Extrakapitel número dos

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Wie Mary und Dorcas zusammengekommen sind

Marys Sicht

Silvester und wieder ein Jahr rum.
Letztes Jahr hatte ich diese Zeit bei meiner Familie verbracht – damals waren wir noch alle komplett gewesen und meine beiden jüngeren Schwestern hatte meine Haare aus Versehen in Brand gesetzt, weil sie mir mit ihren Wunderkerzen zu nahe gekommen waren.
Damals war ich stinkwütend gewesen, jetzt brachte ich bei der Erinnerung daran nur noch ein trauriges Lächeln zustande.
Ich vermisste die beiden ständig. Der Schmerz über ihren Tod hatte noch nicht nachgelassen, natürlich nicht. Meine Eltern kamen noch weniger mit dem Verlust klar. Das diesjährige Weihnachtsfest war einfach nur bedrückend gewesen und ich war mir vorgekommen wie eine Fremde.
Meine Eltern klammerten sich aneinander und schienen völlig vergessen zu haben, dass sie ja noch eine dritte Tochter hatten.

Also war ich ins Schloss zurückgekehrt, um mein erstes und letztes Hogwarts-Silvester zu feiern. Unter meinen Freunden fiel es mir leichter, meine Gedanken in eine andere Richtung zu schicken ... vor allem, wenn Dorcas in der Nähe war.
Dorcas. Sie war wohl der andere Grund, weshalb ich es bei meinen Eltern nicht lange ausgehalten hatte. Erstens hatte sie mir gefehlt und zweitens hätte ich meinen Eltern sonst wohl irgendwann gestanden, was sich in meinem Inneren aufgebaut hatte.
Und Remus konnte mir noch so oft sagen, dass das alles nichts war wofür ich mich schämen musste und dass ich mit Dorcas darüber reden sollte, ich konnte nicht anders, als allen anderen gegenüber zu schweigen.
Sogar Lily hatte ich nichts von meiner Gefühlslage erzählt, obwohl wir sonst über alles miteinander redeten. Andererseits war Lily in letzter Zeit mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen und ich war ganz froh, dass sie sich endlich mal nur auf sich konzentriert hatte, denn sonst wären sie und James wohl nie zusammengekommen.
Und das wäre wirklich schade gewesen.

Ich blickte mich nach den beiden um und sah sie in einer ruhigen Ecke des Ostturms eng beieinanderstehen. James sagte etwas, woraufhin Lily sich schmollend von ihm abwandte, doch er zog sie lachend in seine Arme. Ich sah, wie sie sich sträubte, und wusste genau, dass sie es eigentlich genoss.
Lächelnd schüttelte ich den Kopf. Die beiden waren zu süß.
Apropos süß.
War das Dorcas, die gerade mit den Armen voller Muffins auf die Brüstung zu lief?

Ohne weiter darüber nachzudenken, folgte ich meiner besten Freundin.
Marlene war spurlos verschwunden, nachdem ich sie lautstark mit Hugo hatte streiten hören, und alle anderen amüsierten sich mehr oder weniger betrunken – vielleicht war das ja meine Chance auf ein Gespräch unter vier Augen?
Andererseits ... wollte ich dieses Gespräch wirklich führen?
Bisher hatte sich nie eine Gelegenheit dazu ergeben, denn dadurch, dass Dor, Marls und ich uns einen Schlafsaal teilten und auch sonst eigentlich jeden Ort gemeinsam besuchten, hatte sich mir immer eine perfekte Ausrede geliefert, Dorcas mein Gefühlschaos weiterhin zu verschweigen. Sehr zu Remus' Ärger, aber er hatte keine Ahnung, wie es war, in seine beste Freundin verliebt zu sein!
Verdammt, ich fand es sogar schwierig, diese Tatsache auch nur zu denken.

Aber mittlerweile war ich mir sicher: Ich hatte mich irgendwann im Laufe der Jahre, die wir Seite an Seite als beste Freundinnen verbracht hatten, in Dorcas verliebt.
Und sie hatte ein Recht darauf, das zu erfahren.
Auch auf die Gefahr hin, dass ich damit unsere Freundschaft zerstören würde.
Ich schluckte, als ich still meinen Entschluss fasste: Heute war es soweit. Und ich würde entweder mit einem gebrochenen Herzen ins neue Jahr starten oder (und diese Möglichkeit wagte ich mir nicht einmal zu erträumen) mit einer neuen Romanze.

Dorcas war inzwischen am Geländer angekommen und starrte nachdenklich in die Tiefe.
Ich trat von hinten an sie heran und tippte ihr auf die Schulter. Erschrocken fuhr sie herum, wobei einige Muffins zu Boden purzelten.
„Mary!", quietschte sie überrascht, wobei sie panisch versuchte, ihre Balance wiederzufinden, denn das Gebäck in ihren Armen war gehörig ins Rutschen und Rollen gekommen. Ich fing einen Muffin auf, bevor er zu Boden kullern konnte und türmte ihn wieder auf seine Artgenossen auf.
„Hey Dor", gab ich bemüht unbeschwert zurück. „Was willst du denn mit den ganzen Muffins?"
Dorcas antwortete nicht, sie strauchelte immer noch von einer Seite zur anderen und schaute traurig den verlorenen Muffins hinterher. Ich runzelte die Stirn. Das war doch nicht normal.
„Dorcas? Hast du ... Hast du getrunken?"
Ich konnte es in der spärlichen Beleuchtung nicht richtig erkennen, aber ich glaubte zu sehen, wie sie errötete.
„Na ja, vielleicht ein kleines bisschen."
Ah ja. Daher also die Gleichgewichtsstörungen.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt