Kapitel 67

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Wincent

„Du... du hast Krebs?", fragte ich leise und traute mich kaum Emma anzusehen. Augenblicklich bereute ich alles, was ich ihr in letzter Zeit immer wieder an den Kopf geworfen hatte. „Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich nicht, aber da ist ein Knoten in meiner Brust und der muss beobachtet werden.", flüsterte sie und lehnte sich an die Tür. „Warum sagst du mir sowas nicht?", fragte ich und innerlich wurde ich schon wieder sauer. „Weil ich weiß, wie du reagierst. Du würdest dir immer Sorgen um mich machen, du würdest Angst um mich haben und du würdest mich vermutlich mit Samthandschuhen anfassen.", erklärte Emma. „Ja, das würde ich, wenn es dir schlecht geht muss ich auf dich aufpassen.", begann ich sofort. „Wincent, mir geht es nicht schlecht. Ja, da ist was in meinem Körper, aber das wird beim Arzt regelmäßig überprüft und es ist alles gut. Ich wollte es nicht größer machen, als es ist.", sagte Emma ruhig. Wie konnte sie nur so ruhig bleiben? 

„Ich... Was... aber...", stotterte ich mir zurecht. „Beruhig dich erstmal. Wir sind beide super aufgebracht gerade. Ich geh jetzt ins Wohnzimmer und wenn du so weit bist, reden wir nochmal in Ruhe.", sagte Emma und ging. Sie wusste einfach immer, wie sie mich zu nehmen hatte. Ich brauchte echt einen Moment um darauf klar zu kommen. Was war in letzter Zeit nur los mit uns und warum war ich so darauf fokussiert ein Kind zu bekommen? Ich verstand mich ja manchmal selbst kaum. Genau mit diesen Worten ging ich dann irgendwann zu Emma und sah sie nach meiner Rede einfach nur entschuldigend an. „Wincent, es ist okay. Ich versteh, dass es dir nicht leicht fällt alle in deinem Umfeld mehr oder weniger glücklich mit Kindern zu sehen, während das bei uns noch kein Thema ist. Ich weiß, dass du schon einmal an einem Punkt im Leben warst, wo du darüber gesprochen hast und kurz davor warst diesen Traum zu verwirklichen. Auch wir sind jetzt an dem Punkt, an dem wir drüber reden, aber ich muss dir einfach sagen, dass es momentan keine kluge Entscheidung wäre. Ich will ja nicht übertreiben, aber willst du dein Kind ohne Mutter großziehen? Willst du das alleine?", erklärte Emma und mit jedem Wort verstand ich sie mehr.

„Natürlich nicht. Ich will das alles nur mit dir.", flüsterte ich. „Schau. Aber gerade wäre das nicht gut. Mit mir ist alles okay, aber ich will mir sicher sein, dass das auch so bleibt. Stell dir vor ich wäre schwanger und dann stellt sich heraus, dass ich doch Krebs habe. Ich müsste mich zwischen Hilfe für mich und dem Kind entscheiden. Das könnte ich nicht.", machte sie weiter. „Hör bitte auf, ich will an sowas gar nicht denken müssen.", sagte ich und rutschte dichter an sie. „Ich will dir die Situation nur einmal bewusst machen. Ich bin mir sicher irgendwann wird mir der Arzt vollkommene Entwarnung geben, aber so lange sollte ich einfach nicht schwanger werden, okay?", unterstrich sie nochmal. „Ich habs verstanden, aber warum hast du nie was gesagt?", fragte ich. „Den Befund hab ich ein paar Wochen bevor ich nach Bali bin bekommen. Wir hatten keinen Kontakt und jetzt? Ich wollte dich nicht verunsichern, das hab ich doch eben schon gesagt. Ich kenn dich, ich kenn deine Sorgen und ich weiß, wie du sowas aufnimmst.", meinte sie. 

„Also lügst du mich lieber an und sagst, dass du noch nicht bereit für Kinder bist?", sah ich sie prüfend an. „Nein, Wincent. Ich versuche das selber zu verdrängen und zu vergessen. Ich will nicht in Angst leben und bis du mit der Baby-Sache um die Ecke kamst, hat das auch gut funktioniert.", sagte Emma. Wir hatten uns da auch eventuell ein bisschen verrannt. Wie immer hätten wir viel früher reden sollen. „Ich war scheiße, oder?", murmelte ich. „Ein bisschen vielleicht, aber ich hätte dich auch früher einweihen müssen", lächelte Emma leicht und strich mir durch die Haare, während ich meinen Kopf auf ihrem Schoß bettete.

„Trotzdem beschäftigt es mich irgendwie, dass alle Kinder bekommen.", murmelte ich und hätte mir am liebsten selbst eine geklatscht. Das Thema war gerade sowas von fehl am Platz. „Das ist doch okay, Wincent. Wir werden einfach langsam auch leider irgendwie alt und da kommt das Thema eben auf. Und du darfst da auch immer mit mir drüber reden, du sollst es sogar, ich versteh dich. Und wäre meine Situation eine andere würde ich genau so denken. Du wirst deine Familie bekommen, das verspreche ich dir... irgendwann, wenn es an der Zeit ist, und bis dahin wirst du der beste Patenonkel der Welt sein. Die ganzen Kinder im Freundeskreis werden dich lieben und ich wette du darfst dich da schon sowas von austoben.", lächelte Emma leicht. „Wenn die älter sind können wir Ausflüge mit denen machen.", strahlte ich Emma an. 

Meine Fantasie ging schon wieder mit mir durch und ich sah uns mit Pauls Kind an der Hand im Tierpark stehen. „Also ich hoffe ja, dass wir bis die alt genug sind selbst Kinder haben.", schmunzelte sie. In mir keimte die Hoffnung, dass sie das ernst meinte und wir vielleicht wirklich keine Jahre mehr warten mussten. „Ja gut... aber wir können Marco und Linda doch bestimmt das Baby abnehmen, oder?", fragte ich. Sanft lächelte Emma mich an. „Ab und an bestimmt, aber erstmal müssen die beiden sich einigen und einfinden und wenn das Kind dann ein bisschen älter ist, dann dürfen wir bestimmt mal für einen Tag oder so aufpassen.", erklärte Emma.

Sie war schon immer die realistisch-rationale von uns beiden, während ich gerne träumte. Und trotzdem träumte sie an diesem Abend meine Träume mit mir. Wir sponnen uns zusammen, wo wir nächstes Jahr um diese Zeit stehen wollten, in drei, in fünf, in zehn und in fünfzig Jahren. Unsere Zukunft sah so rosig aus und wenn das wirklich so werden würde, dann war ich mein Leben lang der glücklichste Mann der Welt. „Aber erstmal sind wir noch ein bisschen Emma und Wincent, okay? Ich liebe dich.", beendete Emma meine Schwärmerei und gab mir einen Kuss. Erstmal... und irgendwann würden wir Mama und Papa werden und ich war mir sehr sicher, dass ich auf meinen allergrößten Traum gar nicht so lange warten musste, wie Emma es mir sagte.

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