Kapitel 15

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Bei Merlins Nasenhaaren.
Oh mein Gott.
Ach du heiliger Kürbiskuchen.
Okay, zurückspulen.
Noch vor zwei Minuten war ich gut gelaunt aus meinem Bett gesprungen (okay, vielleicht nicht gesprungen... Ich war ein viel zu großer Morgenmuffel, ich würde niemals aus meinem Bett springen. Meistens rollte ich mich in Burrito- Form durchs Bett bis ich irgendwann rausfiel und davon dann aufwachte, aber egal jetzt) und mit noch vom Schlaf verklebten Augen ins Bad getapst.
Ich hatte einen kurzen Blick auf mein Spiegelbild geworfen, und wollte gerade wieder wegsehen (schließlich sah ich morgens nie besonders entzückend aus), als mir ein gewisses kleines Detail ins Auge fiel.
Ich trug einen Pulli. Einen Pulli, der männlich roch und mir bis zu den Knien reichte. Einen Pulli, auf dem hinten Potters verdammter Name und seine Spielnummer stand!
Kurz entschlossen ging ich wieder ins Bett.
Das musste ein Albtraum sein. Nein, nein, nein. Solch einen großen Schock konnte ich morgens einfach nicht ertragen.
Ich musste weiterschlafen. Ja, das war eine gute Idee.
Mit einem Plumps! ließ ich mich auf die Matratze kippen. Hach, das war gut. Entspannt schloss ich die Augen, während ich auf dem Bauch ein wenig vorwärts robbte, bis meine Arme das Kissen fanden. Ich zog es in eine innige Umarmung, wobei ich meinen Kopf in der Beuge meines Ellbogens vergrub.
Hmmm, das roch himmlisch. Und seit wann war mein Schlafanzugsoberteil so kuschelig weich? Ich beschloss, dass das nicht wichtig war, und konzentrierte mich wieder auf den maskulinen Duft.
Es war einer dieser ganz eigenen menschlichen Gerüche, die man nicht beschreiben konnte, dennoch glaubte ich den Duft eines lauen Sommerwinds und Haselnuss-Vollmilch- Schokolade ausmachen zu können. Vielleicht war auch etwas Pfefferminze dabei.
Mein Gehirn wurde völlig eingenommen und betäubt von diesem Geruch, bis ich wieder in einen angenehmen Schlummer glitt.

„Krümelchen, ich genieße es zwar echt, dass du mich in schlafendem Zustand nicht anschreist, aber du solltest vielleicht doch mal aufstehen, es ist schon halb eins", sagte irgendeine nervige Stimme am Rand meines Bewusstseins.
Bah, das passte mir gar nicht. Ich verzog das Gesicht und strampelte ein wenig mit den Beinen, wie als könnte ich die Stimme einfach wegkicken.
Jemand prustete. „Dafür, dass du so ein Zwerg bist, nimmst du echt viel Platz ein... in diesem Bett hätten normalerweise zwei Personen Platz!"
„Sag mir wann anders, dass ich fett bin. Es ist nicht fair, Leute im Schlaf anzugreifen", murmelte ich in mein Kissen.
„Ha! Du hast mir geantwortet! Du bist wa- hach", trällerte dieser jemand. Ich hatte einen verschwommenen Verdacht, wer das sein könnte, doch ich war nicht bereit, deswegen meine Augen zu öffnen.
„Ich rede im Schlaf", erklärte ich daher einfach.
„Das werden wir ja sehen..."
Ich lauschte noch eine Weile, doch da kam nichts mehr. Zufrieden erlaubte ich mir ein kleines Grinsen. Ich hatte den Störenfried vertrieben.
„SIRIUS, HÖR AUF MARLENE DIE ZUNGE IN DEN HALS ZU STECKEN!"
„WAS?!" Abrupt sprang ich auf, klaubte mir meinen Zauberstab vom Nachttisch und schaute mich mordlüstern um. „Wo ist er?", herrschte ich James an, der grinsend im Raum stand.
„Oh, dieser kleine Black- Idiot, er soll sich gefälligst ein neues Spielzeug-"
James unterbrach mich mit beschwichtigend gehobenen Händen. „Lils, Marlene ist verreist, wie du dich vielleicht erinnern kannst, und Sirius dreht ein paar Runden auf seinem Besen. Ich hab nur eine Möglichkeit gesucht, dich aufzuwecken, und siehe da! Es hat funktioniert."
Oh, dieser kleine...
Schnurstracks machte ich mich wieder auf den Weg ins Bett.
Beziehungsweise, das wollte ich, aber eine gewisse Person, die übrigens bald mit schweren Brandwunden im St. Mungo landen würde, wenn sie mich nochmal weckte, hielt mich davon ab.
James' Finger schlossen sich fest um meinen Oberarm.
„Oh nein, Lils. Du hast gestern schon den halben Tag geschlafen und heute auch wieder. Irgendwann solltest du vielleicht mal wieder unter die Lebenden kommen."
„Danke, ich verzichte", grummelte ich. Um ihm zu zeigen, wie müde ich noch war, gähnte ich demonstrativ.
„Siehst du? Total erschöpft. Muss – schlafen!" Bei den letzten zwei Wörtern riss ich an meinem Oberarm, allerdings reichte meine noch schläfrige Muskelkraft nicht, mich aus James' Stahlgriff zu befreien.
„Okay, es reicht jetzt. Ich habe verstanden, dass du ein kompletter Morgenmuffel bist und du musst trotzdem aufstehen", verlangte er unerbittlich.
„Aber James", jammerte ich und schob schmollend die Unterlippe vor. Mit großen Augen schaute ich bittend zu ihm hoch. Ganz kurz sah ich, wie er zögerte – aber er schüttelte dennoch entschieden den Kopf.
„Lils, der Hundeblick wirkt nicht, wenn mein viel zu großer Pulli wie ein Sack an dir runterhängt."
Alamiert schaute ich an mir herab. Oh nein, ich trug ja immer noch dieses Ding.
In James' Mundwinkeln zuckte es. Mich überkam das plötzliche Bedürfnis, ihn aus meinem Zimmer zu schmeißen. Was ich auch tat, wobei ich ihm leider versichern musste, dass ich mich umziehen und danach zum Frühstück erscheinen würde.
So viel zu meinem Start in den Tag.

Wenig später trampelte ich betont schwerfällig und grummelnd die Treppe hinunter in den Essbereich der Potters.
James hatte recht gehabt, ich hatte wirklich den halben Tag verschlafen: Durch die offenstehende Terassentür wehte angenehm warme Spätsommerluft herein.
„Guten Morgen, Sonnenschein", grinste James sarkastisch.
Ich grunzte ein bisschen zur Antwort, wobei ich ihm seinen Pulli hinwarf.
Zugegeben: Ich hatte fast überlegt, das Ding zu behalten. Aber so tief war ich noch nicht gesunken.
James fing das Kleidungsstück lässig mit einer Hand auf. In der andern balancierte er etwas, das wie eine Mischung aus Frühstück und Mittagessen aussah – also Brunch.
Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Wann hatte ich eigentlich zuletzt gegessen? Es schien Jahre her zu sein.
Brav setzte ich mich an den Tisch und blickte erwartungsvoll hoch zu Potter. Mit einem leichten Grinsen stellte er die Gerichte vor mir ab.
„Bitteschön, eure Hoheit." Er verbeugte sich übertrieben.
Ich neigte arrogant den Kopf. „Der Untertan darf sich jetzt verziehen ... und zwar schnell."
Lachend beugte James sich über den Tisch und wuschelte mir durch die roten Haare. Instinktiv hielt ich die Luft an. Auf einmal musste ich wieder an den Kuss von gestern denken. Dachte James etwa...? Aber nein, das war bestimmt nur eine der üblichen Neckereien.
Trotzdem atmete ich ein wenig erleichtert auf, als er die Hand aus meinen roten Haaren nahm und sich nun selbst durch die Haare fuhr.
Ich verdrehte die Augen. Bestimmt hatte er irgendeinen Mechanismus in seiner Hand, der alle zwei Minuten angeworfen wurde, um angeberisch sein Haar zu zerzausen. Diese Macke hatte er nämlich schon seit Jahren.
Ich wusste nicht mal, ob er es jetzt mit Absicht machte, weil er dachte es sähe cool aus, wenn er immer diesen Ich- bin- eben- von- einem- Besen- gestiegen- Look hatte, oder ob es einfach nur eine nervige Angewohnheit war.
Im Grunde konnte es mir ja auch egal sein.
Bei Merlin, hatte ich gerade eben tatsächlich drei wertvolle Minuten meiner Lebenszeit dafür geopfert, über James' schwarzes Strubbelhaar nachzudenken?
Kopfschüttelnd widmete ich mich meinem Essen. Es ging bergab mit mir. Am Ende würden Sirius und James es wirklich noch schaffen, mich in einen Rumtreiber zu verwandeln. Das machte mir jetzt Angst.
Sirius kam, den Besen in der Hand und in einem verschwitzten Muskelshirt, durch die Tür herein und warf mir einen amüsierten Blick zu.
„Na, Krümel? Auch mal wach?"
„Walum müscht ihr misch alle Krümel nennen?", nuschelte ich mit vollem Mund zurück, wobei leider etwas Essen aus meinem Mund flog. Peinlich berührt hielt ich mir die Hand vors Gesicht und lief rot an.
Sirius fing an zu lachen. „Genau deswegen, Krümel. Du krümelst einfach zu viel."
Er und James schlugen lachend ein.
Haha. So gut war der nun wirklich nicht gewesen.
„Nee, im Ernst, Lils", redete Sirius weiter, „du bist einfach so klein. Manchmal übersieht man dich. Wie einen Krümel."
Schade, dass ich schon wieder den Mund voll hatte. So konnte ich nur ein paar böse Blick auf ihn abschießen, anstelle eines Fluchs. Sirius griff sich theatralisch an die Brust und kippte gegen Potter.
„Oh nein!", rief er. „Ein grüner Blitz aus ihren grünen Augen hat mich getroffen! Hilfe, ich sterbe!"
James und ich kamen nicht umhin, ein wenig zu schmunzeln.
Dann fiel mir plötzlich etwas ein. „Habt ihr eigentlich Ve gesehen? Ich habe ja die ganze Zeit geschlafen, deswegen konnte ich sie nicht füttern..."
„Keine Panik, Evans", beruhigte James mich selbstsicher. „Papa Potter hat sich um alles gekümmert." Er klopfte sich selbst auf die Schulter, was mich dazu veranlasste, wieder die Augen zu verdrehen.
„Und wo ist sie jetzt?", wollte ich wissen. James' selbstgefälliges Grinsen verrutschte ein wenig. „Tja, also, was das angeht..." Er warf einen hilfesuchenden Blick zu Sirius, doch der hob nur die Hände. „Kumpel, ich bevorzuge Hunde. Katzen sind jetzt mal echt nicht mein Spezialgebiet."
Halleluja. Da standen sie und kannten jeden Geheimgang der Schule, waren Angst und Schrecken der Lehrer und wurden von so ziemlich jedem – ausgenommen der Slytherins- gefeiert. Aber gebt ihnen ein Kätzchen, und sie sind überfordert, dachte ich, sowohl grimmig als auch belustigt.
Ich stand auf. „Gut, dann gehe ich die Kleine mal suchen. Ihr räumt das doch sicher für mich auf?" Ich deutete auf meine verschwundene Mahlzeit, bevor ich mich umdrehte und barfüßig in den Garten lief.
„Was für eine kleine Kröte", glaubte ich Sirius murren zu hören. Dieser Satz entlockte mir ein kleines Lächeln.


Die Regel - Lily& James Ff ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt