Kapitel 9

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Wincent

Nur knapp zwei Wochen später waren wir bereits auf Radiopromotour und ich musste das erste Interview zum neuen Album geben. Wahrscheinlich würden immer die gleichen typischen Fragen kommen. ‚Was beutetet dir das Album?' ‚Wem sind die Songs gewidmet?' ‚Welche Botschaft möchtest du überbringen?'. Wenn ich das wüsste... Ich hatte mir ein paar Sachen zurecht gelegt, wie ich alles Mögliche umgehen konnte und ein bisschen was hatte mein Management auch noch an meine Interviewparter vorgegeben, falls ich gänzlich ins Schwimmen geraten sollte. Aber gehen wir mal nicht vom Schlimmsten aus, redete ich mir gut zu, während ich einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel warf. Dann ging auch schon die Tür auf. „Hallo Wincent, schön, dass du hier bist.", begrüßte mich Moni, mit der ich das Interview führen würde. „Moin, Danke für die Einladung.", antwortete ich souverän. Sie redete gar nicht lange um den heißen Brei herum, sondern stellte mir direkt die ersten Fragen. „In wenigen Tagen wird ja dein zweites Album ‚Irgendwie Anders' veröffentlicht. Die Fans fiebern alle schon mit und sind gespannt, worum es auf dem Album geht. Magst du das einmal ein bisschen zusammenfassen?", fing sie an. Ich rekapitulierte kurz, was ich erst fünf Minuten vorher mit Kevin besprochen hatte, bis ich antwortete. „Gerne. ‚Irgendwie Anders' ist für mich ein bisschen ein Abbild meines Lebens. Die letzten Jahre, seitdem das erste Album veröffentlicht wurde, waren super turbulent und haben so einiges auf den Kopf gestellt. Ich wurde ja voll ins kalte Wasser geworfen und meine Karriere ist gefühlt von einem Tag auf den anderen durch die Decke geschossen. Das Alles hatte für mich viele Vorteile, aber auch Nachteile, vor allem privat. Ich war schon immer ein offenes Buch und habe vieles in Musik verarbeitet und so ist es auch auf dem zweiten Album. Ich habe Träume, Wünsche, Hochs, Tiefs und Verluste verarbeitet und mir von der Seele gesungen.", erklärte ich.

„Das hört man. Besonders am neuen Album ist ja auch der Stil- man hat ein bisschen das Gefühl, der klassische Schmuse-Deutschpop-Wincent Weiss war gestern.", lachte Moni. „Ja, naja. Ich mochte beziehungsweise mag mein Deutschpopimage, aber persönlich habe ich mich in den letzten Jahren einfach weiterentwickelt und da das Album 100% Ich sein soll, musste ich mich einfach ausprobieren.", antwortete ich darauf. Ich fand es gut zu hören, dass auch jemand Außenstehendes erkannte, dass ich mich verändert hatte. „Das klingt gut. Einige Songs klingen aber auch noch sehr bekannt und klassisch nach Deutschpop, oder?", fragte sie mit einem leichten Lachen im Gesicht. Fast steckte sie mich ein bisschen damit an, aber nur knapp an der Oberfläche. „Ja, klar. Man kann nicht von heute auf morgen was komplett neues machen, also kann man schon, aber das ist dann doch alles ein bisschen schwierig. Außerdem liebe ich meine Musik genau so, wie sie ist. Ich will gar nicht was komplett Neues machen, zumindest nicht unter dem Namen Wincent Weiss." „Also dürfen die Fans unter einem Decknamen noch auf eine ganz andere Seite von dir hoffen?", griff sie direkt meine letzte Antwort auf. „Vielleicht", grinste ich, „gerade bin ich mit dem zweiten Album ganz gut bedient."

Wir tranken von unserem Kaffee und Moni öffnete kurz die Fenster. „Nochmal zurück zum Album: Was ist dein persönlicher Lieblingssong auf der Platte?", war die erste Frage nach unserer kleinen Pause. Ich musste kurz schlucken. „Puh... das ist schwer, denn ich habe alle Songs aus einem bestimmten Grund gewählt, sie sind alle meinen Babys. Wenn ich mich wirklich entscheiden müsste, würde ich wahrscheinlich ‚Hier mit dir' nehmen. Den habe ich einer ganz besonderen Person in meinem Leben gewidmet.", sagte ich und versuchte mir ein Lächeln aufzuzwingen. „Deiner besten Freundin, richtig?", kam dann die Gegenfrage. Warum habe ich dieses Thema eigentlich angeschnitten... „Ja, genau. Sie ist wirklich ein besonderer Mensch für mich.", lächelte ich und hoffte das Thema so wieder abzuschließen. „Wie können wir sie uns vorstellen? Ich meine es ist schon ungewöhnlich, so eine enge Freundschaft zwischen Mann und Frau.", hakte Moni aber weiter nach. „Ach das Klischee wieder. Emma ist mir einfach super wichtig. Sie war in einer sehr schweren Phase in meinem Leben für mich da, hat mich aufgebaut, als ich am Boden war und hat dafür nichts verlangt. Viele Frauen in meinem Leben wollten Zeit von mir, viel Zeit. Bei Emma ist das aber anders. Sie nimmt die Zeit, die ich aufbringen kann und ist dafür dankbar, ich kann ich sein. Mehr möchte ich zu ihr allerdings nicht sagen, denn es war mir von Anfang an wichtig, dass sie im Privaten bleibt. Sie soll nicht in die Öffentlichkeit und ins Feuer des Rampenlichts geraten, und das wird sie, denn jede Frau mit der ich unterwegs bin ist immer direkt meine Freundin." Wow Wincent, was war das denn jetzt für ein Redeschwall?

Vor allem hatte ich so geredet, als könnte ich Emma jederzeit wieder anrufen und alles ist gut, aber das war nicht mehr so. Sie ist weg, wahrscheinlich für immer. Wie komme ich überhaupt auf die Idee über Emma zu reden? Sie würde das nicht wollen und ich hatte auch nicht mehr das Recht dazu. Warum lobte ich sie so in den Himmel, wenn ich doch eigentlich mit ihr abschließen wollte? „Das waren ehrliche Worte.", staunte Moni. „Ich versuche immer ehrliche Worte zu finden, so bin ich.", nickte ich und innerlich lachte ich sarkastisch über meine Lüge. Emma gibt es nicht mehr, verbann sie endlich aus deinem verdammten Hirn, Wincent! Moni setzte zum Glück in diesem Moment an, um das Interview zu beenden. „Schlussendlich: Ein sehr schöner Song mit einer schönen Bedeutung. Damit sind wir auch schon am Ende des Interviews. Wincent, ich danke dir für deine Zeit. Bis das Album rauskommt, streamt alle fleißig die schon veröffentlichten Singles, bis zum nächsten Interview.", lächelte Moni in die Kamera und ich hatte es für heute geschafft. 

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