ich zum allerersten Mal von Sirius hierher verfrachtet worden war.

Doch dann hatten James und ich angefangen zu planen, das Haus in Godric's Hollow, das James von seinen Großeltern geerbt hatte, zu restaurieren, um seinen Eltern nicht weiter auf der Tasche zu liegen, und Sirius, der begriffen hatte, das er nicht als Mitbewohner in diesem neuen Haus eingeplant war, war beleidigt ausgezogen.
Ich hatte ihn ein par Mal in seiner neuen Wohnung in London besucht, allerdings erst, als er uns unser „schreckliches Vergehen" verziehen hatte.
Diese Geschichte gab James gerade vor den anderen zum Besten und alle lachten Sirius für sein weiterhin bestehendes Dasein als Dramaqueen aus.

„Du wohnst gar nicht weit von uns, aber du bist uns nie besuchen gekommen", entrüstete sich Mary.
„Ich hatte Angst, dass Dorcas mich für Konkurrenz in ihrem Lieblingsrestaurant hält und aus dem Weg räumt. Deswegen hab ich eure Gegend lieber gemieden", erwiderte Sirius grinsend.
„Du kannst gerne in dem Restaurant unter uns Essen", sagte Dorcas großzügig. „Es gehört mir ja nicht. Noch nicht", fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
„Du willst das Restaurant übernehmen?", fragte Marlene mit großen Augen.
Dorcas nickte. „Ja, die Besitzerin ist schon alt. Sie hat mich mal nachts erwischt, wie ich in ihrer Küche versucht habe, eins ihrer Gerichte nach zu kochen. Zuerst sah sie aus, als wollte sie mich mit einem Kochlöffel erschlagen, doch dann hat sie stattdessen von dem Gericht probiert und meinte, es sei mir besser gelungen als ihr selbst. Seitdem sprechen wir darüber, dass ich das Restaurant übernehmen könnte, wenn sie zu alt dafür ist."
„Ich könnte der sexy Barkeeper werden. Dann wärst du bald das gefragteste Restaurant ganz Londons", bot Sirius mit dem Mund voller Pastete an.
Dorcas musterte ihn mit einem Anflug von Ekel in ihren Augen, wie er völlig schamlos vor sich hin schmatzte und nicht aufhörte zu kauen, wenn er redete.
„Hmm", machte sie unbestimmt.

Dann wandte sie sich an mich. „Lils, wäre es okay, wenn Mary und ich hier übernachten? Wir wollen ab morgen einen kleinen Trip durchs Land machen, bevor es zu gefährlich dafür wird, und würden gern von hier aus starten."
„Ich dachte es wäre klar, dass wir hier schlafen", rief Marlene von der anderen Seite des Tisches. Wie sie es sagte, klang es nach einer sehr beschlossenen Sache.
„Na, ich schlafe sowieso hier", erklärte Sirius. „Das war mal mein Zuhause, bevor man mich vertrieben hat." Er warf James und mir bitterböse Blicke zu.

„Sirius, du bist freiwillig – ach, vergiss es", murmelte ich. An die restliche Runde gewandt meinte ich: „Natürlich könnt ihr hier schlafen. Es sind haufenweise Zimmer frei. Oder, James?"
James nickte, hatte den Blick aber auf Remus gerichtet, der sehr mitgenommen aussah und noch schweigsamer war als sonst. Anscheinend hatte sich seine Befürchtung als Werwolf kaum Chancen auf eine feste Anstellung zu haben, bewahrheitet.
„Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt", sagte James, und suchte Remus' Blick. Dieser lächelte ein wenig gequält.

„Wir könnten im Garten zelten!", schlug Marlene aufgeregt vor.
„Zaubererzelte sind witzlos", murmelte ich.
Mary nickte zustimmend. „Wenn, dann müssen wir richtig zelten. Auf die Muggelart."
„Na toll." Sirius warf Marlene einen finsteren Blick zu. „Dank dir darf ich heute auf einer unmenschlich harten Isomatte schlafen." 
"Und Macarons essen!", fügte Dorcas mit deutlich mehr Begeisterung hinzu. 


Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt