Kapitel 74

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Ähm... wie bitte, was?!
Ich löste mich aus James' Armen und starrte ihn durch einen Tränenschleier hindurch fassungslos an.
Dabei musste ich der Versuchung „Könntest du das bitte wiederholen?" zu fragen, ziemlich heftig widerstehen.
Ich meine, was zur Hölle?
Da stand ich heulend vor ihm, nachdem er mich gestern vor seiner Was-auch-immer bloßgestellt und gerade noch zugelassen hatte, dass sie mich vor allen zum Affen machte, und er meinte ein „Du bist wunderschön" würde alle meine Probleme beheben?!
Was sind Jungs denn eigentlich für Arschgeigen?
Okay, nicht, dass es nicht schön gewesen wäre, das zu hören.
Aber was genau sollte denn dieser kleine Satz bedeuten?
Wollte er mir damit sagen, dass ich schöner als Holly war und er sie auf der Stelle so mies korben würde wie mich gestern oder genoss er es vielleicht einfach nur, dass ich ihm so hinterherlief und wegen ihm in Tränen ausbrach?
Glaubte er, ich würde nach diesem Kompliment einfach alles über den Haufen werfen und ihm blindlings verzeihen oder was?
Bei Holly mochte diese Masche eventuell funktionieren, aber ich war keine verdammte Barbie-Puppe die sich lediglich durch ihr Aussehen definierte.
Um das letzte bisschen Würde kämpfend, das ich noch besaß, zog ich tapfer die Nase hoch, wischte mir über die Augen, bis ich James wieder klar sehen konnte, und ging dann zum verbalen Angriff über.
Schniefend verschränkte ich die Arme vor der Brust und starrte in James' ernst dreinblickende Schokoladenaugen.
„Was soll das denn jetzt heißen?!"
Peinlich, wie kläglich sich das anhörte.
Nicht annähernd so kampflustig, wie beabsichtigt, sondern eher wie das kleine Bambi, das „Bitte erschieß mich nicht!" schrie.
Fehlte nur noch, dass meine Unterlippe zu beben anfing.
Ah, ja. Sie tat ihren Job mit der Stärke eines Erdbebens in LA.
James besaß wenigstens den Anstand, sehr zerknirscht auszusehen.
„Lily ... ich ... Es tut mir alles so schrecklich leid!", brach es schließlich aus ihm heraus.
Oh, gut zu wissen.
Aber was genau tat ihm leid, bei all der Scheiße, die er in letzter Zeit angestellt hatte?!
„Was tut dir leid?", stellte ich eben diese Frage in weniger aggressiver Form.
Er vergrub das Gesicht in seinen riesigen Händen und massierte sich die Stirn, wobei seine Finger unter die Bügel der Brille gerieten und sie ihm beinahe von der Nase gefallen wäre.
Doch James fing sie mit den Reflexen eines Quidditchspielers wieder auf und rückte sie zurecht, bevor er flehend auf mich herabblickte.
„Merlin, Lily, ich wollte dich nicht korben! Ich habe überhaupt nicht kapiert, dass das deine Art war, nach einem Date zu fragen..."
„Meine Art, nach einem Date zu fragen? Wie hätte ich denn sonst fragen sollen? ‚Willst du mich heiraten und ganz viele kleine Babys mit mir kriegen' oder was?"
James runzelte irritiert die Stirn.
„Nein, natürlich nicht. Aber ich dachte, das wäre eins dieser Treffen, bei denen wir eben Schulsprecherzeugs besprechen, wir waren doch sowieso gerade auf einem Rundgang..."
Wieder unterbrach ich ihn.
„Das entschuldigt immer noch nicht, dass du dann lieber mit Holly in die Badewanne gehüpft bist!"
Gut, dass er meine Date-Frage nicht ganz kapiert hatte, konnte ich ja irgendwo noch verstehen. Aber selbst wenn er es nicht als Date genommen hätte, hätte er ja trotzdem zustimmen können!
„Ja, weil-"
„Ja? Ja?! Du bist so ein Arsch, Potter!" Wütend funkelte ich ihn an und wollte meinen altbekannten, dramatischen Abgang machen, doch das ließ James nicht zu.
Er packte mich fest am Oberarm und riss mich wieder zu sich herum.
Sein Blick war wild und entschlossen.
Verdammt heiß.
Ich musste heftig schlucken und zwang mich, wegzugucken.
Ich durfte nicht die Fassung verlieren.
„Scheiße, Lily! Jetzt lass mich doch endlich mal ausreden! Wie soll ich dir diesen ganzen Mist erklären, wenn du dauernd wegrennst?!"
Mein Mund klappte zu einer frechen Erwiderung auf, doch James brachte mich mit einem eisigen Blick zum Schweigen.
Also hielt ich die Klappe und beschränkte mich darauf, ihn mit abwartend hochgezogenen Augenbrauen anzusehen.
Ich war bereit für die Lieferung an Ausreden.
James holte tief Luft. Nachdem er langsam meinen Arm losgelassen hatte und sich nochmal nervös übers Gesicht gefahren war, schaute er mich an und begann mit ruhiger Stimme zu sprechen.
„Hör zu, Lily, ich dachte wirklich nicht, dass das eine Einladung zu einem Date war. Verdammt, du hast mich jahrelang gehasst und wir sind eben erst Freunde geworden, wie hätte ich denn mit sowas rechnen sollen?
Ich hab die Hoffnung auf ein Date mit dir längst aufgegeben gehabt ... Aber als diese tolle Freundschaft oder was es war, begann zu entstehen, wollte ich das auf keinen Fall wieder verlieren.
Es war vielleicht nicht so gut, wie dich mein Mädchen nennen zu können, aber es war wenigstens Etwas. Und ich mochte das."
Er legte eine kurze Pause ein, die ich für einen weiteren Kommentar nutzte.
Was er da erzählte klang sehr ... süß, doch was hatte all das mit Holly zu tun?
Warum hatte er etwas mit ihr angefangen, wenn er doch die Nähe zu mir so sehr gemocht hatte, wenn ich das richtig verstanden hatte?
„Und warum dann Holly und nicht ich?"
Ich konnte es nicht verhindern, meine Stimme klang völlig gekränkt.
James lächelte traurig.
„Na ja, weil ich dachte, ich würde deine hart erkämpfte Freundschaft verlieren, wenn ich dir zu Nahe kommen würde. Das wäre aber unvermeidbar für mich gewesen ... ich hätte mich sofort Hals über Kopf wieder in dich verliebt. Und so gemein das klingt ... es musste eine Ablenkung her. Außerdem dachte ich, dass dir das alles vielleicht leichter fällt, wenn du sicher weißt, dass ich nicht auf dich stehe."
Er lachte humorlos auf.
„Ich wollte, dass du denkst ich bin in Holly verliebt. Damit du keine Angst vor meiner freundschaftlichen Nähe hast. Damit du nicht denkst, ich nutze diese Freundschaft aus, um an mehr zu kommen. Ziemlich bescheuert, was?"
Seine großen Augen suchten entschuldigend meinen Blick.
Ich erwiderte den Blickkontakt fassungslos.
„Zu deiner Verteidigung", sagte ich schließlich langsam, „Holly hat sich dir auch wirklich sehr an den Hals geworfen."
Wir tauschten ein zögerliches Lächeln.
„Ja, nicht wahr? Sie schwafelte etwas von den ‚guten alten Zeiten' und dass sie mich vermisste."
Oh, ja, da gab es ja noch etwas, das er mir erklären musste.
„Warst du in sie verliebt? Sirius hat mir gesagt, dass sie Schluss gemacht hat und nicht du", platzte es einfach so aus mir heraus.
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich jegliche Schutzmauern fallen gelassen hatte.
Ich hatte kein einziges Mal abgestritten, dass ich wirklich auf ein Date mit ihm hatte gehen wollen.
„Ich ... fand Holly auf jeden Fall attraktiv. Aber anscheinend war ich in der Zeit, in der ich mit ihr gegangen bin, ständig woanders mit dem Kopf. Holly hat diese Aufmerksamkeit nicht gereicht, also hat sie den Schlussstrich gezogen."
Meine Augen waren ungewollt zu seinen Lippen gewandert.
„Wo warst du denn mit dem Kopf?", fragte ich flüsternd.
James hob meinen Kopf mit den Fingerspitzen an, wie er es so oft machte.
Automatisch richtete mein Blick sich wieder auf seine Augen.
„Bei dir, immer bei dir."
Ich grinste zu ihm hoch. „Ist das ein ‚Ja' zu meiner Date-Anfrage?"
Er lächelte zurück. „Steht die denn noch, nachdem ich mich wie ein Idiot verhalten habe?"
Mein Grinsen wurde noch eine Spur teuflischer. „Nur, wenn du jetzt zurückgehst, und Holly ganz fies das Herz brichst."

Uuund das war's für heute.
Hehe.
Ich hoffe, ihr seid jetzt alle glücklich.
Wir sehen uns dann nächsten Donnerstag!
Byyye🍍
Karla

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt