Kapitel 66

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War da schon ein Loch in der Wand?
Zumindest hätte es mich nicht gewundert, so oft, wie ich in der letzten halben Stunde dagegen geschlagen hatte.
Es war so demütigend gewesen, als ich an James und Holly, die nur Augen füreinander gehabt hatten, vorbeigerauscht war, um sie nicht beim „Lernen" zu stören.
James hatte nicht einmal versucht, mich aufzuhalten.
Warum auch? Ich hatte meine Aufgabe getan, als ich ihm erklärt hatte, was er jetzt Holly erklären würde.
Wie konnte er nur so ein Arsch sein?!
Musste er mir auch noch unter die Nase reiben, dass er a) nicht fähig gewesen war, sich im Unterricht zu konzentrieren, als Holly neben ihm gesessen hatte und sich deswegen nun b) extra mit ihr traf?
Ganz ehrlich: Jungs waren so inkompetent in allem Zwischenmenschlichen.
Und ich blöde Kuh hätte ihm vorher auch noch fast ein riesiges Geständnis gemacht! Dabei war es doch nun sowas von klar, dass James kein Interesse mehr an mir hatte.
Lautes Gelächter drang aus dem Wohnzimmer.
Ich ballte die Fäuste. Oh, verdammt, man bringe mir bitte diesen Jungen, damit ich ihn schlagen kann.
Das war wohl die mieseste Art, einen Korb zu kassieren: gleich noch unter die Nase gerieben bekommen, wie derjenige etwas Besseres fand.
Nur mit Mühe unterdrückte ich einen zornigen Aufschrei.
Mein Temperament ließ sich erst zügeln, als ich in den Tiefen meines Koffers ein hässliches altes Stofftier fand, das Petunia mir einst geschenkt hatte.
Es war ein Lama, weil ich diese damals nicht besonders gemocht hatte, da eines meinem fünfjährigen Ich auf den Kopf gespuckt hatte.
Petunia hatte das so lustig gefunden, dass sie mir das Kuscheltier zum sechsten Geburtstag geschenkt hatte. Zu allem Überfluss hatte es noch einen fürchterlichen Namen: Es hieß Jürgen.
Obwohl ich das Kuscheltier von der ersten Sekunde an gehasst hatte, hatte ich so getan, als würde ich mich unendlich freuen, weil ich wusste, dass es Petunia auf die Palme bringen würde.
Seitdem hatte ich Jürgen tatsächlich etwas liebgewonnen- zumindest war er gut fürs Staubwischen geeignet.
Ohne weiter darüber nachzudenken riss ich Jürgen den Kopf ab.
Das hörte sich vermutlich ziemlich brutal an, aber Jürgen war wirklich sehr hässlich und sein Hals war außerdem sehr dünn, sodass seine Köpfung eher ein Versehen war.
Jedenfalls war ich nach diesem Gewaltakt um einiges ruhiger, sogar ruhig genug, um Jürgen mit einem „Reparo!" wieder zusammenzufügen.
„Ich sollte dich auf James Potter umtaufen", teilte ich ihm mit, „vielleicht würde das dann noch besser helfen. Leider bist du nicht ganz so hübsch wie er."
Mit diesen Worten kickte ich Jürgen zurück in meinen Koffer.
Okay, ich sollte mir so langsam Gedanken um meine geistliche Gesundheit machen. Wie schrecklich war es bitte, eifersüchtig zu sein?!
Zumindest nahm ich stark an, dass es Eifersucht war, die da an meinem Herzen nagte, sobald ich an James und Holly dachte, die nebeneinander auf dem Sofa saßen und wer weiß was machten.
Oh, heiliger Kesselkuchen.
Jetzt, wo die Wut nachgelassen hatte, wurde ich traurig.
Ich konnte Holly schlecht dafür hassen, dass sie tolle braune Haare und glänzende blaue Augen, sowie eine wunderschöne Figur hatte.
Und sie konnte auch nichts dafür, dass ich zu spät erkannt hatte, wie sehr James Potter sich verändert hatte ... und dass ich ihn mochte.
Holly hatte sein Potenzial eher gesehen, verdammt, sie war sogar schon mit ihm zusammen gewesen!
Ob James seinen ersten Kuss an sie verloren hatte?
Bei dem Gedanken wurde mir schlecht.
Damals, in der sechsten Klasse, hatte er vergessen, mich weiterhin nach Dates zu fragen und unfassbar nervig zu sein, um mit Holly zusammen sein zu können.
Wieso sollte das Gleiche nun nicht wieder passieren?
Im Grunde hatte James ja nie wieder angefangen, mir zu zeigen, dass er interessiert an mir war.
Und ich konnte ihm nicht mal einen Vorwurf deswegen machen.
Ich hatte mich furchtbar verhalten und ihn mehrmals angeschrien. Ich war nicht das Mädchen, mit dem man ausgehen sollte.
Ich war launisch und zickig und nachtragend und versteckte mich am liebsten hinter Büchern.
Und ich hatte ein neues Hobby: In Selbstmitleid versinken.
Ich sollte mich für James freuen, dass er nun jemanden hatte, der keine Hasslisten über ihn führte, mit dem er dort draußen sitzen und lachen konnte.
Selbst wenn es eine Schlange wie Holly war.
Von Traurigkeit übermannt legte ich mich auf mein Bett und rollte mich zu einer Kugel zusammen.
Heute wollte ich niemanden mehr sehen.

„Gib mir mal bitte den Johannisbeersaft."
Dorcas musterte mich kritisch. „Ich weiß nicht, ob ich dieses Zeug wirklich an dich ranlassen soll. Du siehst furchtbar wütend aus und der Saft geht nicht gut aus Klamotten raus."
„Dorcas", knurrte ich meine Freundin genervt an.
Sie drückte die Karaffe vorsichtig an sich, darauf bedacht, nichts zu verschütten.
„Besser nicht, dieses Ding kann eine Mordwaffe in deiner Hand sein."
„Eben!", brachte ich zähneknirschend hervor.
Argwöhnisch starrte Dorcas mich an. „Wen möchtest du denn umbringen?"
„Wenn das so weitergeht gleich dich."
„Das ändert meine Meinung jetzt nicht gerade."
„Dorcas, könnte ich bitte die Kanne haben?"
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie James und Sirius sich unserem Sitzplatz näherten.
Sirius sagte etwas und James deutete in unsere Richtung.
Perfekt.
Gerade als James sich neben mir auf die Bank fallen ließ, reichte Dorcas mir die Karaffe, doch sie rutschte mir ganz aus Versehen aus der Hand und knallte auf den Tisch.
James konnte nur noch erschrocken den Mund aufreißen, bevor er von einer Flut Johannisbeersaft getroffen wurde.
Sein Gesicht war hübsch dunkellila gesprenkelt, als er prustend wiederauftauchte.
Theatralisch schlug ich die Hände vor den Mund.
„Huch! Das tut mir aber leid."
Ich warf ihm eine Serviette hin, als ich mit einem unheimlich guten Gefühl des Triumphes aufstand, mich mit einem Winken von Dorcas verabschiedete und daraufhin die Große Halle schnellen Schrittes verließ.
Dieser Tag hatte doch mal wahnsinnig gut angefangen.
Dafür lohnte es sich sogar, ohne Frühstück in den Unterricht zu gehen.
Ich spürte Dorcas' misstrauischen Blick noch lange im Nacken und hörte, wie Sirius dramatisch um Hilfe für seinen „mit Blut befleckten Bruder" verlangte.
Sollte Holly ihm doch zu Hilfe eilen.
Dann wären sie wenigstens quitt, nach James' Nachhilfe gestern.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt