Kapitel 63

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Wincent

Ich betrat unsere Wohnung und lief schnurstracks in Badezimmer, als ich das Wasser plätschern hörte. Ich öffnete die Tür zur Dusche und Emma erschrak erstmal, als sie mich sah. „Wincent! Du hast mich erschreckt", sagte sie, als sie sich beruhigt hatte. Sie musterte mich, ich hatte immer noch meine Jacke und Schuhe an. „Linda ist schwanger. Wusstest du das?", fragte ich sie gerade heraus. Emma seufzte. „Wusstest du das?", wiederholte ich meine Worte etwas lauter. Ernst sah mich Emma an, als hätte ich irgendwas falsch gemacht. „Kann ich fertig duschen und wir reden dann in Ruhe? Du saust hier alles ein", meinte sie. Ich sah an mir runter, meine Schuhe hatten Schlammabdrücke auf dem weißen Teppich hinterlassen und der Boden vor mir schwamm. Ich musste ihr Recht geben, dass das in dieser Sekunde keine gute Idee war. Wortlos verließ ich das Badezimmer, zog mich aus und legte mich auf die Couch. 

Ich wusste nicht mal genau, was es war, was mich so wütend machte. Eigentlich war es doch klar, dass Linda ihre beste Freundin zuerst einweiht. Ich hätte das nicht anders gemacht. Aber Emma tat die letzten Wochen so, als wäre nichts, und im Nachhinein machte mich das rasend. Wie konnte sie mir so offensichtlich ins Gesicht lügen? „Ich hab dich nicht angelogen, ich hab nur meine Klappe gehalten, weil Linda mich darum gebeten hatte", hörte ich Emmas Stimme plötzlich hinter mir. Ihre Haare waren noch nass und sie trug nur ein Handtuch, als sie zu mir ins Wohnzimmer kam. „Du hättest mich wenigstens ein bisschen vorbereiten können. Ich hab total scheiße reagiert, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Und Marco war auch komplett überfordert...ihr habt ja schon alles entschieden", redete ich einfach drauf los. „Wir haben überhaupt gar nichts entschieden! Das müssen die Zwei zusammen machen. Und nicht wir, das ist nicht unser Business, Wincent", sagte sie ernst und setzte sich neben mich. Ich wusste eigentlich, dass sie Recht hatte, dass Marco und Linda in erster Linie darüber entscheiden müssen, aber irgendwas daran machte mich fertig. Ich war völlig überfordert und aufgebracht- wünschte ich doch, Emma und ich wären an diesem Punkt in unserem Leben.

Aber das konnte ich ihr nicht sagen, weil ich wusste, dass sie kein Kind wollte. „Aber wir müssen doch darüber reden können...", murmelte ich. „Können wir doch, aber die Beiden müssen entscheiden, wie es weitergeht. Wir dürfen uns da jetzt nicht einmischen und vor allem dürfen wir das nicht auf uns projizieren", versuchte Emma mich zu besänftigen. Aber genau das tat ich wie automatisch. „Offensichtlich können wir nicht darüber reden, wenn du keine andere Meinung außer deiner eigenen akzeptieren kannst. Ich bin nicht so cool wie du", erwiderte ich. Ich wusste selbst nicht, was mit mir los war, was mich so durcheinander brachte und was mich so festfahren ließ. Egal, was sie sagte, ich fühlte mich direkt wieder angegriffen. Wir waren uns so uneinig und dabei war das ein Thema, bei dem wir uns einig sein sollten. „Du tust ja gerade so, als wär ich völlig kalt und könnte hier rational entscheiden, aber ich bin doch kein Unmensch. Mir geht das auch nah. Ich wollte meine beste Freundin nie so sehen...", sprach sie weiter. Warum verstand sie mich so falsch? Ich meinte doch nur, dass sie bei sowas einfach cooler war als ich. Bei mir spielte gleich mein ganzer Kopf verrückt. Und da half es auch nichts, dass sie mir noch zig mal versicherte, dass es Marco und Linda waren und nicht wir. Nicht mal ihr Vergleich mit uns im Sommer 2018 änderte was an meinem Gedankenchaos. „Ich hätte alles stehen und liegen gelassen für dich und ich tu es immer noch. Emma, ich hab einfach Schiss, dass die Sache zwischen Linda und Marco auch bei uns was verändert", gab ich zu.

Schließlich würde sie sich immer auf Lindas Seite stellen und ich mich auf Marcos. Und wenn die Beiden sich mal trennen sollten- wenn sie überhaupt zusammen kämen- dann würde das gezwungenermaßen auch unsere Beziehung belasten. Emma sah mich an und nahm meine Hand. „Überleg doch mal wie die Beiden drauf sind. Selbst wenn sie nicht zusammenkommen, werden sie immer cool miteinander sein. Wir werden dieses Kind mit Liebe überschütten. Und wir werden immer Emma und Wincent und Marco und Linda bleiben", sagte sie und da huschte mir ein minikleines Lächeln übers Gesicht. Dafür liebte ich sie, für ihren unsagbaren Optimismus. Bisher tangierte uns die Affäre der Beiden ja auch nicht, außer dass wir beide das unheimlich witzig fanden- bis jetzt. Trotzdem ließ es mich nicht los. „Können wir nicht irgendwas tun?", fragte ich sie. Ich konnte nicht einfach dumm rumsitzen und warten, worauf auch immer. Emma seufzte. „Worum geht es dir eigentlich? Um das Kind oder ob sie zusammen kommen?", fragte sie. Jetzt seufzte ich. „Darum dass mein bester Freund glücklich ist...und das Kind...und Linda. Ich sag doch selbst, es muss nicht immer Vater-Mutter-Kind sein, aber er muss sich einfach kümmern als Vater", erklärte ich, was mich wirklich daran am meisten bedrückte.

Entsetzt sah mich Emma an. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Marco abhaut? Ich bitte dich. Er wird sich kümmern. Wincent, es wird nicht werden, wie bei dir", sagte sie ruhig und das traf mich mitten ins Herz. Sie wusste genau, wie sie mich zu nehmen hatte in solchen Phasen. Ich war völlig überfordert, verwirrt und durch den Wind. „Darf...kannst du mich einfach in den Arm nehmen?", fragte ich sie und da breitete sie schon ihre Arme aus. Ich kuschelte mich an sie und vergrub meine Nase an ihrem Hals. „Es wird alles gut, Schatz! Ich bin immer da, das hab ich dir nicht nur einmal versprochen", flüsterte sie mir ins Ohr und strich durch meine Haare. Langsam kam ich von meinem Tripp runter. „Danke. Für alles", murmelte ich. Sie fing mich einfach immer ein, wenn ich drohte abzuheben, und sie blieb ruhig, während ich ihr Sachen an den Kopf knallte, die ich nicht mal hätte denken sollen. „Ach Babe", seufzte sie. „Lass mich jetzt süß sein, ich hab echt scheiß Dinge zu dir gesagt...", musste ich zugeben. „Das hast du wirklich...", meinte sie und ich machte mich schon auf eine große Entschuldigungsrede gefasst. „Aber mir würde da die ein oder andere Entschuldigung einfallen, die mich besänftigen würde...", flüsterte sie und ich hörte das Grinsen in ihrer Stimme. 

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