Kapitel 71

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Emma

„Entschuldigung, kann ich dir irgendwie helfen?", mischte ich mich in das Gespräch von Wincent und dieser Tussi ein, nachdem ich wirklich genug gehört hatte. Ertappt drehte sich Wincent zu mir um, während seinem Gegenüber beinahe alles aus dem Gesicht fiel. Ja, wahrscheinlich hätte sie mit einer Ansage gerechnet, aber die Blöße wollte ich weder mir noch Wincent geben, nicht in dieser Situation. Sie stammelte irgendwas vor mir rum, was keinen Sinn machte und urplötzlich war ihre große Klappe dahin. „Zieh einfach ab, okay? Egal, was ihr hattet oder auch nicht, es interessiert mich nicht. Er gehört zu mir und fertig", waren meine letzten Worte, dann trollte sie ab. Ich hörte Wincent hinter mir laut ausatmen. „Was...?", fing er an, aber dann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. „Mitkommen!", bluffte ich ihn an und zog ihn mit nach draußen. Ich suchte uns eine einigermaßen ruhige Ecke, bevor ich alles rausließ, was sich bis eben angestaut hatte. 

„Sag mal, wie lange wolltest du dich eigentlich noch von der belabern lassen?", fuhr ich ihn an, „reich ich dir nicht mehr?". Wincents Augen weiteten sich und er hielt mich fest, dass ich ihn ansehen musste. „Was? Quatsch, das is Bullshit und das weißt du", fing er an. Was immer noch keine Antwort auf meine erste Frage war. Auffordernd sah ich ihn an. „Ich wollte nur keinen Staub aufwirbeln, ich hätt ihr schon klar gemacht, dass ich kein Interesse hab", meinte er. Na sicher! „Sie scheint dich ziemlich gut zu kennen...", murmelte ich. Wincent ließ mich langsam los und trat einen Schritt von mir weg. „Das ist lange her...wir haben zusammen gearbeitet", fing er seine Erklärung an. Ich hörte zu und überlegte nebenbei wann genau das gewesen sein sollte, schließlich war er mit... „Du warst mit Yvonne hier in München...", murmelte ich ohne zu wissen, ob er mich verstanden hatte oder nicht. Er nickte und senkte seinen Blick. Diese Erkenntnis lief wie eine Dauerschleife durch meinen Kopf. „Du hast sie betrogen?", fragte ich. „Mit der da?" Ich traute mich kaum dem Glauben zu schenken. Er nickte wieder nur. „Das ist doch nicht dein Ernst...wie...", fing ich an, bis er zu mir aufschaute.

„Komm mir jetzt bloß nicht so, Emma", schrie er mich an, aber zügelte seine Lautstärke relativ schnell. „Das ist lange her, das war vor deiner Zeit und du hast kein Recht mir jetzt ne Szene zu machen. Ich weiß selbst, dass das scheiße war." Dass wir beide getrunken hatten, wirkte sich nicht unbedingt positiv auf unsere Auseinandersetzung aus. „Ich hab kein Recht ne Szene zu machen? Sie hat es gerade schon wieder versucht. Und du hast schon wieder nichts dagegen getan...", analysierte ich. Ich konnte nicht glauben, dass er so war. Damals. „Genau, du hast kein Recht auf eine Szene, weil nichts passiert ist. Und was vor dir war, geht dich nichts an", bluffte er mich an. Offenbar ein sehr wunder Punkt. Wir waren beide mehr als aufgebracht. 

„Wenn du einer bist, der seine Freundin betrügt, will ich das wissen...also dann hat deine Vergangenheit sehr wohl was mit mir zu tun", fauchte ich ihn an. Wincent lachte schon fast. „Wer im Glashaus sitzt, Emma...", fing er an, „wie war das noch gleich mit Felix und mir? Wer von uns Beiden ist da zweigleisig gefahren?" Mir blieb der Mund offen stehen. Das hatte er mir grade nicht wirklich an den Kopf geworfen? Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wusste, dass ich nicht immer fair gegenüber Felix war, aber ich hatte auch genug darunter gelitten. „Ist das dein Ernst? Das packst du jetzt aus?", schrie ich ihn fassungslos an. Ich dachte wirklich wir hätten diese Phase in unserem Leben mehr als genug ausdiskutiert und abgehakt. „Du wolltest mich nicht und hast mich trotzdem immer wieder weich gekocht. Du bist so ein Arschloch!", schniefte ich und flüchtete vor ihm. Meine Gedanken überschlugen sich. So hatte er das noch nie zu mir gesagt.

„Emma, jetzt warte doch mal", hörte ich ihn sagen und da begriff ich, dass ich überhaupt nicht weit gekommen war. Er nahm mich in den Arm und strich mir beruhigend über den Rücken. „Es tut mir leid, ich wollte das nicht sagen. Ich bin so ein Idiot", flüsterte er mir ins Ohr. „Ich bin nicht besonders stolz darauf, wie das mit ihr gelaufen ist. Ich hab das nie erzählt, weil ich mich geschämt hab, dass ich auf so ne billige Masche angesprungen bin", erklärte er. Ich sah es irgendwann ein und wir einigten uns, dass wir beide nicht unbedingt fair und ehrlich waren. Schließlich war die Hauptsache, dass wir uns jetzt miteinander und füreinander geändert hatten. „Ich bin auch nicht besonders stolz auf die Sache mit Felix, das hatte er wirklich nicht verdient", murmelte ich. Wincent neben mir seufzte.

„Wir sind schon ganz schön bescheuert, ey". Ich versuchte mich in einem Lächeln und als ich mich beruhigte, wurde mir auch ganz schön kalt. „Bleib genau hier stehen, okay? Ich hol unsre Jacken und dann erzähl ich dir das...", meinte Wincent, drückte mir einen Kuss auf die Wange und ließ mich dann stehen. Da dachte ich wir würden alles voneinander wissen und doch taten wir es nicht- wenn ich ehrlich war, wusste ich gar nichts über ihn. Wir hatten uns Hals über Kopf in unsere Beziehung gestürzt, als wir es endlich begriffen hatten, aber nie wieder darüber geredet, was eigentlich vorher war. Wir befanden uns in einer Blase, die irgendwann platzen würde, ob wir wollten oder nicht. „Hier, zieh dich an", holte mich Wincents Stimme aus meinen Gedanken. Ich schlüpfte in meine Jacke und schlang meine Arme um mich, um mich zu wärmen.

Und während wir durch die Nacht liefen, erzählte Wincent von seiner Zeit in München. Dass er viel arbeitete, kaum Zeit für irgendwas anderes hatte und Yvonne kaum gesehen hatte, weil sie immer arbeitete wenn er frei hatte. „Und dann kam eins zum anderen. Wir haben nach der Arbeit noch nen Absacker getrunken und ja...ich weiß, dass klingt bescheuert und ist keine Entschuldigung, aber...ich war einfach ausgehungert und sie hat mich so angesehen...und dann war mein Kopf aus", murmelte er. Fast musste ich ein bisschen schmunzeln. „Das klingt wie in nem Film, das merkste selber, oder?", kommentierte ich, aber Wincent sah mich zu ernst an. „Sorry...ich mein nur...weißt du, genau mit dieser Erklärung hat Simon mich abgespeist...als wär jemand anderes Schuld...als hätte er keine Wahl gehabt...", meinte ich. Und schließlich hat man immer eine Wahl. „Warum seid ihr Männer so?", murmelte ich in die schwarze Nacht. 

Wincent hielt mich am Arm fest und drehte mich zu sich. „Wir sind nicht so, nicht grundsätzlich. Wir...also ich, ich kann ja jetzt nur für mich sprechen...ich war zu schwach um dem zu widerstehen und zugegeben, es hört sich für einen selbst auch besser an, wenn man angegraben wird und nicht selbst die treibende Kraft war. Du kannst mir glauben, ich hab mich lang genug selbst verflucht dafür. Ich musste noch ne ganze Zeit damit leben...", gab er zu. Ich wusste nicht, ob es besser war eine einmalige Sache für sich zu behalten oder sie zu gestehen. Bei Simon war das was anderes, da wurde ne ganze Affäre draus, da hätte ich schon gerne vom ersten Mal gewusst.

„Du hast es ihr nie gesagt, oder?", fragte ich Wincent und er schüttelte nur mit dem Kopf. „Ich konnte es nicht. Wir haben uns so selten gesehen und sie freute sich immer so, ich mich ja auch, und dann hab ich irgendwie den Moment verpasst. Und lang war ich dann eh nicht mehr hier und wir sind nach Berlin", erklärte er. Seufzend drehte ich mich zu ihm und sah ihn an. „Was war ist vorbei, aber...gibt es noch mehr solche Themen, über die wir reden sollten?", fragte ich. Über mich wusste er alles, alles was mit meinen Exfreunden und nicht Exfreunden zu tun hatte. Wincent schüttelte wieder mit dem Kopf. „Gut, dann hätten wir das ja geklärt, oder?", meinte ich und sah ihn auffordernd an, bis er nickte. „Wir sind so anstrengend", seufzte ich und ließ mich auf eine Bank fallen. Wincent setzte sich neben mich und nahm meine Hand. „Sag sowas nicht, wir sind gut so, wie wir sind. Aber wir müssen echt besser miteinander reden", murmelte er. 

Ich sah zu ihm rüber und musste schmunzeln. „Ich weiß...wir haben das früher immer anders geregelt, daran muss ich mich erst noch gewöhnen", grinste ich und da grinste er auch wieder. „Manchmal frag ich mich, ob unsere Vergangenheit so vorteilhaft für unsere Beziehung ist?", meinte er. „Hättest du irgendwas davon missen wollen?", erwiderte ich und rutschte näher zu ihm. „Wenn ich ehrlich bin ja", fing er an und ich sah ihn perplex an, „das Drama hätte ich jetzt nicht gebraucht...alles andere war gut so, wies war", grinste er. Er zog mich zu sich und gab mir einen langen Kuss. 

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