Kapitel 42

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Emma

Nachdem ich das Thema mit seiner Mum bei Wincent angesprochen hatte, verfolgte es mich nur noch mehr. Jedes Mal, wenn er anrief, sah er mich so an, mit diesem Blick, der mich wieder an das erinnerte, was ich mal kurz vergessen hatte. Jedes Mal fragte er nach, wie es mir ginge. Wie soll es mir schon gehen, wollte ich gerne sagen, aber genauso wenig wollte ich mich übers Telefon mit ihm streiten. Das führte ja zu nichts. Und so wurden unsere Telefonate immer kürzer und seltener auf die letzten zwei Tage. An meinem letzten Abend alleine lud ich Linda ein. Ich musste mal mit einer Frau reden, mit meiner besten Freundin. Sie fand schließlich immer die richtigen Worte. Gespannt hörte sie mir zu, während ich redete und sah mich danach einfach nur an. Bevor sie ihr Glas griff und den Wein in einem Zug leerte. Sie wischte sich über den Mund und drehte sich zu mir. Ich war auf Einiges gefasst. „Das is doch Quatsch, Emma. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie dich mag, bei dem was du erzählt hast. Ich glaub, sie war einfach nur überfordert in dem Moment. Ich mein, wie hab ich geschaut? Und ich bin nur deine beste Freundin...aber er ist ihr Sohn. Und sie hat ja schon Recht mit dem, dass es schwierig war mit euch", philosophierte sie. 

Das war mir ja auch alles klar, aber trotzdem musste sie ihm sagen, dass er nichts überstürzen sollte? Und außerdem war ich ja wohl nicht die einzig Schuldige, verdammt. „Es geht sie doch auch einfach nichts an, was zwischen uns war, meine Güte", brummelte ich und goss uns Wein nach. „Da hast du Recht! Aber trotzdem Emma, mach dich nicht fertig, jetzt. Das wird schon, du wirst sehen. Lass die Beiden einfach nochmal in Ruhe reden und dann klärt ihr das. Du hast doch selbst gesagt sie war ganz normal zu dir, als Wincent krank war. Vielleicht hat sie das alles gar nicht so ernst gemeint, wie du denkst", redete Linda weiter auf mich ein. Sie stand immer auf meiner Seite, egal was war, aber wenn sie schon so neutral alles sah, war ich vielleicht echt drüber. Aber man hört doch nicht gerne, dass die Schwiegermutter sowas sagt.

„Angela is doch cool eigentlich, mit der kann man doch reden. Nehmt n guten Wein mit und dann sprecht ihr das aus und fertig. Ihr wollt doch alle das gleiche, nämlich dass Wincent glücklich ist", sagte sie und hob ihr Glas. Kopfschüttelnd sah sie mich an. „Hast du das gehört, was ich da gesagt hab? Gott, was is nur mit mir los...werden wir etwa erwachsen?", fragte sie und da musste ich doch lachen. Linda schaffte es einfach immer wieder. Nachdem wir das Thema durch hatten, wurde der Abend auch noch schön feucht-fröhlich. Er versuchte das Gespräch immer wieder auf Marco zu lenken, aber Linda war nach wie vor felsenfest davon überzeugt, dass ihr eine Affäre genügte. 

„Was ist denn hier los?", hörte ich plötzlich Wincents Stimme hinter uns. Erschrocken drehte ich mich um und stürmte auf ihn zu, als ich ihn in der Tür stehen sah. „Warum hast du nicht Bescheid gesagt?", murmelte ich und küsste ihn immer wieder. „Ich hab dich vermisst", flüsterte ich. Er drückte mich fest an seine Brust und hielt mich einfach nur fest. Diese Nähe war genau das, was ich jetzt brauchte. Und das lag nicht nur an meinem Alkoholpegel. „Ich hab dich auch vermisst, Herz", sagte er irgendwann und stellte mich wieder auf meine Füße. Es musste schon spät gewesen sein, wenn er schon Zuhause war. „Und ihr hattet offenbar einen schönen Abend", meinte er und deutete auf die leeren Weinflaschen auf dem Tisch. Ich sah Linda an und wir mussten beide lachen. Allerdings! „Aber ich werd dann mal gehen", meinte sie, „is schon ganz schön spät." Sie torkelte durch die Wohnung und suchte ihre Sachen zusammen. Wincent beobachtete uns grinsend. „Soll ich dich schnell fahren?", fragte er, aber Linda verneinte.

„Marco holt mich...", meinte sie und drückte mich kurz, dann verschwand sie aus der Tür. „Ach was...Marco holt sie", kommentierte Wincent. „Es ist nur eine Affäre", wiederholte ich Lindas Worte von vorhin. Wir sahen uns in die Augen und mussten beide lachen. „Die sind so bescheuert", rollte Wincent mit den Augen. Urplötzlich schlug der Alkohol und die Müdigkeit bei mir zu und ich wollte einfach nur ins Bett. Ich kuschelte mich an Wincent und sah zu ihm hoch. „Na los, geh schon mal rüber, ich komm gleich", meinte er und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Stirn. Ich tapste ins Schlafzimmer und ließ mich wie ich war ins Bett fallen. Dass Wincent sich zu mir legte, kriegte ich gar nicht mit. 

Ich wachte erst spät am nächsten Morgen auf und tatsächlich hatte ich mal wieder gut geschlafen. Ob das an Wincent oder dem Alkohol oder an beidem lag, spielte ja auch keine Rolle. Ich schlug meine Augen auf und blickte direkt in die von Wincent. „Morgen", grinste er. „Morgen", murmelte ich und rutschte näher zu ihm. Er strich mir über den Rücken und das war gerade alles, was ich brauchte. „Lass uns nachher zu deiner Mum rüber gehen", hörte ich mich sagen, „wir müssen das klären". Wincent seufzte. „Ich weiß. Aber bist du dir sicher?", meinte er. Ich sah zu ihm hoch und nickte. Wir mussten das klären, besser gestern als heute, schon viel zu lange stand das Thema zwischen uns.

„Du willst das doch klären, oder? Sonst sag es mir gleich", erwiderte ich. Wenn ich ein hoffnungsloser Fall war, wollte ich das wissen. Fragend sah Wincent mich an. „Na ich mein, wenn es dir egal ist, wie die Dinge zwischen deiner Mum und mir stehen, dann sag es mir gleich...dass ich keine Chance habe", murmelte ich und spürte direkt wieder diesen Druck auf meiner Brust.

Wincent stieß mich von sich weg und sah mich mit aufgerissenen Augen an. „Was redest du denn für nen Müll? Dass du keine Chance hast? Gegen wen? Worauf? Hä?", redete er auf mich ein. Ich versuchte ihm zu erklären, wie ich mich fühlte, aber irgendwie fehlten mir die richtigen Worte. Egal, wie ich den Satz anfing, er machte am Ende keinen Sinn. „Ich will nicht zwischen euch stehen. Und ich will nicht, dass ihr euch wegen mir streitet. Also gibt es nur genau eine Möglichkeit, wenn sie mich nicht akzeptiert", endete mein letzter Versuch. Ich konnte es nicht laut aussprechen. Und Wincent verstand mich dennoch. „Sag mal, du spinnst doch. Was geht in deinem Kopf vor? Niemals würd ich dich hängen lassen. Und das will sie doch auch eigentlich nicht, meine Güte. Ich weiß überhaupt nicht, was im Moment los is bei dir. Denkst du ersthaft wir sollten uns trennen, nur weil meine Mutter grade n Aussetzer hat?", redete er weiter auf mich ein. Ja, wenn das die einzige Möglichkeit war...

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