Kapitel 36

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Am nächsten Morgen war ich völlig durch den Wind.
Es war Montag und ich hätte eigentlich zu Doppelstunde Zaubertränke neben Snape gemusst, doch meine Nerven waren so überstrapaziert, dass ich es schlichtweg ausfallen ließ.
Als Schulsprecherin konnte ich mir das durchaus mal leisten.
Stattdessen stieg ich die Stufen zur Eulerei herauf. Einerseits, weil ich den Sonnenaufgang sehen wollte, andererseits, weil ich meinen Eltern erst letztens einen Brief geschrieben hatte und noch immer auf eine Antwort wartete.
Sie hatten Wind davon bekommen, dass Petunia mich von ihrer Hochzeit hatte ausschließen wollen, zumindest glaubte ich das. Sie hatten es mir nicht explizit verraten, doch die Karte, die wenig später von meiner lieben Schwester gekommen war, war Beweis genug: Sie bat um Entschuldigung und lud mich in den Weihnachtsferien zu einem Treffen mit ihr, ihrem Verlobten und einer Begleitung meiner Wahl ein- etwas, was Petunia von sich aus nie getan hätte.
Ich wusste immer noch nicht, ob ich zu diesem Treffen gehen sollte und wenn ja, wen ich bitte mitnehmen sollte.
Meine Freundinnen wussten nichts von der schwierigen Beziehung zwischen meiner Schwester und mir...
Ich seufzte und lehnt mich an das Geländer der Treppe, die in die Eulerei führte.
Die frische Luft und das stille Schlossgelände beruhigten mich ein wenig, und ich spürte, wie die Anspannung langsam von mir wich.
Zum ersten Mal seit der verhängnisvollen gestrigen Nacht erlaubte ich mir einen Gedanken an Remus. Er war fast sowas wie mein bester Freund - oder zumindest war er so ziemlich mein einziger männlicher Freund.
Ich mochte ihn wirklich, er war verantwortungsbewusst und ehrgeizig und hatte immer Schokolade übrig (was besonders in der Zeit nach Frank Longbottoms und meiner Beziehung hilfreich gewesen war).
Er war absolut nicht so, wie ich mir einen Werwolf vorstellte. Er war ganz sicher kein Fenrir Greyback.
Ich fragte mich, ob es einen Unterschied für mich machte, dass ich es jetzt wusste, wer beziehungsweise was Remus war, und ich brauchte gar nicht lange nachzudenken, denn die Antwort war nein.
Natürlich machte es mir nichts aus.
Er war immer noch derselbe Mensch, wen kümmerte es schon, dass er sich ein paar Mal im Jahr in eine Bestie verwandelte? Es wäre genauso dämlich ihn dafür zu verabscheuen, wie mich für meine Muggelstämmigkeit zu hassen.
Außerdem musste ich immer wieder an sein unglaublich melancholisches Heulen denken: Es bewies, dass Remus unglücklich in seiner Werwolfsgestalt war, und das wiederum erweckte tiefes Mitleid in mir.
Ich fragte mich, wie es wohl zu seiner Verwandlung gekommen war.
Vielleicht würde James es mir erklären. Aber wohl eher nicht. James würde mich zuerst anschreien und mir eine Standpauke halten, was ich da draußen zu suchen gehabt hatte, da war ich mir sicher.
Und dann würde er wieder zum Ignorieren übergehen.
Ich seufzte wieder. Wenn mir das wenigstens nichts ausmachen würde! Aber das tat es. Leider. Und zwar viel zu viel.
Eine Weile starrte ich weiter auf das nebelverhangene Gelände, bis die Sonne schon fast komplett hinter den Baumwipfeln des Verbotenen Waldes hervorgeklettert war.
Ich konnte das Gedankenkarussell in meinem Kopf nicht zum Stoppen bringen, und so stieg ich irgendwann wieder die Stufen herab und schrieb einen langen Brief an meine Mutter. Die Werwolf- Geschichte ließ ich raus - sie würde einen hysterischen Anfall bekommen und mich sofort von der Schule nehmen lassen-, doch dafür berichtete ich ihr alles über meinen Streit mit James Potter.
Sie kannte ihn aus meinen zahlreichen Erzählungen, die meistens voller Schimpfwörter und genervter Geräusche gewesen waren, doch vom Sommer hatte ich ihr nicht berichtet.
Jetzt allerdings, wo ich immer noch in der Patsche saß und die Zeit immer weiter verging, brauchte ich dringend einen mütterlichen Rat.
Wenn man ein Problem hatte, gab es mehrere Möglichkeiten, es zu überwinden:
1. Die Entschuldigung. Bei James erfolglos.
2. Das Gespräch mit den besten Freundinnen. Zu gefährlich. Die anderen würden denken, ich würde auf James stehen, was nicht der Fall war. Glaubte ich zumindest.
3. Essen. Doch dann müsste ich verdammt viel essen und da ich nicht allzu viel Sport trieb, könnte ich schnell zunehmen.
4. Das Problem ignorieren. Ging nicht, denn das Problem wohnte im Zimmer nebenan.
Und eben 5.: ein mütterlicher Rat.
Ein Hoch auf unsere Mütter, sie sind die besten Seelendoktoren dieser Welt.
Nichts gegen Väter, aber was sowas anging waren Frauen einfach feinfühliger. Männer waren meistens mit ihren eigenen Problemen schon genug überfordert, während erwachsene Frauen, besonders Mütter, wie ein Fels in der Brandung waren und beinahe immer einen Ausweg wussten.
Ich bezweifelte, dass ich jemals eine solche Mutter werden würde: Ich erschuf nur Chaos. Meine armen zukünftigen Kinder. Wahrscheinlich würde eher ich mich bei ihnen ausheulen, sobald sie alt genug waren.
Jedenfalls ging es mir viel besser, als ich zumindest einen Teil meiner Probleme auf Pergament zusammengefasst hatte. Ich stieg wieder zur Eulerei hoch und gab den Brief einer Schuleule.
Mittlerweile war es Mittag und ich hörte, wie mein Magen zu knurren begann.
Das Frühstück hatte ich geschwänzt, schon allein um meinen Freunden und ihren neugierigen Blicken ausweichen zu können, aber das Mittagessen konnte ich nicht ausfallen lassen, sonst würden sie sich Sorgen machen und ich vom Fleisch fallen.
Es half nichts.
Widerwillig machte ich mich auf den Weg zur Großen Halle. Ich ließ mir Zeit und schlenderte ein wenig durch die Gänge, betrachtete die vorbeilaufenden Schüler und strich bewundernd mit den Fingern über Bilderrahmen, die berühmte Persönlichkeiten umschlossen.
Von Hogwarts bekam ich einfach nie genug. Gerade hatte ich mich dazu aufgerafft, nun endlich wirklich den Weg zur Halle einzuschlagen, ohne zu trödeln und stehenzubleiben oder gar einen Umweg zu nehmen, als ich an einem schweren Wandteppich vorbeikam und ganz plötzlich am Ellenbogen gepackt und dahinter gezogen wurde.
Ich wollte protestierend aufschreien, doch schon legte sich eine große Hand über meinen Mund. Treten und um sich schlagen war nutzlos, mein Entführer war zu stark.
„Lumos", hörte ich den Jemand flüstern, dann erleuchtete eine Zauberstabspitze den Durchgang, in dem wir uns nun befanden.
Der Griff um meinen Arm lockerte sich, und ich nutzte die Gelegenheit, um mich vollends aus der Umklammerung zu lösen. Wutentbrannt drehte ich mich um und blickte direkt in Sirius Blacks finsteres Gesicht.
Mir war klar, was jetzt kommen würde.

Heute extra mal damit ihr nicht immer so lange warten müsst 😂❤️und weil Ferien sind und so. Zumindest bei mir. Hehe.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt