Kapitel 75

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Nachdem James Holly zurück in die Wüste -pardon, zu Loui, ihrem Ravenclaw, dem sie gleich nach James' höflichen (höflichen! Er hatte tatsächlich die Frechheit besessen, sie höflich zu korben!) Korb in die Arme gefallen war- geschickt hatte, verschwand er bestens gelaunt in seiner nächsten Unterrichtsstunde, die er leider nicht mit mir zusammen hatte.
Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, mir nochmal ein riesiges Lächeln zu schenken, bevor er ging.
Unnötig zu erwähnen, dass ebendieses Lächeln mein Herz Purzelbäume schlagen ließ.
Vielleicht waren Jungs ja doch nicht ganz so scheiße.
Auch wenn sie manchmal eeeetwas schwer von Begriff sein konnten.
So schrecklich der Tag angefangen hatte, so wundervoll ging er jetzt weiter: Nach James' und meinem, zugegebenermaßen etwas hitzigem Gespräch und seinem Korb an Holly hatten die Leute endlich aufgehört über mich zu reden und so war ich nervlich wieder dazu in der Lage, Berichterstattung bei meinen Freundinnen zu machen.
Wie zu erwarten rasteten alle drei total aus.
Eine Weile lang füllte unser lautes Gekreisch jegliche Gänge Hogwarts', bis Marlenes' Kommentar „Aber so süß wie Hugo und ich werdet ihr trotzdem nicht" unseren Enthusiasmus etwas dämpfte.
Marys zweifelnder Seitenblick schien sehr an Marlenes Ego zu nagen.
„Was? Ich mein ja nur."
„Fang jetzt bloß nicht an, über seine verdammten Bauchmuskeln zu reden", warnte Dorcas. „Ich glaube ja immer noch, dass du halluzinierst, ich zweifle nämlich sehr an deren Existenz."
Dass James' Bauchmuskeln existierten, stand außer Frage.
Wie ich aus Erfahrung wusste.
„Merlin", murmelte ich. „Also irgendwie ist das alles noch nicht so ganz bei mir angekommen."
„Glaub mir, Lils, so geht es der ganzen Schule."
„Jep. Immerhin hast du letztens noch Hasslisten über ihn geführt."
„Und einige shippen ihn weiterhin mit Holly."
Mary rümpfte bei dieser Vorstellung angewidert die Nase. „Was gäbe das allein für einen Shipname? Hames? Oder noch besser... Jolly?!"
Wir prusteten los.
Als ich noch einen draufsetzte und berichtete, dass James' Hauselfe genau den gleichen Namen wie seine Ex trug, konnten wir uns nicht mehr halten.

Total hibbelig wartete ich am Abend in der Schulsprecherwohnung auf James.
Ich konnte es kaum erwarten, dass er durch das Porträt hereingeklettert kommen würde, gleichzeitig hatte ich aber auch Angst davor.
Zwar hatte James irgendwie deutlich gemacht, dass er noch an mir interessiert war, aber das konnte die Erlebnisse und Gedanken der letzten Wochen dennoch nicht so einfach aus meinem Gehirn verschwinden lassen.
Was, wenn wir zusammenkommen würden, und er dann merkte, dass es doch nichts war? Dass sich das jahrelange Warten nicht gelohnt hatte?
Dass die echte Lily nicht so gut war wie die in den Szenarien, die er sich all die Jahre lang ausgemalt hatte?
Es war nun mal ein Fakt, dass ich ziemlich unerfahren in Sachen Beziehungen war.
Und ... ich hatte Angst.
Angst, von James verletzt zu werden, ihn zu verlieren.
Damit würde ich nicht fertigwerden, nicht, nach dem Tod meiner Eltern, nach dem endgültigen Bruch zwischen Petunia und mir.
Die Gedanken fraßen sich immer weiter durch meinen Körper, bis sie mein Herz mit einer eisigen Hand umschlossen.
Plötzlich freute ich mich gar nicht mehr so sehr darauf, James wiederzusehen.
Stattdessen wollte ich, dass er nicht mehr herkam.
Dass er bei Sirius schlief.
Egal wo, solange sein Weg nicht hierherführte.
Ich ließ mich auf das Sofa fallen und kugelte mich fest zusammen, die Knie an die Brust gezogen.
Vorhin war es mir so leichtgefallen, James zu verzeihen.
Doch die Wahrheit war, dass ich mich seit Snapes' Worten im Zaubertrankunterricht irgendwie ... wertlos gefühlt hatte.
Und James' Verhalten hatte nicht unbedingt zur Besserung dessen beigetragen.
Konnte ich das tatsächlich so leicht vergessen?
Konnte ich ihm vertrauen?
Konnte ich glauben, dass er mich nicht fallenlassen würde, sobald ich ihm gegeben hatte, was er wollte?
Konnte ich das?
Ich starrte auf meine eigenen kleinen Hände und musste mir eingestehen, dass ich die Antwort nicht wusste.

Ich war so sehr in Gedanken versunken gewesen, dass ich James' Eintreten verpasst hatte und ihn erst bemerkte, als er vor mir auf dem Boden niederkniete.
Da war er wieder, der besorgte Ausdruck in seinem Gesicht.
„Krümel? Alles okay?"
Kurz überlegte ich, die typische „Ich hab meine Tage, lass mich"-Ausrede zu bringen (ehrlich, die funktionierte immer), doch ich verwarf den Gedanken wieder.
Also schüttelte ich nur kurz den Kopf, bevor ich hilflos mit den Schultern zuckte.
„Was ist denn los? Ist dir das mit dem Date doch zu viel? Du musst nicht ..."
James wurde sofort panisch.
„Nein, nein, das ist es nicht", beruhigte ich ihn schwach.
Vor lauter Erleichterung plumpste er rückwärts auf seinen Hintern. In der Position blieb er sitzen, streckte jedoch vorsichtig den Arm aus, um mir sanft über die Haare zu streichen.
Ich konnte es nicht verhindern, ich zuckte zusammen.
Das brachte mir ein Stirnrunzeln von James ein, doch er nahm seine Hand nicht weg.
Ich wusste nicht, ob ich froh darüber war oder nicht.
„Was ist es denn dann?"
Ein kleiner Teil von mir wollte James gerne alles sofort gestehen und die Ängste loswerden, ein anderer Teil, und dieser war viel größer, hatte Angst vor seiner Reaktion.
Das kannst du ihm auch noch wann anders erzählen, flüsterte mein Unterbewusstsein mir zu, jetzt genießen wir erstmal, dass er Holly in die Wüste geschickt hat.
Also setzte ich ein tapferes Lächeln auf und schaute James direkt ins Gesicht, um meine folgende Aussage glaubwürdiger zu machen.
„Nichts, ich habe nur ein bisschen nachgedacht ... über meine Eltern ... und so."
Ganz gelogen war das nicht.
Zwar ließ ich einen Großteil der Wahrheit weg, aber ich log nicht.
Und es erzielte seinen gewünschten Effekt: James ließ mich mit dem Thema in Ruhe und bot stattdessen an, heute auf dem Rundgang einen kleinen Abstecher ins Bad zu machen.
„Mit heißer Schokolade und ganz viel Weihnachtsdeko?", fragte ich mit leuchtenden Augen.
Solange ich meine Gedanken ausblenden konnte, freute ich mich wirklich auf einen Abend mit James zusammen.
Dieser erhob sich vom Boden und grinste frech auf mich hinunter.
„Der Rumtreiber machts möglich."
Ich verdrehte die Augen. „Angeber."
Dennoch ergriff ich James' Hände, die er mir, ganz der Gentleman, reichte, um mir beim Aufstehen zu helfen.
Mit Schwung wurde ich nach oben gezogen, so schnell, dass mir ein erschrockenes Quieken entwich.
„Na los, Krümel, pack deinen roten Bikini ein und los geht's."
„Das hört sich total falsch an", grummelte ich, den Kopf beschämt gesenkt.
James kicherte. „Ich weiß! Ich liebe es einfach, wenn du rot wirst."
Das brachte ihm einen kräftigen Schlag gegen den Oberarm ein.
Immer noch hochrot im Gesicht, stolzierte ich in mein Zimmer, während James mir hinterherrief: "Ich kann dich bis hierher leuchten sehen!"
"Pass auf, sonst leuchtest du gleich wirklich!", gab ich halbherzig über die Schulter zurück. 
"Oh, jetzt hab ich aber Angst." 
"Evans machts möglich." Ich warf schmunzelnd mein langes Haar zurück. 
"Angeberin!"

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt