Kapitel 86

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Den komplett überforderten Remus allein zurücklassend, spazierten Marlene, Mary und ich nach diesem äußerst merkwürdigen Gespräch aus der Großen Halle.
„Oh Merlin, wenn Remus wüsste, dass er Dorcas gerade mit Lilys Pickel verkuppeln wollte!", murmelte Marlene kopfschüttelnd.
Sie wischte sich eine einzelne Lachträne von der Wange.
„Wir sollten morgens immer irgendwen verarschen, das tut unfassbar gut. Langsam kann ich die Rumtreiber echt verstehen, das ist einfach der perfekte Start in den Tag! Noch besser, als knutschen mit Hugo."
Mary und ich verzogen unisono unsere Gesichter.
Wie so oft ignorierte Marlene uns einfach, und plapperte munter weiter.
„Apropos, wo steckt mein schnuckeliger Freund überhaupt? Wenn ihr mich entschuldigt, ich suche ihn mal."
Fröhlich winkend verschwand sie mit beschwingten Schritten in Richtung des Ravenclawturms.
Mit angeekelt verzogenen Mund starrte Mary ihr hinterher. „Die beiden sind schon über ein Jahr zusammen und verhalten sich immer noch wie frisch verliebt! Das ist einfach nur eklig", beschwerte sie sich.
„Stichwort frisch verliebt..."
Ich warf Mary einen vielsagenden Blick zu. „Hast du mir was zu erzählen, Madame?"
Mary seufzte.
Plötzlich waren alle Spuren des Lachanfalls von eben aus ihrem Gesicht verschwunden. Erstaunt stellte ich fest, dass sie fast traurig aussah.
Das gehörte sich doch eigentlich nicht fürs Verliebtsein, oder?

„Können wir bitte noch nicht darüber reden?", bat Mary.
Resigniert fuhr sie sich mit den Händen übers Gesicht. „Das ist alles noch so neu und ungewohnt und ich möchte mir erst klar über meine Gefühle werden."
Ich nickte verständnisvoll und schlang im Gehen einen Arm um ihre Schulter.
„Klar, lass dir so viel Zeit, wie du willst. Aber du weißt, dass ich immer für dich da bin, okay? Und es tut mir wirklich leid, dass mir das nicht eher aufgefallen ist", fügte ich zerknirscht hinzu.
Mary winkte ab. „Kein Sorge, du warst mit dir selbst beschäftigt und hattest weiß Gott eigene Probleme. Außerdem wissen Marlene und Dorcas das auch nur, weil mir im Schlafsaal mal was rausgerutscht ist."
Sie verdrehte die Augen, lächelte aber dabei.
Kurz versetzte mir der Gedanke an meine besten Freundinnen, die ohne mich tolle Mädelsabende verbrachten, einen Stich, aber dann dachte ich an James und mir wurde warm ums Herz.
Natürlich würde ich ihn nie über meine Mädchen stellen, doch es war auch schön, mal etwas Zweisamkeit zu haben, und da traf es sich gut, dass wir uns eine Wohnung teilten.
Ganz ehrlich?
Langsam hatte ich den Verdacht, dass Dumbledore die Schulsprecher dieses Jahr nicht ganz zufällig ausgewählt hatte.

Mary unterbrach meinen Gedankengang, indem sie ankündigte, dass sie Dorcas suchen gehen würde.
„Bestimmt verdrückt sie in der Küche haufenweise Kuchen und regt sich über jegliche Pärchen dieser Welt auf." Mary drehte sich im Gehen nochmal zu mir und verdrehte die Augen. „Wenn du mich fragst, hat sie auch Liebeskummer."
Ich wollte gerade fragen, wieso sie denn „auch" Liebeskummer hatte, doch Mary hatte sich bereits umgedreht und verschwand schnellen Schrittes.
Kopfschüttelnd blieb ich einsam und verlassen stehen.
Heute Morgen war definitiv schon zu viel geschehen.
Dabei hatten wir Sonntag und lagen sonst um diese Uhrzeit locker noch in den Betten!
Doch es sollte sogar noch besser kommen: Plötzlich tauchte nämlich Sirius am oberen Ende der Treppe, die vor den Flügeltüren zur Großen Halle endete, auf.

Hilfesuchend sah ich mich nach einem Versteck um, aber es war schon zu spät: Sirius hatte mich entdeckt.
Für einen kurzen Moment starrten wir uns nur an, dann stieß er einen – sehr männlichen- Schrei aus und stürzte die letzten Stufen zu mir hinunter.
„LILY EVANS, DU BIST TATSÄCHLICH JAMES POTTERS CHARME EINER NACKTSCHNECKE ERLEGEN!", grölte er, bevor er mich von den Füßen riss und im Kreis herumwirbelte.
Ein kleiner Teil von mir war erleichtert, dass es doch nicht, wie ich befürchtet hatte, um Motorräder ging, ein anderer Teil wunderte sich, wie zum Henker Sirius so schnell von der Nachricht, dass James und ich jetzt so richtig zusammen waren, erfahren hatte.
So weit ich wusste, war James gestern nach unserem Ausflug lediglich noch kurz im Bad verschwunden, mit einem kleinen Handspiegel im Gepäck, um seine Haare zu richten oder so.
Danach waren wir gleich Arm in Arm eingeschlafen.

„Ähm, ja", brachte ich, an Sirius Hals gequetscht, undeutlich hervor. „Würdest du mich jetzt bitte dem Erdboden zurückgeben? Sonst heißt es demnächst noch, ich würde James mit seinem besten Freund betrügen."
Widerstreben setzte Sirius mich wieder ab.
„Nun ja, dann würdest du wenigstens Geschmack beweisen."
Er bedachte mich mit einem Blick, von dem er wohl dachte, er wäre sexy und verführerisch.
Eigentlich sah es jedoch einfach nur so aus, als hätte er Zuckungen im Gesicht.
Trotzdem hörte ich hinter mir einige Mädchen theatralisch seufzen.
„Tut mir leid, ich stehe zwar auf schwarze Haare, mag sie aber ein bisschen zerzauster", gab ich lachend zurück.
Sirius' graue Augen leuchteten begeistert auf. Er legte einen Arm um meine Schulter und schob mich wieder in die Große Halle hinein, ohne auf meine Proteste, dass ich bereits gefrühstückt hatte, zu achten.
„Sei still, Lily. Denn genau auf das Thema Haare wollte ich gerade hinaus!"
Unwillkürlich musste ich an einen von Marlenes Vorträgen denken, bei denen es nicht selten um Haare ging.
Ich warf Sirius einen misstrauischen Blick zu.
„Wie meinst du das?", fragte ich langsam nach.
„Das erklär ich dir gleich. Aber zuerst muss ich mindestens zwei Stück Torte intus haben."
Ohne weitere Erklärungen drückte Sirius mich auf die Bank und ließ sich neben mir nieder. Schweigend schaute ich ihm dabei zu, wie er haufenweise Sahne und Schokolade in sich hineinschaufelte.
Dabei überlegte ich, ob ich nicht besser einfach weglaufen sollte. Immerhin war Sirius mal mit Marlene zusammen gewesen und ich war nicht sicher, ob ich wissen wollte, wie so ein haariges Gespräch bei Sirius aussah.
Letztendlich siegte allerdings wie so oft die Neugier, also wartete ich geduldig, bis Sirius genug Kalorien für den ganzen Monat zu sich genommen hatte.

„Also", begann er schließlich schmatzend, doch ich gebot ihm sofort Einhalt.
„Nicht mit vollem Mund! Du spuckst mich noch komplett voll."
Sirius verdrehte die Augen, und ich war ziemlich sicher, dass er in diesem Moment gerne etwas wie „Oberspießerin" oder „Streberin" gesagt hätte, allerdings hielt er sich überraschenderweise an meine Worte.
Kaum hatte er jedoch ordentlich runtergeschluckt, purzelten die Sätze nur so aus ihm heraus: „Lily Evans, jetzt, wo du deinen Hass auf James und somit auch auf die Rumtreiber offiziell aufgegeben hast, möchte ich dich zu meiner besten Freundin erheben. Aus dem einfachen Grund, dass du mit meinem besten Freund zusammen bist und ich es nicht ertragen könnte, wenn er dich über mich stellt. Falls er das jemals tun sollte, stelle ich dich einfach auch über ihn, weil du nämlich jetzt, wie ich eben sagte, meine beste Freundin bist."
Ich riss gespielt gerührt die Augen auf. „Sirius! Wie süß du doch bist, dass du mich zugunsten deines eigenen Egos zu deiner besten Freundin machst!"
Ich rollte mit den Augen und rammte ihm meinen Ellenbogen in die Seite.
Insgeheim freute ich mich aber wirklich über diese Aussage.
Es gab bestimmt weniger amüsante Dinge, als Sirius Blacks beste Freundin zu sein.
Mein selbsternannter bester Freund grinste mich zufrieden an. „Oder? Ich bin supersüß. Aber nun zu meinem Plan: Um meine beste Freundin zu werden, musst du zuallererst einen Test bestehen."
Na, das war aber ein wenig zu viel verlangt.
Ich hatte immerhin nicht auf Knien darum gebeten, diesen Posten zu bekommen.
Argwöhnisch verschränkte ich die Arme vor der Brust.
„Das soll heißen?"
Wieder dieses breite, teuflische Grinsen.
„Wir werden James verarschen!"

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt