Kapitel 95

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Wincent

„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber du siehst gut aus. Steht dir", hörte ich die Worte meines besten Freundes, als ich aus der Umkleidekabine kam. Die letzten Änderungen waren gemacht und ich trug das erste Mal den fertigen, passenden Anzug für meine Hochzeit. Fuck! Ich betrachtete mich im Spiegel und kriegte mein Grinsen kaum aus dem Gesicht. „Danke", meinte ich zu Marco und drehte mich zu ihm. „Ich heirate", murmelte ich weiter. „Jep", kommentierte er nur, „wer hätte das für möglich gehalten?!" Ich legte meinen Kopf schief und grinste. Eventuell war mein Leben etwas chaotisch gewesen. „Ich hab immer gewusst, dass es Emma ist", hörte ich Marco sagen und da löste ich meinen Blick wieder vom Spiegel. 

„Wie du von ihr geredet hast. Wie du sie angesehen hast. Immer, wenn ich mir deine Hochzeit vorstellt hab, stand sie neben dir. Ihr seid so auf einer Wellenlänge, dass es schon beinahe unheimlich ist. Du weißt ich bin ne absolute Niete in diesem Beziehungszeug und manchmal beneide ich dich. Dass du alles hast, was du brauchst, mit ihr. Ich wünsche dir nur das Allerbeste, und das weißt du. Ich bin stolz auf dich", sagte er und in seinen Augen erkannte ich, dass alles davon die Wahrheit war. Ich musste schlucken und konnte erstmal nichts dazu sagen. Wenn er jetzt schon sowas sagte, wie sollte das nur an der Hochzeit werden? Ich wollte eigentlich wirklich nicht heulen! Marco ließ sich von mir umarmen und ich spürte, dass ihn diese Situation wirklich berührte. „Danke, dass du mein bester Freund bist", sagte ich nur. „Ich hoffe du packst nix davon in deine Trauzeugenrede, sonst muss ich doch noch heulen", murmelte ich und löste mich von ihm. Marco musterte mich. „Das wirst du, so oder so. Es wird egal sein, was ich sage", grinste er. Vermutlich hatte er Recht.

Ich wollte den Anzug kaum mehr ausziehen, aber ich musste, und so saßen wir keine halbe Stunde später wieder im Auto. „Was machen wir jetzt noch?", meinte Marco und sah fragend zu mir rüber. Ich warf einen Blick auf die Uhr; der Tag war noch jung. „Zocken und Bierchen?", fragte ich und Marco nickte grinsend. „Aber bei dir. Bei uns Zuhause hat ne Hochzeitsdekobombe eingeschlagen", gab ich zu. Ich tippte eine Nachricht an Emma und fragte mehr rhetorisch, ob das okay für sie wäre. Eigentlich war es mehr eine Mitteilung. Ich hatte meine Jobs für die Hochzeit erfüllt, also sprach für mich nichts gegen einen Abend mit meinem besten Kumpel. Emma sah das genauso und wünschte uns nur viel Spaß. 

Wir nahmen uns auf dem Heimweg eine Pizza mit und knallten uns damit vor den Fernseher. Unser Spiel lief auch mehr als gut und so hatten wir einen echt guten Abend. Als ich uns Biernachschub besorgte fiel mir direkt ein Foto von Marco, Linda und Adam auf. Sie wirkten locker und entspannt auf dem Bild und doch sahen sie irgendwie wie Familie aus. Gut, sie waren auch eine, aber irgendwie auch besonders. Marco hatte Adam auf dem einen Arm und Linda im anderen. Sie sah ihn an und ich kannte diesen Blick von Emma. „Sag mal, braust du das Bier selbst oder was dauert da so lange?", kam Marco plötzlich um die Ecke. Ich sah ihn an und deutete dann mit meinem Kopf auf das Bild. „Was is damit? Du kennst das doch", meinte er nur und nahm mir eine Flasche Bier aus der Hand. „Aber mir ist nie aufgefallen, wie sie dich da ansieht", gab ich zurück. Marco rollte mit den Augen und schubste mich zurück in Richtung Couch.

„Schon wieder das Thema? Ehrlich?", fragte er. Ich wusste, dass ich ihm versprochen hatte nicht mehr darüber zu reden, aber ich konnte es wohl doch nicht sein lassen. Meine Gefühlswelt war etwas anfällig für Romantik und sowas geworden, jetzt so kurz vor der Hochzeit. „Selbst auf Fotos sieht man das...ich kenn diesen Blick...Marco", meinte ich. Natürlich war er komisch, kurz bevor Linda ausgezogen war, aber mittlerweile dachte ich wieder daran, dass da doch etwas war zwischen den Beiden. Marco stoppte das Spiel und atmete tief durch. „Natürlich ist da sowas wie Liebe, aber anders als du das kennst. Sie ist die Mutter meines Kindes, sie steht über allem, und ich könnte mir keine bessere Mutter für mein Kind vorstellen, aber das hat nichts mit meinen Gefühlen für sie zu tun", fing er seine Erklärung an. Das war ja wohl absoluter Käse; als ob das nichts mit seinen Gefühlen zu tun hätte. 

Er hat das Wort Liebe in den Mund genommen, unfassbar! „Und ja, irgendwie ist das auch das Beste, was mir passieren konnte, wahrscheinlich hätte ich mich bewusst nie oder zumindest nicht in naher Zukunft für irgendjemanden entschieden. Wir sind ne coole Familie und genau das, was ich gerade brauche. Ich liebe Adam und ich liebe Linda- aber eben als die Frau, die mir dieses wunderbare Kind geschenkt hat", sprach er weiter. Und wo war jetzt schnell wieder der Punkt, dass sie nicht zusammen sein können? Er liebt sie, sie liebt ihn, offensichtlich, wo war das Problem? 

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