Kapitel 14

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Wincent 

In ein paar Tagen sollte die Tour starten und ich hatte es mittlerweile tatsächlich geschafft den Alkohol fast hinter mir zu lassen. An den schlechten Tagen brauchte ich zwar noch das ein oder andere Bier, um meine Gedanken zu betäuben, aber an den guten Tagen schaffte ich es manchmal ganz ohne. Shayenne wusste von meinen Fortschritten und doch war sie seit ihrem letzten Besuch vor ein paar Tagen ganz schön komisch. Sie fragte mindestens fünf Mal am Tag, wie es mir ging und rief teilweise genauso oft an. Heute wollte ich mir einfach einen entspannten Tag machen, doch mein Kopf ging mal wieder nicht aus. Stöhnend stand ich auf und kippte mir mit einem Bier eine Pille runter. Und damit hast du dir wieder alle Fortschritte kaputt gemacht, applaudierte meine innere Stimme. Und sie hatte leider Recht. Resigniert schmiss ich mich wieder aufs Sofa, als es an der Tür schellte. Wer ist das denn jetzt schon wieder? Genervt öffnete ich die Tür und Marco stand davor. 

„Hey, was...", begann ich, doch mein Kumpel schob mich einfach in die Wohnung und verfrachtete mich auf mein Sofa. „Was ist eigentlich mit dir falsch?", fragte er. Ich wollte gerade etwas sagen, als er mich wieder unterbrach. „Nein, jetzt rede ich. Und du hörst zu! Was geht in deinem Kopf vor? Ich versteh, dass dir das mit Emma zu schaffen macht, aber es kann nicht sein, dass du so abdriftest. Wincent! Deine Mum hat mich schon vor Wochen angerufen und mir ihre Sorgen erzählt und jetzt ruft mich auch noch deine kleine Schwester an? Du säufst und nimmst gleichzeitig auch noch Pillen? Was stimmt nicht mit dir?", schrie er mich an. „Wie... wie, wer weiß von den Pillen?", fragte ich und strich mir übers Gesicht.

„Deine Schwester hat die gefunden. Wincent, sie hat Angst, dass sie hier irgendwann mal ankommt und dich tot findet. Emma kann nicht der Grund für das Alles sein. Du musst dein verdammtes Leben in den Griff bekommen, so kannst du keine Tour spielen. Wenn du so weiter machst, bist du bald n Suchti, so einer, wie die, über die du dich immer lustig gemacht hast.", redete er.

Ich starrte ihn einfach nur an, mehr konnte ich nicht tun. Das, was er über meine Mum und Shayenne sagte traf mich hart und ja, ich hatte mich immer darüber pikiert, wie man in die Abhängigkeit geraten kann und jetzt war ich selbst auf bestem Wege dahin. „Pass auf. Du bekommst jetzt eine allerletzte Chance von mir. Ich nehme alles mit, was du hast und wehe, du besorgst dir was Neues. Ich bin für dich da, aber du musst das jetzt durchziehen, nicht morgen und nicht übermorgen- jetzt! Ich werd mit Amelie sprechen. Wenn du das nicht jetzt in den Griff bekommst, wird es keine Tour geben. Ist dir das klar?", fragte mein bester Freund. Ich konnte nur schwach nicken. Mit einer solchen Ansage hatte ich nie gerechnet, vor allem nicht von Marco, das passte nicht zu ihm. Trotzdem stand ich auf und suchte alles zusammen, was ich in der Wohnung hatte. Als erstes legte ich ihm meine Pillen hin, dann suchte ich sämtliche alkoholische Getränke zusammen und verstaute alles in einer Tüte. „Ich bring das jetzt ins Auto und dann gehen wir ne Runde laufen.", sagte er und verschwand. „Los, zieh dich um, Mann", rief Marco noch und tatsächlich tat ich, wie befohlen. Ich wollte es schaffen, ich musste es schaffen, für mich und für meine Familie.

Wenig später joggten wir durch die Eutiner Felder und ich hatte schon fast vergessen, wie gut es tat den Kopf beim Sport frei zu bekommen. Natürlich war meine Kondition am Arsch und mein Körper überhaupt nicht mehr in Form, aber diese Tatsachen pushten meinen Ehrgeiz noch viel mehr. Als ich zwei Stunden später unter der Dusche stand, schmerzte jede Faser meines Körpers und ich wollte einfach nur noch Essen und schlafen. Und genau das tat ich dann auch. Die erste Nacht seit Monaten ohne Alkohol und ohne Pillen. Am nächsten Morgen war die Lage dann schon nicht mehr ganz so gut. Emma tanzte ununterbrochen in meinem Kopf herum. Wegen ihr ging es mir ja erst so schlecht, ich musste sie einfach loswerden. Die Sache mit Emma hatte mich erst so weit getrieben, ich musste sie ein für alle Mal verbannen, dann hatte auch diese verdammte Sucht ein Ende, philosophierte ich in Gedanken. Ich schmiss mich nach dem Aufstehen sofort wieder in meine Laufkleidung und joggte eine Runde. Es war Samstag, also stoppte ich auf dem Rückweg bei meiner Mum und lud mich selbst zum Frühstück ein. Während wir da so saßen hatte man kurzzeitig das Gefühl, es hätte die ganze Scheiße der letzten Wochen und Monate nicht gegeben. Keiner Sprach darüber, ich dachte es nur. „Wirst du es durchziehen?", fragte mich meine Schwester leise, als ich mich verabschiedete. „Ich muss.", lächelte ich gezwungen und ging wieder in meine Wohnung.

Ich begann alles zu entsorgen, was mich in irgendeiner Form an Emma erinnerte. Es tat weg, sehr weh, ich heulte die ganze Zeit dabei, aber als der Karton fertig war, fühlte ich mich frei. Ich rief Marco an und wir gingen nochmals Joggen. Ja, ich quälte meinen Körper, aber Sport war die einzig richtige Ablenkung für mich. Marco nahm meine Emma- Kiste mit, ich konnte sie nicht in den Müll schmeißen und ich wusste, dass sie bei ihm sicher verwahrt war. 

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