Nur mit Dir

Kapitel 58

Wincent

Nach dem Sport gemeinsam mit Fabi ging ich entspannt duschen und chillte mich dann in meine Umkleide. Ich tippte ein bisschen durch mein Social Media und blieb irgendwann an einer Markierung hängen, die mich doch ganz schön irritierte. Immer wieder war ein Artikel von der BILDZeitung verlinkt. Warum gehen die mir immer wieder auf den Sack? Um zu wissen was los ist, klickte ich drauf und da hätte ich eigentlich direkt ausrasten können... allein die Überschrift.

‚Insider packt aus: So ist die neue Freundin von Sänger Wincent Weiß wirklich!' Ich rollte mit den Augen. Eigentlich sollte ich sowas nicht lesen, aber irgendwie tat ich es doch.

„Der 26-Jährige ist gerade auf großer Hallentournee durch Deutschland und Österreich. Auch dabei ist seine Freundin Emma, welche wohl erst seit dem Sommer fest an seiner Seite ist. Von ihr schwärmt der Sänger immer nur in den höchsten Tönen, doch jetzt soll sie ganz andere Seiten von sich gezeigt haben. Eine Bekannte, welche auf der Tour zu Besuch war, berichtete uns nun exklusiv, wie die Freundin von Wincent Weiß sich so verhalten haben soll. Sie soll versucht haben alle weiblichen Personen aus dem Freundeskreis von ihrem Freund fernzuhalten. Dafür hat sie wohl sogar Namen von der Gästeliste gestrichen und Backstagepässe unterschlagen. Weiter zeigte sie sich immer unfreundlich, lockte ihren Freund unter Vorwänden von seinen Gästen weg und warf immer wieder unpassende Kommentare ein. Sie unterstellte einer Dame sogar, sie würde sich mit voller Absicht an den vergebenen Sänger ranmachen und dabei mit allen Waffen kämpfen.

Ist Emma wirklich so? Wir glauben unserer Insiderin und fragen uns, warum Wincent Weiß mit einer solchen Person eine Beziehung führt. Leider haben wir weder ein Statement, noch Berichte von Mitarbeitern bekommen, ob all dies stimmt."

Ich las den Artikel mehrfach, bis ich glauben konnte, was da über Emma stand. So war sie nicht, nicht im Ansatz. Immer wieder dachte ich darüber nach, wer das gewesen sein könnte und am Ende blieb nur eine. „Gina.", murmelte ich vor mich hin und stand vom Sofa auf.

Ich wollte mir gerade Fabi schnappen, als meine Tür aufging und Emma mich mit Tränen in den Augen ansah. Sie hatte den Artikel wohl schon gesehen. „Du bist nicht so und das wissen wir alle.", flüsterte ich und zog sie an meine Brust. „Aber wer sagt sowas über mich?", murmelte sie und sah zu mir hoch. „Na denk mal scharf nach.", schmunzelte ich. Emmas Augen weiteten sich innert Sekunden. „Diese Schlampe. Ich muss zu Fabi.", rief sie aus und war schon fast wieder aus der Tür. „Da war ich schon auf dem Weg hin.", grinste ich. Wir eilten zu Fabi und Emma stürmte ohne zu klopfen in seine Umkleide. „Was hast du dir da eigentlich für ein Miststück angelacht?", machte sie ihn an und erst als er sich umdrehte sahen wir, dass auch er am heulen war. „Gina?", fragte er leise. „Wer sonst.", brummte ich. „Ja, keine Ahnung. Sie hat mich fallen gelassen, sie meinte ich wär gar nicht ihr Typ und ich würde ja eh nur hinter dir her eifern, aber nie so weit kommen, sowas bräuchte sie nicht.", erklärte er niedergeschlagen. „Ja gut, das war irgendwie klar, aber wir haben gerade ein ganz anderes Problem. Sie hat der BILD richtige Scheiße über Emma erzählt.", sagte ich. Ich hielt Fabi mein Handy hin, doch er überflog den Artikel nur. „Schlagzeilen vergehen, ein gebrochenes Herz bleibt.", murmelte er. „Alter Fabi, willst du mich verarschen? Ich muss mich eh schon an Wincents Seite beweisen und jetzt hab ich auch noch so eine Scheiße am Hacken, weil du sie hier mit her gebracht hast. Ihr ward nicht mal zusammen.", schrie Emma ihn an. „Was ist denn hier los?", kam Amelie rein. „Gina ist los.", erwiderten wir dreistimmig. „Dieses falsche Stück aus München?", fragte sie nach. „Nennt sie nicht immer so.", warf Fabi ein.

„Wenn ihr doch alle wusstet, wie doof sie ist, warum hat mir das niemand gesagt?", sprach er weiter. „Wir haben dir das mehrfach gesagt. Ich schon an dem Tag, an dem sie da war und Wincent hat auch nochmal mit dir geredet.", meinte Emma dann ruhig. Fabi sah uns irritiert an. „Du warst echt verknallt, aber leider in die Falsche.", wurde nun auch meine Stimme sanft und ich zog den Kleinen einfach mal in meine Arme. „Sorry Emma.", meinte Fabi nach einer Weile und umarmte sie auch nochmal. „Passt schon, ich muss nur irgendwie meinen Ruf aus dem Dreck ziehen.", versuchte sie leicht zu lächeln. „Das ist meine Aufgabe, das mach ich.", versprach Fabi und schob uns dann aus seiner Garderobe. Perplex schauten wir erst auf die geschlossene Tür und dann uns gegenseitig an. „Es tut mir leid, dass dein Leben mit mir so anstrengend ist", sagte ich zu Emma und drückte sie an mich. „Ach, das hab ich leider vorher gewusst...", zuckte sie mit den Schultern, „aber so ne Bitch, ey. Wir müssen echt besser aufpassen, wen wir uns hier reinholen". Und damit hatte sie Recht. Niemals hätte ich gedacht, dass irgendjemand, der hier in unserem innersten Kreis verweilte, so seine Seele verkaufen würde- ausgerechnet an die BILD. Gedanklich schlug ich mir gegen die Stirn. „Ein Glück ist Tourabschluss und wir haben danach erstmal ein paar Wochen unsere Ruhe", meinte ich und ging mit Emma an der Hand wieder in Richtung Halle. Wir klärten die Schlagzeile zumindest kurz mit unserer Crew und widmeten uns dann den letzten Vorbereitungen fürs Abschlusskonzert. Ich versuchte mich runter zu bringen, was diesen Artikel betraf, aber ich war mir sicher, dass ich am heutigen Abend definitiv noch etwas dazu sagen würde.

Allerdings kam mir Fabi wie angekündigt am Ende seines Gigs zuvor. „Ihr habt sicher den Artikel über Emma schon gelesen, ich meine, ihr seid Wincents Fans...ihr wisst alles, noch bevor er es selbst weiß", begann er und die ersten Reihen schmunzelten. „Aber was ihr da gelesen habt ist nicht im Ansatz wahr und nur eine Retourkutsche einer eingeschnappten Dame, die nicht bekommen hat, was sie wollte. Und leider ist das ganze irgendwie meine Schuld", sprach er weiter und drehte sich dann zu Emma und mir um. „Emma ist die coolste Frau, die ich mir vorstellen kann, und Wincent kann sich glücklich schätzen, dass er sie hat. Nicht jede würde all das hier mitmachen und vor allem nicht so unglaublich erfolgreich zwischen ‚Freundin von' und Arbeit hin- und herspringen. Sie ermöglicht alles, was nur geht, für seine Fans und für seine Freunde und nimmt sich immer zurück". Ich sah im Augenwinkel, dass Emma wirklich gerührt von seinen Worten war. „Jedenfalls wollte ich nur sagen, dass Emma so ziemlich das Gegenteil ist von dem, was da über sie geschrieben wurde, und dass ich unglaublich glücklich bin, dass sie uns begleitet. Und damit das hier nicht völlig emotional ausartet, sag ich noch, dass ich manchmal vielleicht ein kleines bisschen neidisch bin, weil sie ziemlich perfekt ist, wisst ihr", schmunzelte er. Und noch bevor er zu irgendeiner Ausplauderei ansetzen konnte, stürmte Emma auf die Bühne und klaute ihm das Mikro. Die beobachtete die Beiden, wie sie rumblödelten, die ein- oder andere halbwahre Geschichte ausdiskutierten und einfach nur Spaß mit den Fans hatten. Ich war mir sicher, keiner von denen würde diesem Artikel auch nur irgendetwas glauben.

„So, langsam müssen wir aber mal Platz machen für den Hauptact des Abends, schließlich seid ihr nicht wegen uns beiden Knalltüten hier", hörte ich Emma sagen und da wusste ich, dass es langsam Zeit war für mich. „Ach nicht?", warf Fabi ein, „ich finde wir sollten das öfter machen und so n bisschen quatschen". Wenn Fabi so weitermachte, sprengte er wirklich den zeitlichen Ablauf des Abends. Amelie ging schon hibbelig vor mir auf und ab. „Das können wir ja irgendwann mal wieder bei Twitch machen", meinte Emma und die Menge klatschte, „aber jetzt verschwinden wir. Lasst es krachen, das hier ist unser Tourabschluss, also...viel Spaß mit Wincent Weiß". Unter Jubelrufen kamen die Zwei lachend von der Bühne und liefen direkt in meine Arme. „Ihr ey", lachte ich, „macht ihr hier einfach ne halbe Talkshow draus". Mir war schon klar, dass sie sich verstehen würden nach ihrem ersten Aufeinandertreffen bei Twitch, aber das es so schnell gehen würde, überraschte mich. Emma grinste mich an. „Viel Spaß bei deinem Tourabschluss!", sagte sie und küsste mich lange. Und dann ging ich mit meiner Band ein letztes Mal für dieses Jahr auf die Bühne und spielte die krasseste Show der ganzen Tour.