Kapitel 21

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Überraschenderweise waren Snape und ich ein recht gutes Team.
Nicht, dass wir uns durch die gemeinsame Arbeit näherkamen und Smalltalk führten oder so, doch wir arbeiteten stumm und schnell nebeneinanderher. Durch unser Schweigen konnte ich mich gut konzentrieren, und so waren wir bereits zehn Minuten vor den anderen fertig.
Slughorn verliebte sich natürlich quasi in unser Gebräu und ließ uns zur Belohnung früher gehen (es hatte auch Vorteile, seine Lieblingsschülerin zu sein).
Ich schickte Snape weg, und blieb zum Aufräumen zurück. Es machte mir nichts aus, den Kessel auszuwaschen und die Zutaten wegzuräumen, Hauptsache ich war seine unangenehme Anwesenheit los.
Ich füllte ein Fläschchen des Tranks ab, um es Slughorn zur Begutachtung auf das Pult zu stellen, den restlichen Trank entleerte ich. Allerdings nicht ohne vorher einen kleinen Schluck genommen zu haben – natürlich nur, als keiner hinsah.
Vielleicht würde dieser Tag doch nicht so schlecht werden.

„Lily, was zur Hölle hast du genommen? Du bist nie so fröhlich, wenn es Spinat zum Abendessen gibt", bemerkte Marlene am Abend stirnrunzelnd, während sie verstört die grüne Pampe auf meinem Teller musterte, die ich gerade glücklich in mich hineinschaufelte.
„Bei Merlins Kochlöffel, egal was es ist, ich will auch davon", grummelte Dorcas, die selbst angewidert in ihrer Portion herumstocherte. „Von diesem Kaninchenfutter wird doch keiner satt!"
„Ich weiß gar nicht was ihr alle habt. Das Zeug ist göttlich", murmelte Mary abwesend. Sie hatte bereits ihren dritten Teller.
„Du bist so seltsam. Spinat hat die Konsistenz von Babybrei mit einem Hauch von Kotze", sagte Marlene. Dorcas nickte heftig.
Ich strahlte die anderen an. „Oh Leudies, ich hab euch lieb!"
„Jetzt reicht's." Marlene ließ ihren Löffel sinken. „Lily, du sagst nie „Leudies". Heiliger Kürbiskuchen, du gehörst zu den Leuten, die andere mit Wörterbüchern schlagen, wenn sie „nämlich" mit h schreiben! Mal ehrlich, was hast du zu dir genommen?"
„Ich weiß nicht was du meinst", summte ich leise, und freute mich über die kleinen Blasen, die meine Spinatsuppe warf.
„Erzähl mir nichts", schnaubte Marls, „du-" Sie wurde jäh von einem hochgewachsenen, seeeehr hübschen Jungen unterbrochen.
Natürlich James Potter. Himmel, der sah ja heute super aus. Nur etwas schlecht gelaunt. Das konnte ich nicht nachvollziehen, wo heute doch so ein fantastischer Tag war...
„Marlene", sagte James, mit einem knappen Nicken in die Runde. Ich lächelte ihn strahlend an, was er nur mit einem Zusammenziehen der Augenbrauen quittierte.
„Hey, James", grinste Marlene. „Was gibt's?"
„Auswahlspiele. Willst du dieses Jahr wieder ins Team?"
Marlenes Augen begannen zu leuchten. Wie süß, dass sie sich so freute.
„Wenn du mich dabeihaben willst, gerne!"
„Sehr gut. Ich würde sie dann für diesen Samstag um 18 Uhr..."
„Hey, Moment, ich will auch kommen!", unterbrach ich James mit einem erfreuten Lachen, denn mir war soeben etwas Wichtiges eingefallen. Hach, ich hatte ja so ein unglaubliches Gehirn.
James drehte den Kopf ruckartig in meine Richtung, vermied es aber, mich anzusehen. Was hatte er denn? Regnete es etwa? Oh, das wäre toll, dann könnten wir durch Pfützen springen ... Himmel, diese gute Laune war einfach perfekt...
Mary verschluckte sich heftig an einem Löffel grüner Pampe, und während Dorcas ihr kräftig auf den Rücken klopfte, konnte sie ihren entsetzten Blick nicht von mir lösen.
„Quidditch?! Lily?! Bist du von allen guten Geistern verlassen?"
„Nein, nur von den schlechten", kicherte ich. „Und ja, ich will da hin. Weißt du nicht mehr, James, ich will doch Treiberin werden und Sirius vermöbeln!"
Mit kindlicher Begeisterung strahlte ich zu ihm hoch. Er verzog keine Miene. Dann wandte er sich langsam wieder Marlene zu. „Was habt ihr ihr gegeben?", raunte er ihr leise zu, doch ich konnte es dennoch allzu gut verstehen.
„Ich hab keine Ahnung", antwortete Marlene schulterzuckend. „Sie ist schon seit heute Morgen so."
„Genauer gesagt seit Zaubertränke", warf Dorcas ein, die Mary gerade ein Taschentuch reichte, da sie sich während ihres Hustenanfalls über und über mit grünen Punkten besprenkelt hatte. „Ich wäre ja nicht so gut drauf, wenn ich mit Snape zusammenarbeiten müsste..."
James' Gesichtsausdruck wurde noch finsterer. Er drehte sich vollends zu Marlene, sodass ich nur noch sein Profil sehen konnte.
Was mich aber nicht störte, denn er hatte ein sehr schönes Profil mit seiner geraden Nase und den vollen Lippen.
„Wie gesagt, komm dann am Samstagabend einfach runter auf die Quidditchfelder", beendete er seinen Vortrag.
„Bin ich jetzt dabei?", wollte ich aufgeregt wissen.
James schenkte mir einen flüchtigen Blick. „Du hast Spinat an der Wange. Also nein."
Mit diesen Worten schlenderte er lässig davon.
Eifrig griff ich nach einer Serviette und wischte mir übers Gesicht.
„Ist da noch Spinat?", fragte ich meine Freundinnen.
„Nein", sagte Mary, die knallrot im Gesicht war.
„Meint ihr, ich bin jetzt dabei?"
„Nein."

„Awww, hallo mein Baby", begrüßte ich Ve enthusiastisch, sobald ich durch das Portraitloch in James' und meinen Gemeinschaftsraum geklettert war.
„Naaa, wie geht's uns?", fragte ich sie, während ich sie hochhob und durchknuddelte.
Ve miaute protestierend, bevor sie mir erstmal ihre Krallen in die Brust rammte und sich dann zappelnd befreite.
„Was habt ihr denn alle heute für schlechte Laune?", beschwerte ich mich, musste aber dennoch schmunzeln.
Laut klagend stolzierte Ve in die Richtung ihres Futternapfs, den ich heute Morgen noch in aller Eile aufgefüllt hatte.
„Du kleiner Vielfraß. Hast du wohl schon wieder Hunger? Aber ich kann dich verstehen, mich hat meine Spinatportion auch nicht wirklich gesättigt."
Der Gedanke an die glibbernde grüne Pampe brachte mich zum Prusten. Und sowas hatte ich gegessen... das war schon witzig.
Ve starrte mich aus ernsten Augen an, als wolle sie sagen: „Ernsthaft? Du sprichst mit deinem Haustier und machst dich dann auch noch über Spinat lustig? Was ist eigentlich falsch bei dir?"
„Himmel, du bist ja echt mies drauf!", lachte ich. „Aber okay, du hast Hunger. Lass uns in die Küche gehen, die Hauselfen haben bestimmt noch was für uns."
Ja, ich kannte den Weg in die Küche. Es hatte auch Vorteile, dass Dorcas immer Hunger hatte und vor allem Pizza quasi aus 2 Meilen Entfernung riechen konnte: Früher oder später hatte es sich ihr logisch erschlossen, dass hinter einem Gemälde, auf dem Essen – in diesem Fall eine Birne- abgebildet war, unbedingt die Küche befinden musste. Seitdem hatte sie uns nachts dazu gebracht, abwechselnd die Hauselfen zu stalken, bis eine völlig übermüdete und etwas angepisste Mary schließlich gesehen hatte, wie die kleinen Wesen in die Küche hinein- und hinauskamen.
Ein Glück, dass ich einen so guten Stoffwechsel hatte, sonst wären ich bei den folgenden Mitternachtssnacks ganz schnell fett geworden.
Jedenfalls war ich mittlerweile ein absoluter Profi darin, nachts in die Küche zu schleichen. Hoffentlich hatten die dort Katzenfutter.
„Komm schon, Ve", befahl ich meinem niedlichen, aber schlecht gelaunten Kätzchen.
Als sie demonstrativ nicht reagierte, hob ich sie seufzend hoch und kletterte mit ihr im Arm zurück in die dunkler werdenden Gänge des Schlosses.
„Auf geht's", murmelte ich vor mich hin. Aufgrund des dämmrigen Lichts und der etwas düsteren Stimmung wurde mir ein wenig mulmig zumute. Anscheinend ließ der Trank langsam nach ... aber noch nicht genug, als dass ich der Sache nicht etwas Komisches abgewinnen konnte.
Die kleine Miss Perfekt macht sich auf einen heimlichen Spaziergang durch das abendliche Hogwarts, und das nach der Sperrstunde.
Ich kleiner Gangster.
Mich überkam der plötzliche Drang, durch die Gänge zu hüpfen.
Ich hatte gerade mein eines Bein gehoben, als ich plötzlich Stimmen hörte.
Uuuh, das wurde ja immer besser. Wenn ich jetzt Zeugin eines Mords werden würde... Vorsichtig lugte ich um die nächste Ecke, wobei ich mich ein bisschen wie James Bond fühlte, wie ich leider zugeben musste.
Dort standen doch tatsächlich James und Snape, ich konnte ihre Gesichter gerade so noch erkennen. Offenbar stritten sie sich, James' Haltung war angespannt und seine Fäuste geballt, während Snape ganz offensichtlich versuchte, sich größer zu machen als er war.
Ich spitzte die Ohren.
„... du mit Lily angestellt hast!", knurrte James gerade.
„Ich weiß nicht wovon du sprichst!", gab Snape ebenso feindselig zurück, wobei er einen Schritt zurücktrat.
„Lüg mich doch nicht an, du dreckiges, kleines Stück..." James schien kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Er unterbrach sich mitten im Satz, um tief durchzuatmen.
„Ich weiß, dass das dein Werk ist, warum sollte sie sich sonst seit heute Morgen so seltsam benehmen?!"
Snape verzog zornig sein Gesicht. „Was soll das heißen, sie benimmt sich seltsam? Ich weiß nicht, wovon du sprichst! Schonmal auf die Idee gekommen, dass deine ach so perfekte kleine Evans auch einfach nur angewidert davon sein könnte, in deiner Nähe wohnen zu müssen?"
Okay, es ging schonmal ganz klar um mich.
Auch wenn ich nicht ganz verstand, was James Snape nun vorzuwerfen hatte. Hatte ich irgendwas verpasst?
„Sie ist nicht meine kleine Evans", gab James knapp zurück. Seine Kieferknochen traten hervor, was ihn nur noch bedrohlicher wirken ließ. An Snapes Stelle hätte ich die Hände in die Höhe geworfen und wäre schreiend davongerannt.
Bei der Vorstellung eines panischen Snapes musste ich ein Kichern unterdrücken.
„Ach stimmt." Snape grinste höhnisch. „Das hättest du ja nur gerne."
Nicht nur ich zuckte erschrocken zusammen, als James urplötzlich einen Schritt nach vorne machte und Snape am Kragen packte.
„Jetzt hör mir mal gut zu, du kleiner Schleimbeutel...", begann er mit erhobener Stimme. Doch James kam nicht weit, denn beim lauten Klang seiner Stimme hatte Ve erfreut angefangen zu zappeln.
Ehe ich sie irgendwie daran hindern konnte, hatte sie sich befreit und war drauf und dran, ins Sichtfeld der Jungs zu spazieren.
„Ve!", zischte ich erschrocken, machte einen Satz nach vorne und wollte sie aufhalten, nur blieb ich dabei dummerweise an der Ecke hängen und fiel der Länge nach hin.
Das alles geschah innerhalb von Sekunden, und, was soll ich sagen, es war ein sehr demütigender Moment als ich auf dem Bauch und mit einer kleinen Katze im Arm vor die Füße der beiden Streithähne rutschte.
Vorsichtig hob ich den Blick und starrte von unten in die überrumpelten Gesichter von Snape und James. 


Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt