Wincent
Nachdem ich in der darauffolgenden Woche einige Promotermine mit Amelie hatte und Emma dafür natürlich Zuhause blieb, hatten wir uns kaum gesprochen. Wir hetzten von einem Termin zum nächsten und Emma war mit dem ganzen Merch-Kram für die Festivals ganz gut beschäftigt. Demnach freute ich mich auf ein entspanntes Wochenende zu Zweit. Aber da war ich wohl der Einzige, denn Emma hatte uns schon wieder mit Marco und Linda verabredet, weil „wir sehen uns so selten und Adam is bei Oma". Dazu ihr süßer Hundeblick und ich konnte gar nicht mehr ‚nein' sagen. Also sprang ich, kaum war ich Zuhause, nur kurz unter die Dusche und verließ unsere Wohnung keine Stunde später wieder. „Ich fahr", meinte Emma und ich sah sie nur fragend an. Normalerweise war sie nicht diejenige, die diesen Job gerne übernahm. „Wir haben Pläne, falls du dich erinnerst...da sollte ich keinen Alkohol trinken", zwinkerte sie und ließ sich auf den Fahrersitz sinken. Ich stieg ebenso ein und sah grinsend zu ihr rüber. „Und was ist deine Ausrede?", fragte ich sie. „Linda stillt noch, demnach trinkt die auch nicht. Ich zeige mich nur solidarisch", erklärte sie.
Letztendlich kam die Frage gar nicht auf, als wir unsere Bestellung aufgaben, weil Emma und Linda in irgendein Thema versunken waren und Marco sowas eh völlig egal war. Aber der war eh nicht ganz bei der Sache, hatte ich das Gefühl. „Digga, was is los?", frage ich ihn irgendwann gerade heraus, nachdem er auf keine meiner Erzählungen mit mehr als Nicken und ‚Mhm' reagierte. „Sorry, nur Stress auf der Arbeit...ich brauch dringend Urlaub", meinte er und orderte direkt etwas Hochprozentiges für uns. „Du kannst nächste Woche mit mir auf Tour kommen", lachte ich und prostete ihm zu. Er hob nur eine Augenbraue. „Weil das ja Urlaub is, sicher", grinste er und kippte den ersten Shot runter. Das war also auch nicht das richtige Thema, also versuchte ich uns in das Gespräch der Mädels mit einzubringen. Wir waren schließlich zu viert hier. Es ging gerade um irgendwelche Pläne für die nächste Woche. „Am Mittwoch müssen wir mit Adam zum Kinderarzt, da ists schlecht", hörte ich Linda sagen. Und kurz darauf Marco, der sich einmischte.
„Muss ich da mit? Ich hab da eigentlich ne Verabredung", meinte er. Kurz herrschte Stille an unserem Tisch und ich wusste gar nicht recht warum. Hatte ich irgendwas nicht mitgeschnitten? Muss man da zu Zweit mit? Wenn es nur ums Impfen oder sowas ging... Also ich müsste da auch nicht immer dabei sein, dann wären wir so Helikoptereltern, die alles zusammen machen. Ne, also, ich konnte Marco schon verstehen. Und Linda offenbar auch. „Ne, Quatsch, musst du nicht. Ich kann auch alleine, ist ja nicht seine erste Impfung", erwiderte Linda und strich ihm über die Hand. Ich stresste mich da nicht mehr so rein, wie am Anfang, aber trotzdem fand ich es süß, dass die Beiden doch irgendwie zusammen waren. Auch wenn ich nach wie vor nicht wirklich wusste, wie genau sie das Ganze nannten. Marco wich mir immer aus, sagte nur, dass sie die Eltern von Adam waren und gelegentlich im Bett landeten. Also für mich klang das sehr nach Beziehung, aber was weiß ich schon?
Recht schnell schoben wir die Kinder- und Beziehungsthemen aber bei Seite und je mehr Shots Marco bestellte, desto lustiger wurde der Abend. Es war wie früher, als es Adam noch nicht gab, und ich hatte auch das Gefühl, dass es für Linda und Marco entspannt war. Ich wusste nicht wie lange ihr letzter kinderfreie Abend her war, aber Marcos Pensum nach zu urteilen, muss es eine ganze Weile gewesen sein. Wir waren mittlerweile an die Bar gewandert und schnackten blöd daher, Marco checkte die ein oder andere Frau neben uns ab, aber das schob ich auf seinen Pegel und seine Aufreißer-Art, die er scheinbar noch immer nicht abgelegt hatte. Mehr als Blicke und Pfiffe gab es aber nicht und so sah ich mir das Spektakel nur schmunzelnd an.
Irgendwann wurde sein Spiel allerdings von unseren Frauen durchkreuzt, die gehen wollten. Während ich sofort meinen Drink leerte und meine Jacke vom Stuhl nahm, hing Marco an seinem Glas fest. Mit Engelszungen versuchten die Mädels auf ihn einzureden, aber es war zwecklos. „Komm schon, Marco, du hast genug", sagte Linda sanft und zog ihn auf die Beine. Er rollte mit den Augen, also glaubte ich zumindest, könnte auch vom Alkohol gewesen sein. „Du bist nicht meine Mutter", brummelte er und damit ließ ihn Linda in Ruhe. Jetzt war es an mir ihn ins Auto zu bringen. „Komm schon, Alter, lass uns gehen", meinte ich und nahm schon mal seine Jacke. Er starrte an mir vorbei auf die Theke. „Marco", versuchte ich ihn weiterhin zu überzeugen. Gott, war der stur. Und mein Pegel noch dazu machte die Sache nicht einfacher. Ich musste härtere Geschütze auffahren.
„Du kriegst jetzt deinen Arsch hoch und gehst mit deiner Frau heim, verdammt. Jetzt ist Schluss hier", sagte ich und nahm ihm sein Glas weg. Nur widerwillig und brummelnd folgte er mir. Irgendwo verstand ich ihn ja, ich hasste es auch, wenn mich jemand so bevormundete, aber der Abend war echt rum- eindeutig. Ich setzte ihn also ins Auto und drückte Linda zum Abschied. „Meld dich, wenn du doch noch Hilfe mit der Knalltüte da brauchst. Aber ich denke dir fällt da schon was ein", sagte ich leise und konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Da waren wir alle gleich. „Das krieg ich hin", grinste sie und stieg dann ebenso ins Auto, während ich mich neben Emma setzte. Fragend sah sie zu mir rüber. „Was?", fragte ich, weil ich nicht wusste, was los war. „Da stimmt doch irgendwas nicht", meinte sie und startete den Wagen. Ich wusste immer noch nicht, was sie meinte, aber ich kam auch gar nicht dazu nachzufragen.
„Mit denen ist irgendwas", philosophierte sie weiter. „Linda war so komisch. Und dann noch dieses ‚ne ne, schon okay, ich kann auch alleine mit Adam zum Arzt.' Sie ist doch kein Hausfrauchen. So kenn ich sie nicht. Normalerweise hätte sie ihm das nicht so durchgehen lassen". Ich hatte Mühe mitzukommen. „Und außerdem, was für ne Verabredung? Hat er dir was erzählt?", fragte sie mich. „Ähm, also, ne", stammelte ich, „er hat nichts erzählt. Ich hab aber auch nicht gefragt. Er meinte nur er wäre gestresst von der Arbeit und bräuchte dringend Urlaub". Ich erzählte Emma alles, was ich mit Marco bequatscht hatte, aber das war ja nichts von Belang. „Als ob...Stress auf der Arbeit...das glaubt er doch selbst nicht", spottete Emma. „Wincent, da stimmt was nicht bei denen", meinte sie wieder und diesmal klang sie energischer. Ich seufzte. Mein benebeltes Hirn war eindeutig nicht bereit für solche Verschwörungstheorien.
„Ach und selbst wenn sie grad so ne Phase haben, wer hat die nicht?", versuchte ich mich in Diplomatie. Ich wollte darüber jetzt nicht philosophieren, ich wollte einfach nur ins Bett. Aber Emma ging so gar nicht darauf ein. „Aber hast du gemerkt, wie er mit ihr umgegangen ist? Bzw. wir er nicht mit ihr umgegangen ist? Der hat sie fast den ganzen Abend ignoriert und sich nur mit dir beschäftigt", erzählte sie weiter. Was ja klar war, schließlich waren wir beste Kumpels und warum sollten wir uns in Frauenthemen einmischen? Das sagte ich ihr natürlich nicht, schließlich wollte ich sie nicht unnötig aufregen. „Vielleicht wär ein anderer Abend besser gewesen", warf ich ein. Und dabei sprach ich nicht nur für Marco, sondern irgendwo auch für mich. Mittlerweile waren auch Emma die Argumente ausgegangen und sie hatte wohl doch verstanden, dass bei mir in diesem Moment nichts zu holen war. Ich war nach wie vor der Meinung, dass sie übertrieb und Marco und Linda maximal eine Meinungsverschiedenheit hatten, aber ich sollte noch eines Besseren belehrt werden.
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Nur mit Dir
FanfictionDas hier ist der zweite Teil rund um Emma und Wincent. Es war schwierig mit den Beiden; dieser Pakt ihrer Freundschaft- plus, von der jeder sagte, dass es nicht gut gehen könnte. Und jeder sollte Recht behalten. Erst verliebt sich der eine, dann der...