Kapitel 3

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Wie sich herausstellte, hatte Sirius meine Unterkunft in der Winkelgasse gekündigt, um stattdessen die Potters zu fragen, ob ich für den Rest der Ferien bei ihnen bleiben durfte.
Leider, leider waren die Eltern des arroganten Idioten unglaublich liebenswürdig, und hatten mich mit offenen Armen empfangen.
So kam es, dass ich nun a) mein eigenes Zimmer, b) mein eigenes Bad, und c) eine Hauselfe zur Freundin hatte. Ach ja, und nicht zu vergessen Punkt d: Ich saß frisch geduscht und mit den Nerven schon wieder völlig am Ende eingekeilt zwischen Potter und Black am riesigen Esstisch der Potters.
Und damit fing der ganze Schlamassel erst an.

„Jetzt erzähl doch mal Sirius", bat Mrs Potter, oder „Effie", wie sie mir angeboten hatte („Eigentlich heiße ich Euphemia, aber das ist viel zu lang und schrecklich, findest du nicht auch? Deine Eltern haben mit diesem hübschen kurzen Namen jedenfalls alles richtig gemacht..." Ich bin mir sicher, dass sie noch weitergeredet hätte, wenn Fleamont sie nicht liebevoll darauf hingewiesen hätte, dass ich neu hier war und noch nicht an ihren Redefluss gewöhnt), „Wie hast du Lily dazu gebracht, freiwillig zu diesen ganzen Chaoten zu kommen?"
Sie zwinkerte mir zu, beugte sich über den Tisch und flüsterte mir verschwörerisch zu: „Ich bin manchmal schon etwas einsam zwischen all den dämlichen Vertretern der männlichen Art hier. Ein Glück, dass du jetzt da bist, Lily."
Ich kam nicht umhin, ein wenig zu grinsen, obwohl mir die Situation sehr unangenehm war.
Schließlich war ich gerade, um Effie zu zitieren, zwischen den zwei dämlichsten Vertretern der männlichen Art überhaupt eingequetscht.
Black räusperte sich. Er warf mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem Wehe- du -erzählst – die- Wahrheit- Blick erwiderte.
„Ahm, also, ich wusste, dass Lilys Familie in den letzten zwei Wochen nach ... Griechenland fliegen wollte, aber Lily hat eine echt ausgeprägte Flugangst, und deswegen wollte sie um keinen Preis mit in dieses Flugzeug steigen. Alle ihre Freundinnen sind verreist, also dachte ich mir, ihr bleibt keine andere Wahl, als zu uns zu kommen."
Erleichtert nickte ich zu seiner Geschichte, als Fleamont und Effie mich fragend ansahen.
„Flugangst, na sowas", wunderte sich Potters Vater mit seiner angenehmen, tiefen Stimme. „Da bist du bei unseren zwei Jungs aber an der falschen Adresse. Bei denen muss man ja täglich Angst haben, dass sie sich auf ihren Besen was brechen!"
Effie und er lachten, aber ich konnte den Stolz in ihren Augen sehen.
Unauffällig betrachtete ich Sirius von der Seite. Er schien von der Familie voll und ganz akzeptiert worden zu sein.
Ich ertappte mich dabei, wie ich mir eine ähnliche Familie wünschte.
„Also, ich bin froh über Lilys Flugangst", verkündete Effie und lächelte mich warm an. „So lerne ich dich endlich mal kennen. Es vergehen ja keine Ferien, in denen James uns nicht von der klugen rothaarigen Hexe vorschwärmt."
Abrupt drehte ich den Kopf und starrte Potter an.
„Mum!", rief dieser, knallrot im Gesicht. Er fixierte konzentriert sein Abendessen.
„Tut mir leid, Liebes, aber deine Schwärmerei wird Lily ja sowieso nicht entgangen sein", lächelte seine Mutter.
„Nein", stimmte ich leise zu. Allerdings hatte ich gedacht, er wäre nur so besessen von mir, weil er mich eben nicht haben konnte.
So wie er beim Quidditch umso verbissener um den Sieg kämpfte, je unerreichbarer das Ziel schien. Eigentlich hatte ich nie ernsthaft in Betracht gezogen, dass Obermacho- Ich- bin- ja- so- toll- Potter wirklich in mich verknallt sein könnte.
Denn wer war ich schon? Eine kleine, muggelstämmige Streberin, die die Nase immer nur in ihren Büchern hatte. Ich war ja nicht mal cool genug, um zu seinen Quidditchpartys zu kommen.
Eher im Gegenteil, ich löste diese Partys immer wieder auf.
Mir fiel erst auf, dass ich Potter immer noch anstarrte, als dieser plötzlich den Blick hob und mir in die Augen schaute.
Ich schluckte und schaute schnell wieder auf meinen Teller. Seine Augen waren genauso haselnussbraun und warm wie die seiner Mutter.
Die anderen schienen nichts bemerkt zu haben. Fleamont war wie sein Sohn sehr interessiert an Quidditch, jedenfalls kam er sofort wieder auf das Thema zurück. Worüber ich insgeheim froh war.
„Heißt das, du fliegst gar nicht gerne, Lily? Auch nicht auf einem Besen? Wie verreist du denn dann?", fragte er neugierig.
„Also", begann ich zögernd. „Ich bin nicht gerne in der Höhe." Der Teil stimmte sogar, obwohl Black das wohl kaum gewusst hatte. „Aber ehrlich gesagt bin ich seit der ersten Klasse nicht mehr auf einem Besen geflogen."
„Ja, weil du damals immer höher gestiegen bist und Mme Hooch dich am Ende von der Spitze des Ostturms pflücken musste", prustete Potter in sein Glas. Es war ihm offensichtlich herausgerutscht, denn er guckte mich sofort erschrocken an.
Zu Recht, denn ich verpasste ihm einen ordentlichen Ellbogenstoß, direkt in die Rippen. Volltreffer! Er spuckte Orangensaft über den ganzen Tisch.
„James!", quietschte sein Mutter, eher belustigt als verärgert.
„Das war Lilys Schuld!", protestierte er. Alle anderen fingen an zu lachen, doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mich über die Verwendung meines Vornamens zu wundern.
„Man beleidigt eine Dame eben nicht", wies Effie ihren Sohn zurecht, während sie mit einem Schwung ihres Zauberstabs den Tisch wieder in Ordnung brachte.
„Und jetzt lass unseren Gast gefälligst ausreden."
Ich musste den Potters noch einige Verkehrsmittel der Muggel erklären, aber zu meiner eigenen Überraschung, störte es mich gar nicht, so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Die Potters hatten eine sehr liebenswürdige Art einen Gast zu empfangen, und bald fühlte ich mich gar nicht mehr so unwillkommen und beklommen, wie nach dem Streit mit meiner Schwester.
Und obwohl ich zwischen meinen beiden Erzfeinden saß, war ich sogar ein bisschen glücklich, dass Black mich hergebracht hatte.

Nachdem alle gegessen hatten, behielt Effie mich zum Abwasch in der Küche, worüber ich froh war, denn ich sah schon, dass die Jungs auf eine Erklärung für meinen Zusammenbruch warteten.
Ich war ihren Blicken stets ausgewichen, aber mir war klar, dass ich ihnen irgendwann von Petunia und mir erzählen musste. Auch wenn ich mir nicht sicher war, wie ich das machen sollte. Oder ob ich es wollte.
Nicht mal Marlene oder eine meiner anderen Freundinnen, wie zum Beispiel Mary MacDonald oder Dorcas Meadowes, wussten von meiner verschrobenen Schwester. Sie waren nie bei mir zu Besuch gewesen, und das, obwohl sie immerhin meine besten Freunde waren. Wie sollte ich mich dann zwei im Prinzip Fremden, die ich noch nicht mal ausstehen konnte, öffnen?
James' Mutter kümmerte das alles nicht. Sie war eine wunderbar unkomplizierte Person, und nachdem sie mir erklärt hatte, dass die Küchenarbeit eigentlich durch Zauberei oder Holly erledigt werden konnte, sie es aber trotzdem lieber selber machte, weil es sie beruhigte, schwiegen wir größtenteils.
Aber es war kein unangenehmes Schweigen. Wir genossen einfach die eintönige Bewegung unserer Hände und das sanfte Licht der Abendsonne, das durch die Glaswand fiel.
Wie konnte Potter bei einer solchen Sanftmut als Mutter nur zu so einem Angeber geworden sein?
Irgendwann fing Effie an zu summen. Es war ein Song von Celestina Warbeck, deren Musik ich eigentlich nicht sonderlich mochte.
Aber Effie hatte eine hübsche Stimme und sie klang dabei so zufrieden, dass ich bald einstimmte.
Wir kicherten beide kurz über mein schiefes Summen, bis die Arbeit schließlich erledigt war.
„Gute Nacht, Lily", wünschte Effie mir mit ihrem üblichen Lächeln.
Sie verschwand im unteren Stockwerk.
Ich machte mich, gut gelaunt und immer noch summend, auf zum Dachboden, wo das Gästezimmer lag. Bewundernd strich ich über das Geländer. Es war so schön hier. Der gute Geschmack kam zweifellos von Effie.
Endlich hatte ich den Dachboden erreicht. Zufrieden seufzend kletterte ich über die letzten Stufen, sah nach oben und wäre fast die Treppe heruntergefallen.
Man sollte meinen, ich hätte mich langsam daran gewöhnt, in diesem Haus von allen Seiten erschreckt zu werden, doch mich traf wieder fast der Schlag, als ich Potter lässig an der Tür zu meinem Zimmer lehnen sah.
Er war es auch, der mich vor einem Rückwärtssalto die Treppe hinunter bewahrte, indem er blitzschnell vorsprang und mich am Handgelenk packte (blöde Reflexe eines Quidditchspielers).
Ohne ein weiteres Wort zerrte er mich ins Gästezimmer, wo er mich abrupt losließ, sodass ich nach hinten kippte und weich auf einem Sofa landete.
Mit großen Augen starrte ich zu ihm hoch.
Er war echt riesig. Und er trug nur eine Schlafanzughose.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt