Kaum war ich durch das Porträtloch gestiegen, stieß ich gegen eine sehr ansehnliche Männerbrust.
Ich atmete tief ein und identifizierte die ansehnliche Männerbrust als James, der jetzt einen Schritt von mir zurück machte und mich mit verschränkten Armen ansah.
Sein Blick sagte mehr als tausend Worte.
„Du hast uns gehört", brachte ich die Sache auf den Punkt.
Verdammt, das war unangenehm.
Vermutlich würde ich James jegliche Details von meinem Erlebnis mit den Slytherins berichten müssen und am nächsten Tag könnte ich auf deren Leichen in die Große Halle spazieren.
Obwohl mein Satz mehr eine Feststellung als eine Frage gewesen war, nickte James.
Daraufhin folgte ein sehr, sehr angespanntes Schweigen.
Ich musterte möglichst unauffällig James' Körperhaltung (extrem angespannt), und seinen Gesichtsausdruck (es drohte Böses).
Automatisch spannte auch ich mich an und festigte meinen Stand. Ich war noch nie einer hitzigen Diskussion mit James Potter aus dem Weg gegangen, und damit würde ich dieses Schuljahr ganz sicher nicht aufhören, Verliebtheit hin oder her.
Er war der Lauscher an der Wand –das war ja fast so schlimm, wie dass er mein Notizbuch gelesen hatte.
Unbehagen breitete sich in mir aus, als ich daran dachte, was er alles gehört haben musste.
Das Schweigen zwischen uns lud sich immer mehr auf, doch ich wollte nicht diejenige sein, die den ersten Schritt machte.
Wie gesagt: Er war selbst schuld, dass er zugehört hatte und ich war ihm keine Erklärung schuldig.
James' Kiefer mahlten angestrengt, während sein Blick zur Decke wanderte. Er hob die Arme hinter den Rücken und krallte die Finger in seinen Nacken, bevor er zwischen zusammengepressten Zähnen hervorstieß: „Mulciber hat dich angefasst?"
In seinen Worten klang ein solcher Ekel mit, dass ich mich unwillkürlich in den Moment mit den gierigen Fingern des Slytherins auf meiner Haut zurückversetzt fühlte.
Ich war mindestens genauso angeekelt gewesen.
Zögerlich nickte ich.
James musste es aus dem Augenwinkel heraus gesehen haben, denn er hakte nicht nochmal nach.
Stattdessen fragte er scharf: „Wann?"
„Als ich allein auf Patrouille war. Am nächsten Tag bin ich so durcheinander herumgelaufen, weißt du noch?"
Betreten starrte ich auf meine roten Chucks.
Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Vielleicht war es dumm, aber ich schämte mich, mit James darüber zu reden.
James sollte mich nicht für ein Opfer halten.
James sollte mich auch nicht für beschmutzt halten.
„Warum hast du nichts gesagt?" Seine Stimme klang immer noch gepresst. Er schien weiterhin nur mit Mühe seinen Zorn unterdrücken zu können.
„Es war mir ... unangenehm darüber zu reden." Ich ließ den Kopf hängen. Leiser fügte ich hinzu: „Tut mir leid."
„Merlin, dir muss doch nichts leidtun!", entfuhr es James aggressiv. Im nächsten Moment senkte er seine Stimme wieder. Ich spürte seine Finger unter meinem Kinn, als er vorsichtig meinen Kopf anhob, bis ich ihn ansehen musste.
„Entschuldige dich bloß nicht, Lily", murmelte er. Jegliche Muskeln in seinem Körper waren angespannt, doch sein Griff um meinen Kiefer war ganz sanft, beinahe nicht spürbar.
Gott, das war so viel besser als Mulcibers eklige Finger.
Unwillkürlich wanderten meine Augen zu seinen Lippen, die er zu einer schmalen, wütenden Linie zusammengepresst hatte.
Verdammt.
Konnte er mich nicht lieber küssen als so böse durch die Gegend zu starren? Wobei das auch irgendwie ... sexy war.
Himmel, Gedanken, wo geht ihr hin?
Ganz klar zu James. Mein Unterbewusstsein malte sich gerade sehr detailliert aus, wie es wohl wäre, ihn zu küssen, und ich konnte nichts dagegen tun.
Schlecht war die Vorstellung nicht ...
Mist, James' Anwesenheit war so präsent, dass ich anfing zu zittern.
Als ich die Augen wieder zu den seinen hob, starrte er mich entgeistert an.
„Hast du etwa ... Angst vor mir?", fragte er entsetzt, wobei er auf meine zitternden Finger deutete.
Augenblicklich schloss ich sie zu Fäusten.
„Nein, habe ich nicht."
Wenn er wüsste ...
Offensichtlich war James nicht überzeugt.
Er begann im Zimmer auf- und abzugehen, die Stirn gerunzelt und die Hände zu Fäusten geballt.
Er erinnerte mich an einen wütenden Stier, der in seiner Arena schnaubend und mit gesenkten Hörnern alles und jeden bedrohte, der ihm zu nahekam.
Jetzt bekam ich es mit der Angst zu tun.
Nach einer Weile fing James wieder an zu sprechen.
„Wie konnte ich das nur zulassen?! Wieso verdammt nochmal habe ich dich allein auf Patrouille gehen lassen? Ich hätte es nicht zulassen dürfen, verdammt!"
Seine Faust landete krachend an der Wand über dem Sofa.
Einige Zaubererfotos fielen klappernd zu Boden. Das Geräusch ließ mich zusammenfahren.
Geschockt schaute ich stumm zu, wie James immer wieder zuschlug und wütend keuchte, während er sich selbst ein ums andere Mal verfluchte.
Das war noch schlimmer, als wenn er mich dafür angeprangert hätte, dass ich ihm nicht davon erzählt hatte.
Ich wollte nicht, dass James sich Vorwürfe machte.
Das war doch Schwachsinn.
Er konnte überhaupt nichts dafür, dass Mulciber und Avery (und Snape) solche Schweine waren.
Der nächste donnernde Schlag ließ James' Fingerknöchel aufplatzen.
Ich sah Blut, doch James schien es nicht einmal zu bemerken.
Bis ich mich aus meiner Erstarrung lösen konnte und einfach vor ihn trat, ohne zu Zögern und ohne Angst. Ich fing seine Faust in der Luft ab, bevor sie wieder auf die Wand treffen konnte.
Schwer atmend starrte James auf mich herunter. Ich erwiderte seinen Blick durchdringend.
„Hör auf", sagte ich klar und deutlich.
Augenblicklich fiel die gesamte Anspannung von ihm ab und er sackte in sich zusammen.
„Merlin, Lily, es tut mir so leid", murmelte er. „Solche Hunde... und ich war nicht für dich da..."
Seine Augen glitten voller Schmerz und Verzweiflung über mein Gesicht, es brach mir fast das Herz.
„Das ist doch nicht deine Schuld", stellte ich klar.
Er lachte trocken auf. „Doch, Lily, das ist es. Aber mach dir keine Sorgen um mich. Hier sollte es nicht um mein schlechtes Gewissen gehen."
Ich hob die Augenbrauen. „Wir wechseln erst das Thema, wenn du aufhörst, den Putz von unseren Wänden zu schlagen."
Ein halbherziges Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Einverstanden."
Wie um zu zeigen, dass er unbewaffnet war, hob er die Hände und lächelte mich schwach an.
Mir wurde plötzlich klar, wie nah wir uns standen. Und dass ich seine Faust die ganze Zeit über festgehalten hatte.
Verlegen senkte ich wieder den Blick.
„Lily? Bitte erzähl mir solche Sachen. Ich möchte sie nicht auf unehrliche Weise erfahren, und erst recht nicht durch Snape, der um Gnade winselt."
Ich hob gerade noch rechtzeitig den Blick, um ihn die Nase rümpfen zu sehen.
„Vertraust du mir nicht?", fragte James leise.
Mir entfuhr ein Seufzen.
Es gefiel mir nicht, dass ich der Grund für die Sorgenfalte zwischen seinen Augenbrauen war.
Klar, es war irgendwo süß, dass er sich so um mich kümmerte, aber ich kam gut selbst zurecht. Und dass ich über manche Dinge eben einfach nicht reden wollte, hatte sicher nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun.
„Wenn ich das nicht tun würde, hätte ich nicht mit dir über meine Eltern geredet." Bei den Worten musste ich kurz schlucken. Erst als ich mich wieder gesammelt hatte, sprach ich weiter.
„Und außerdem habe ich ... ich habe eben nicht gedacht, dass es für dich so wichtig zu erfahren wäre."
Beinahe entschuldigend blickte ich zu James auf.
Seine ernsten braunen Augen wirkten in dem abgedunkelten Raum fast so schwarz wie Snapes.
Doch Snapes Augen könnten niemals dieses liebevolle Funkeln ausdrücken, das James' Augen besaßen, als er sagte:
„Alles was mit dir zu tun hat, ist wichtig für mich, Lily Evans."
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Die Regel - Lily& James Ff ✔️
FanfictionABGESCHLOSSEN Seit Jahren besteht diese eine Regel: Evans hasst Potter, Potter mag Evans. Wenn es nach Lily Evans, Einserschülerin und absoluter Lehrerliebling, geht, wird diese Regel auch niemals gebrochen werden. Doch da hat sie ihre Rechnung ohne...