Kapitel 76

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„Achtung, Arschbombe!"
Ich konnte mich gerade noch rechtzeitig mit einem Hechtsprung zur Seite retten, bevor James mit einem lauten Platsch im Schaumbadwasser des riesigen Whirpools aufschlug.
Prustend tauchte er wieder auf, übers ganze Gesicht strahlend und mit einem großen Haufen Schaum in den Haaren.
Auf meinem Gesicht lag vermutlich das gleiche idiotische Grinsen.

Als James mir die Tür zum Schulsprecherbad mit einer Hand aufgehalten hatte, in der anderen ein ausladendes Tablett voller Süßigkeiten und zwei dampfenden Tassen Kakao, hatte mich erstmal ein sehr mulmiges Gefühl beschlichen.
Immerhin war es schon ein ganz schön großer Schritt, gleich beim ersten Date so knapp bekleidet in einer Badewanne zu hocken (selbst wenn man davon ausging, dass diese Badewanne die Größe eines Pools in einem Luxushotel hatte).
Zwar hatte ich natürlich nicht meinen knappen Bikini angezogen, sondern trug stattdessen meinen grünen Badeanzug unter meiner Schuluniform, aber dennoch: Es war ein seltsames Gefühl, hier allein mit James zu sein.

Jedenfalls am Anfang.
Mein Unterbewusstsein hatte einfach keine Ruhe geben wollen und mich mit Horrorvorstellungen gefüttert, wie James sich in der Badewanne über mich hermachte und dann fallen ließ, wie Snape es mir prophezeit hatte.
Doch nichts davon war passiert, im Gegenteil, James hatte überhaupt nicht versucht, sich mir auf irgendeine Weise anzunähern, geschweige denn, mir etwas gegen meinen Willen aufzudrängen.
Stattdessen hatte er, nachdem ich zögerlich und mit laut klopfendem Herzen zu ihm an den Poolrand getreten war, meine Hand genommen und mich mit einem überaus frechen Grinsen im Gesicht ins Wasser geschmissen.
Das war der Beginn einer wundervoll kindischen Wasserschlacht gewesen.
Wir johlten und spritzten und warfen uns gegenseitig ins Wasser, James betätigte dabei aus Versehen die Whirpool- Funktion und bald hatten wir Freude daran gefunden, alle möglichen Schalter und Extras des Pools auszuprobieren, was in einem puren Chaos und dem Schaumbad, in dem wir uns jetzt aufhielten, endete.

Inzwischen saß ich lächelnd am Rand und ließ meine Beine ins Wasser baumeln, während James rückwärts im Wasser lag, alle viere von sich gestreckt.
Das war eine Übung, die er „den Seestern" nannte.
Vielleicht war unser kindisches Herumalbern nicht das, was viele Mädchen sich unter einem ersten Date vorstellen würden und vielleicht war es auch nicht das, was ich erwartet hatte: Aber es war toll und ich fühlte mich wohl.
Schon seit einer Ewigkeit hatte ich mich nicht mehr so unbeschwert gefühlt.
Es war, als wären in dem Moment, in dem James mich ins Wasser geworfen hatte, jegliche Sorgen von mir abgespült worden.
Zumindest für die Dauer unseres Aufenthalts hier.
Ich schaute zu, wie James seinen Mund mit Wasser füllte und es dann in bester Walmanier wie eine Fontäne in die Höhe spritzen ließ.
„Bah, du bist eklig", kicherte ich und schob ihm mit dem Fuß eine Ladung Schaum ins Gesicht.
Seine schwarzen Haare verschwanden hinter einer weißen Wand, die er schnell versuchte, mit den Händen wieder zu entfernen.
„Hey, ich sehe nichts mehr!", beschwerte er sich.
Tatsächlich klebte ein wenig Schaum in seinen Augen, und nicht nur das, James besaß einen Bart wie der Weihnachtsmann.
„Sei froh drüber!", lachte ich schadenfroh.
James verzog, die Augen weiterhin geschlossen, das Gesicht, was sehr komisch aussah.
Ich bekam mich vor Lachen nicht mehr ein, bis James zu quengeln anfing: „Lilyyyyy, mach es weg!"
„Schon gut, du Kleinkind", prustete ich.

Elegant stieß ich mich vom Rand ab und glitt ins angenehm warme Wasser.
Auf meinem Weg zu James teilte ich die dicke Schaumschicht mit meinen Schwimmzügen, und für kurze Zeit konnte man das Wasser türkisblau glitzern sehen, bevor sich die weiße Decke wieder zusammenschloss.
Bei James, der seine Interpretation eines Seesterns immer noch nicht aufgegeben hatte, angekommen, versuchte ich, mit den Zehenspitzen den Boden zu berühren, doch – oh, Wunder- ich war zu klein.
Also strampelte ich energisch mit den Beinen, um mich über Wasser zu halten, damit ich James vorsichtig den Schaum aus dem Gesicht schieben konnte.
Unwillkürlich hielt ich die Luft an, als ich mit den Fingern über seine kantigen Gesichtszüge fuhr.
Leichte Bartstoppeln kratzten unter meinen Fingerspitzen, ansonsten war seine Haut überraschend weich und warm und etwas glitschig wegen des Wassers.
„Lass die Augen zu", befahl ich leise, bevor ich mit den Fingern sanft über seine geschlossenen Lider fuhr, bis auch die letzte Schaumkrone entfernt war.
Kurz bewunderte ich noch sein entspanntes, schönes Gesicht, mit den langen Wimpern, den geraden Augenbrauen und den vollen Lippen, erst dann schwamm ich wieder ein Stückchen zurück.
„Fertig", verkündete ich James stolz.
Er schlug die Augen auf und drehte den Kopf zu mir, wobei natürlich sofort neuer Schaum in sein Auge geriet.
Diesmal blinzelte er ihn einfach weg.
„Ich glaube, du hast auch Schaum im Haar, sicher bin ich mir aber nicht." Er seufzte theatralisch auf. „Ohne Brille bin ich einfach blind."
„Hmmm", machte ich daraufhin nur, ich war zu sehr damit beschäftigt, mich über Wasser zu halten.
Verdammt, ich sollte doch mehr laufen gehen, meine Beinmuskeln ließen ziemlich zu wünschen übrig.
Meine Kondition übrigens auch.
Schnaufend legte ich den Kopf in den Nacken und ruderte wie wild mit den Armen.
Merlin, ich verhielt mich wie eine Nichtschwimmerin.
Warum war ich auch nicht groß genug zum Stehen, Himmel nochmal?!
„Sag mal, Krümel, brauchst du vielleicht Hilfe?"
Täuschte ich mich, oder klang da jemand sehr belustigt?
Im Großen und Ganzen hoffte ich, dass das eine rhetorische Frage gewesen war, immerhin ertrank ich hier fast.
„Mmh!", machte ich auffordernd.
„Was hast du gesagt? Ich konnte es leider nicht verstehen."
James Grinsen konnte ich zwar nicht sehen, aber man konnte es umso deutlicher hören.
Mittlerweile ragten nur noch meine Nase und mein Kinn aus dem Wasser.
Ich hörte meine Stimme nur gedämpft, als ich James anfauchte, er solle mir gefälligst helfen.
Sein Lachen drang durch die Schaumdecke undeutlich zu mir durch, doch immerhin konnte ich spüren, wie das Wasser sanft zu schaukeln begann, weil James sich in Bewegung gesetzt hatte.

Gerade als ich noch einmal nach Luft schnappte, bevor ich vollends im Wasser verschwand, griffen warme Hände nach meiner Taille und zogen mich wieder an die Wasseroberfläche.
Prustend und leider eher weniger elegant tauchte ich auf.
Tief Luft holend drehte ich meinen Kopf zu James. Mit einem äußerst empörten Blick in seine Richtung ließ ich ihn wissen, dass ich seine Aktion absolut nicht cool fand.
James lächelte schuldbewusst.
„Komm schon Lily, es sah einfach zu komisch aus! Du bist rumgerudert wie ein Kleinkind!"
Na, danke. Das hörte doch jedes Mädchen gerne von ihrem Schwarm.
Kleinkind? Konnte er haben!
Trotzig verschränkte ich die Arme vor der Brust und schmollte.
Dabei wurde mir nur allzu sehr bewusst, dass James mich immer noch festhielt, damit ich nicht erneut untergehen konnte.
Seine langen Finger bedeckten meinen Bauch fast vollständig und lösten ein angenehmes Kribbeln in mir aus.
„Schmollst du, Evans?"
Ich schielte zu James hinüber.
„Nein!"
Er lachte, und ich konnte das Vibrieren seiner Brust an meiner Schulter spüren.
Verdammt, ich bekam trotz des warmen Wassers eine Gänsehaut.
So nah wie jetzt waren wir uns bisher nur bei den zwei, drei Umarmungen gewesen ... und da hatten wir wenigstens all unsere Klamotten angehabt.
Seine Nähe war total berauschend.
Ich musste meine ganze Konzentration aufs Atmen verwenden und versuchte das Verlangen, die Arme um seinen Hals zu legen, beiseite zu schieben.
Was noch schwieriger wurde, sobald James mir auf die Nasenspitze tippte und „Evans, schau mich an" verlangte.
Widerwillig drehte ich den Kopf wieder in seine Richtung.
Unsere Nasenspitzen waren nur Zentimeter voneinander entfernt, und zum ersten Mal sah ich die grünen Punkte in seinen hellbraunen Augen.
Auch die langen, schwarzen Wimpern entfalteten erst wenn er keine Brille trug ihre ganze Pracht.
Es war wirklich unfair: Wie konnte ein Junge längere Wimpern als ich haben?
Schweigend musterte ich James' Gesicht und war so sehr darin versunken, dass mir erst auffiel, wie sehr ich ihn anstarrte, als James sich unbehaglich räusperte.
„Hab ich was im Gesicht?"
Ich wurde rot und senkte meinen Blick auf den weißen Schaum.
„Nein, nein."
„Hast du mich angestarrt, Krümel?" Oh Mann, er grinste schon wieder, das konnte ich aus seiner Stimme heraushören.
Meine Wangen fingen an zu brennen. Ich murmelte etwas Undeutliches, den Blick immer noch gesenkt.
James legte eine Fingerspitze unter mein Kinn.
Dazu musste er eine Hand von meiner Taille lösen, was mich aus dem Gleichgewicht brachte.
Halt suchend griff ich nach seinem Oberarm. Ich konnte seinen Bizeps genau spüren. Das ließ mich noch heftiger erröten.
Wahrscheinlich leuchtete ich schon wie eine Christbaumkugel.
Falls James das bemerkte – und das tat er ganz sicher, immerhin machte ich einem Feuermelder Konkurrenz -, sagte er jedenfalls nichts dazu, sondern hob mein Kinn langsam an.
„Hey, guck mich an."
Ich linste durch meine Wimpern zu ihm hoch, auch wenn ich am liebsten mein Gesicht in den Händen vergraben hätte.
Merlin, das war so peinlich!
Erst ertrank ich fast und musste von James gerettet werden, dann erwischte er mich beim Starren und ich lief knallrot an! Die unmittelbare Nähe zu ihm beruhigte mich auch nicht gerade.
„Komm schon Lily, schau her. Ordentlich", bat James mit leiser Stimme.
Ich schaute hoch und wieder direkt in seine haselnussbraunen Augen.
Er lächelte ganz sanft.
„Ich hab kein Problem damit, von dir angestarrt zu werden, Evans." Er grinste selbstzufrieden, und ich wollte schon wieder beschämt den Kopf senken, doch er hielt mein Kinn oben und sah mir weiter fest in die Augen.
„Ich schaue dich schließlich auch gerne an, Lily", murmelte er leise. Sein Blick verließ meine Augen und wanderte zu meinen Lippen.
Ich hielt die Luft an, aber da schaute er schon wieder in meine Augen.
„Du bist nämlich wirklich wunderschön, weißt du das?"
Verlegen schüttelte ich den Kopf.
„Solltest du aber." Er zwickte mich sanft in die Wange.
„Und jetzt komm, raus aus der Wanne, du zitterst ja!"
Da hatte er recht.
Allerdings lag das eher an seiner Anwesenheit als an der Kälte.

Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt