Kapitel 88

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„Du. Bist. Eine. Miese. Schlange!"
Ich quietschte auf, als James mich nach jedem seiner Worte ein Mal in die Seite pikste.
„Hör auf!", prustete ich. „Es war alles Sirius' Idee!"
„Du hast meine Haare auf Snape-Niveau gesetzt!", empörte sich James, der nicht mal daran dachte, auf mich zu hören, sondern einfach beide Arme um mich schlang und mich gnadenlos festhielt, während er mich weiter durchkitzelte.
„Hööör auuuf", wimmerte ich erstickt zwischen zwei Lachanfällen.
Mir liefen schon Tränen die Wangen hinunter und ich musste unter größter Anstrengung nach Luft ringen.
„Dann gib zu, dass du meine Haare unfassbar toll findest!"
„Niemals!"
Eine weitere Attacke auf meinen Bauch. Ich krümmte mich vor Lachen.
„Sag es!"
„Du hast Haare, wie Igel Stachel haben", prustete ich, was aber gleich in ein Kreischen überging, als James mich in die Seite kniff. 
Gnadenlos kniff und pikste er mich, bis ich nur noch unter größter Anstrengung nach Luft schnappen konnte.

Irgendwann musste ich aufgrund von Sauerstoffmangel aufgeben.
„Okay, okay, ich vergöttere deine Haare und würde am liebsten die ganze Zeit hindurchwuscheln. Zufrieden?"
Abrupt ließ James von mir ab. „Zufrieden."
Ich konnte sein selbstgefälliges Grinsen geradezu hören.
Erschöpft ließ ich mich auf die Couch in unserem Gemeinschaftsraum plumpsen.
Lachen war wirklich anstrengend.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass man davon Bauchmuskeln bekam.
Grinsend ließ James sich am Rand des Sofas nieder.
„Das war wirklich gemein von euch."
„Ach komm schon. Das war harmlos. Du verträgst es nur nicht, wenn jemand dein Ego verletzt. Das übrigens die Ausmaße des Universums hat."

Statt zu protestieren, stürzte James sich auf mich und startete eine weitere Kitzelattacke.
Lachend rollte ich mich hin und her, bis ich plötzlich keine Polster mehr unter mir hatte und mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel.
Verdutzt starrte ich an die Decke, bis James' Kopf über mir erschien.
„Alles gut da unten?", feixte er, überaus selbstzufrieden. „Du liegst mir wortwörtlich zu Füßen!"
Wir schauten uns einen kurzen Moment lang an, bis uns beiden bewusst wurde, wie bescheuert unsere Situation aussehen musste.
Ich fing an zu lachen, und bald stieg James mit ein.
Es tat so gut, sich mal wieder rundum glücklich zu fühlen, nach dem die letzten Monate eine Qual gewesen waren.
Ich genoss den Augenblick zutiefst, und wollte gerade wieder zu James aufs Sofa klettern, um meinerseits eine Kitzelattacke zu starten, als mir plötzlich ein Briefumschlag auffiel, der wohl schon die ganze Zeit auf dem Couchtisch gelegen haben musste.

Neugierig griff ich danach.
Mein Blick fiel auf den Absender: Petunia Evans.
Mir klappte die Kinnlade hinunter.
Meine Schwester schrieb mir? Und das aus eigenen Stücken?
„Was ist los?"
James legte die Arme von hinten um mich und lugte über meine Schulter.
In einer anderen Situation hätte ich jetzt eine Gänsehaut und Herzrasen bekommen, und all meine Aufmerksamkeit hätte sich vermutlich auf James warme Brust an meinem Rücken gelegt, doch so konnte ich nur an Petunia und ihr Anliegen denken.
Wortlos zeigte ich James den Umschlag.
Er seufzte.
„Muss diese blöde Kuh uns immer den Moment zerstören?", murrte er, wobei er seine Arme von mir löste und stattdessen neben mich rutschte.
Ich zuckte hilflos mit den Achseln.
„Mach ihn auf", forderte James mich sanft auf. „Es kann ja nichts Schlimmes sein. Und wenn doch, bin ich ja da."
Er lächelte mich beruhigend an.
Ich holte tief Luft, und nickte dann.
Mit einem letzten beunruhigten Blick zu James, den er mit einem zuversichtlichen Nicken erwiderte, riss ich den Umschlag auf.
Vorsichtig schüttelte ich den darin enthaltenen Brief heraus und begann zu lesen.

Lily,
Vernon und ich möchten dich wie besprochen zu einem Treffen in der alten Pizzeria einladen. Es steht dir frei, deinen Begleiter mitzubringen.
Wie wäre es zwei Tage nach dem Weihnachtsmorgen, am 27. Dezember?
Gib Bescheid, wenn dir der Termin passt.
Petunia

Ich schnaubte.
„War ja klar, dass sie mehr nicht zusammenbringt! Nicht mal für ein ‚liebe Lily' hat es gereicht! Und ‚es steht mir frei, meinen Begleiter mitzubringen'! Als ob ich mir verbieten lassen würde, dich mitzunehmen! Und als ob sie sich nicht an deinen Namen erinnern könnte!"
Wütend warf ich den Brief wieder auf den Tisch und warf mich mit verschränkten Armen zurück in die weiche Umarmung der Sofakissen.

„Beruhige dich, Lily. Immerhin hat sie es geschafft, dich einzuladen."
James stand auf und faltete den zerknüllten Zettel wieder ordentlich auseinander.
Er schaute mich an. „Du wirst hingehen, nicht wahr?"
Ich stöhnte auf und rollte mich herum, um mein Gesicht in den Kissen zu verbergen.
Leider hatte James recht.
Natürlich würde ich Petunias Einladung nicht abschlagen.
Und leider nicht nur aus dem Grund, dass ich eine gratis Pizza niemals ablehnen würde, sondern vielmehr, weil ich weiterhin hoffte, Petunias und mein Verhältnis wieder geradebiegen zu können.

„Lils?"
Warme Hände legten sich auf meine Schultern.
James drehte mich sanft, aber bestimmt wieder herum, sodass ich ihn ansehen musste.
„Natürlich gehe ich hin", grummelte ich missmutig.
„Das ist doch okay. Du brauchst nicht wütend auf dich selbst zu sein, nur weil du deine Schwester nicht aufgeben willst."
Ich zuckte hilflos mit den Schultern.
„Selbst wenn ich wollte, könnte ich es wahrscheinlich nicht", murmelte ich, den Blick auf den Boden gerichtet. „In unserer Kindheit waren Petunia und ich beste Freundinnen. Die Magie hat uns voneinander getrennt."
Ich verschwieg James, dass ich mich manchmal bei dem Wunsch ertappte, gar keine magischen Gene zu besitzen.
Dann hätte ich einfach normal sein können.
Ich wäre wie alle meine Grundschulfreunde auf die weiterführende Schule gegangen, Petunia und ich wären gemeinsam in die Pubertät gekommen und wären die besten Schwestern gewesen. Vielleicht hätte sie manchmal in meinem Zimmer übernachtet und dann hätten wir bis spät in die Nacht Eiscreme gegessen und über Jungs gekichert.
Stattdessen war ich nie da gewesen.
Ich hatte nichts mehr von Petunias Leben mitbekommen und ich wusste, dass sie sich von mir verlassen gefühlt hatte.
Zwar war es kindisch und albern von ihr, aus purem Neid den Kontakt zu mir abzubrechen, aber irgendwo konnte ich sie auch verstehen.

James unterbrach mit leiser Stimme meine Gedanken: „Soll ich dich begleiten?"
Hoffnungsvoll blickte ich zu ihm auf.
„Würdest du das tun?", fragte ich mit bittender Stimme.
Er nickte entschlossen, fast grimmig.
„Natürlich. Ich möchte dich ungern mit dem Walross und der Giraffe alleinlassen. Am Ende nimmst du ein qualvolles Ende, begraben unter den Speckmassen Vernons."
Ich lachte halbherzig, aber ich merkte selbst, dass es nicht echt klang.
„Vielleicht ist es dumm, aber ich vermisse Tunia wirklich."
Ich wusste nicht, woher dieser Satz kam, aber als ich es ausgesprochen hatte, fühlte ich mich erleichtert.
James nickte verständnisvoll. „Sie ist immer noch deine Schwester."
Ein kurzer Moment der Stille trat ein, in dem wir beide unseren Gedanken nachhingen.
Irgendwann stand James auf und klopfte sich den Staub von der Jeans.
Leise lächelnd hielt er mir die Hand hin.
„Führen wir unsere Tradition fort, dass du nach schlechten Nachrichten bei mir schläfst?"
Ich ergriff seine Hand und ließ mich auf die Füße ziehen.
„Liebend gern."
„Aber diesmal nimmst du deine eigene Decke mit."
„Deine ist aber viel weicher!", beschwerte ich mich.
„Da siehst du mal, wen die Hauselfen lieber mögen." James zwinkerte mir zu.
Ich streckte ihm die Zunge heraus. „Angeber."
„Deckendieb."
Mit einem kleinen Lächeln im Gesicht folgte ich James in sein Zimmer.
Es war wirklich schön jemanden zu haben, mit dem man vor lauter Lachen ab und zu den Ernst des Lebens vergessen konnte.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt