Kapitel 70

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Wincent

Viel zu schnell gingen die paar Tage in Österreich vorbei und wir fanden uns auf dem Rückweg nach München wieder. Der Urlaub nur zu Zweit hatte uns so gut getan. Mal nur Emma und ich zu sein, ohne Musik, ohne Tour, ohne Kameras oder sonst irgendjemand, der uns kennen könnte. Wir waren den ganzen Tag auf den Boards, jagten jede erdenkliche Piste hinunter und ein Glück spielte uns das Wetter so gut in die Karten. Silvester verbrachten wir ganz entspannt auf unserem Hotelzimmer und sahen uns von der Terrasse das Feuerwerk an. Kurzum ich war nach dieser Woche ziemlich erholt und voller neuer Energie- und die würde ich für das Jahr 2020 auch brauchen. Aber der Januar begann recht entspannt und wir legten auch nur deswegen einen Stopp in München ein, um Kevin und Fabi zu besuchen. „Hallöchen", trällerten Emma und ich im Chor, als wir das Studio betraten. Aber niemand reagierte. Irritiert sah ich zu Emma, die bereits aus ihren Schuhen geschlupft war und ihre Tasche in die Ecke schmiss. Wir gingen weiter in die Küche und wie die aussah, war auf jeden Fall irgendjemand da. Emma füllte sich ein Glas mit Leitungswasser und während sie das runterkippte kam mir eine Idee, die mich ziemlich grinsen ließ. 

„Oh nein", meinte Emma, als sie mich ansah. Oh doch! Ich füllte zwei weitere Gläser und gemeinsam schlichen wir uns in da Aufnahmezimmer, aus dem wir Fabi singen hörten. „Du bist echt ein schlechter Einfluss, wenn ich da schon wieder mitmache", flüsterte Emma neben mir, bevor sie leise die Tür öffnete. Zu unserem Vorteil saßen Kevin und Fabi beide mit Kopfhörern vor dem Rechner und kriegten überhaupt nichts von uns mit. Immer wenn ich zu Emma schaute wurde die knallrot und war kurz davor laut loszulachen, also ließ ich das wieder bleiben. Nur noch zwei Schritte! Ich wartete auf Emma und dann hielten wir beide die vollen Gläser hoch über die Köpfe von Fabi und Kevin.

Ich zählte mit meinen Fingern von drei runter, dann drehten wir die Gläser und badeten die Beiden. „Alter!", fluchte es zweistimmig vor uns und da kriegte ich mich kaum mehr ein vor Lachen. „Wincent!", fluchte Fabi weiter, als er mich erkannte und sprang auf. „Emma!", kam es im gleichen Atemzug von Kevin. Wie zwei begossene Pudel standen sie vor uns, während wir aus dem Lachen kaum mehr raus kamen. „Hallöchen", quietschte Emma irgendwann und drückte erst Fabi und dann Kevin zur Begrüßung. „Es ist sein schlechter Einfluss...", murmelte sie. „Du weißt, dass das Rache gibt", meinte Fabi und umarmte ich kurz, „du wirst irgendwann mal wieder alleine hier sein". Das war schon immer so bei uns, Spielereien und Streiche machten das Studioleben ja auch irgendwie aus. Emma machte dann Kaffee für uns alle und wir quatschten eine Runde, hörten nebenbei ein bisschen in Fabis neue Songs rein und tauschten uns über die kommenden Wochen aus. „Wir wollten heut Abend eigentlich feiern gehen. Bock?", meinte Fabi und ich wäre durchaus auch für einen gemütlichen Abend zu haben gewesen. Aber Emma war sofort Feuer und Flamme, wie hätte ich ihrem Hundeblick widerstehen können? 

Also trommelten wir noch ein paar weitere Leute zusammen, gingen erst gut Burger essen und fanden uns dann am späten Abend in meiner Lieblingsbar wieder. Ich war oft hier, als ich noch in München gelebt hatte und im Restaurant gegenüber gearbeitet hatte. Das Bier war gut und Emma mit meinen Jungs so ausgelassen zu sehen, gefiel mir. Emma war gerade mit Fabi bei irgendwelchen Instagramstories beschäftigt, als ich mich auf den Weg zu den Toiletten machte.

Aber weit kam ich nicht, als ich gerade an der Bar vorbei war, fiel mir jemand ins Auge, den ich nur zu gut kannte. Ich hoffte sie würde mich nicht gesehen oder erkannt haben, aber vergebens. „Wincent?", hörte ich direkt meinen Namen und eine Sekunde später stand sie grinsend vor mir. „Dass man dich hier mal wieder sieht", meinte sie und umarmte mich überschwänglich. Sofort war jede meiner Erinnerung an sie wieder da, jede Gute und jede nicht so Gute. „Pia, hey", erwiderte ich und bemühte mich um ein ehrliches Lächeln. Sie textete mich direkt zu, fragte was ich so getrieben hätte die letzten Jahre und was so abging bei mir. Ich glaubte ihr nicht so ganz, dass sie davon gar nichts mitbekommen hätte, erzählte ihr aber trotzdem ein bisschen was. „Es ist längst nicht mehr so cool, seitdem du weg bist", meinte sie dann und drehte sich eine Haarsträhne um den Finger. Wir hatten früher zusammen gekellnert, bis ich aus München weg bin, und diesen Move kannte ich nur zu gut. 

„Ach Quatsch, mein Nachfolger war doch nicht übel", antwortete ich. Ich wollte dieses Gespräch nicht führen, ich wollte nicht mit ihr reden oder gar gesehen werden. Von Emma, die alles hier in den falschen Hals kriegen würde- mit Sicherheit. Pia hob eine Augenbraue und schlürfte an ihrem Strohhalm. „Keiner könnte dir das Wasser reichen", flüsterte sie mir ins Ohr und strich federleicht über meinen Arm. Ich muss hier weg, bevor Emma uns sieht, alarmierte meine innere Stimme. „Ich hab ne Freundin, Pia", sagte ich ernst und ging einen Schritt von ihr weg. Fragend musterte sie mich. „Das hat dich damals auch nicht gestört", erwiderte sie frech und biss sich auf die Unterlippe. Musste sie mich ausgerechnet daran erinnern? Ich war nicht besonders stolz darauf, was damals zwischen uns gelaufen ist, obwohl ich vergeben war.

„Du warst damals schon heiß, aber heute...", redete sie weiter und fächerte sich Luft zu. „Du trainierst mehr...", kommentierte sie ihren Griff um meinen Oberarm. „Hör auf damit", versuchte ich es weiterhin im Ruhigen. Was leider absolut nicht zu Erfolg führte, eher im Gegenteil. Pia schob ihren Drink auf den Tresen und stellte sich direkt vor mich. „Ich hätte so Bock auf dich...ich bräuchte mal wieder ne richtig gute Nummer. Wollen wir nicht kurz auf die Toilette verschwinden? Das merkt doch keiner...", flüsterte sie mir wieder ins Ohr.

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