Kapitel 15

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Wincent

Die folgenden Tage kämpfte ich ununterbrochen. Gegen mich, gegen die beginnende Sucht und gegen Emma in meinem Kopf. Ich tat alles dafür diesen Kampf zu gewinnen und heute konnte ich behaupten, ich hatte es fast geschafft. Ich saß gerade im Zug nach Berlin, wo wir alle in den Bus stiegen, um zum Tourauftakt zu fahren. Natürlich hatte ich alles, was in den letzten Monaten war noch nicht komplett hinter mir gelassen, aber ich war wieder so weit in der Spur, dass Marco und meine Familie mir die Konzerte zutrauten. In Berlin angekommen gab es eine riesige Begrüßungsrunde und ich musste zugeben, ich hatte alle so sehr vermisst. Als letztes schloss mich Amelie in die Arme und strich mir sanft über den Rücken. „Können wir gleich mal reden?", fragte sie leise und ich nickte nur. Wir bezogen erstmal alle den Bus und richteten uns ein. Bevor ich wieder runter konnte, stand Amelie schon in meinem Zimmer. „Wie geht es dir?", begann sie ruhig. „Es geht.", war meine ehrliche Antwort. „Wincent, pass auf. Marco hat mir Bescheid gesagt, was gelaufen ist. Alkohol und Pillen, wirklich?", fragte sie enttäuscht und setzte sich neben mich. „Ja, Amelie, es war ein Fehler. Wirklich, ich bin weg von dem Zeug und ich bin fast weg von Emma. Ab und an hab ich noch ein Tief, aber auch mit sowas kann ich mittlerweile umgehen. Ich muss mich nur einfach sehr viel bewegen", erklärte ich. „Gut, ich vertrau dir, aber ja kein Fehltritt.", mahnte sie, während sie mich nochmal in die Arme schloss. Unten in Bus sprach ich auch nochmal kurz mit den Jungs, ich musste sie einweihen, was in den letzten Wochen bei mir los war. „Ich muss euch was sagen. Ich hatte die letzten Monate eine leichte Zuneigung zum Alkohol. Ich will das nicht mehr und bis ich komplett weg davon bin würde ich euch bitten, sowas so gut es geht von mir fern zu halten.", erklärte ich. Alle sicherten mir sofort ihre Unterstützung zu und ich war mal wieder super dankbar für meine Crew. Sie war wie meine Familie, wenn wir unterwegs waren, und ich wusste sie würden mich unterstützen, wo sie konnten.

Wir würden trotzdem eine geile Zeit zusammen haben, da war ich mir sicher. Und diese Zeit würde mich über die letzten Tiefpunkte meines Lebens hinweg tragen. Meine Instastory füllte sich in den darauffolgenden Tagen mit Bildern und Videos aus dem Tourleben und noch etwas füllte sich. Das Postfach meiner Insta-DMs mit dem Absender ‚Emma'.

E: „Ich wünsche dir einen schönen Tourstart."

E: „Genieß die Tour."
E: „So schön dich mit deiner Crew glücklich zu sehen."

E: „Ich finds schön, dass du ‚Hier mit dir' immer noch spielst."
E: „Grüß alle lieb von mir."

Was will sie mit diesen Nachrichten bezwecken? Die Sache mit uns war vorbei, soweit war ich mittlerweile. Es gab keine Hoffnung für uns, das hatte sie mir mit ihrer Nichtachtung in den letzten Monaten mehr als deutlich gemacht. Ich hatte mich gerade aus eigener Kraft, ohne sie, aus einem der tiefsten, schmutzigsten Löcher meines Lebens gekämpft und jetzt, genau jetzt, fängt sie wieder an mir zu schreiben? Das schaffe ich nicht, noch nicht. Ich konnte und wollte ihre Nachrichten nicht mehr lesen, löschte sie alle und verschob ihren Chat in einen verborgenen Ordner, denn um sie zu blockieren war ich mir dann doch zu fein.

So hart ich an diesem einen Tag auch war, so schwach war ich in der nächsten Nacht. Ich verbrachte viel Zeit auf Emmas Instagramaccount und irgendwann öffnete ich den Chat mit ihr wieder. Mir leuchtete sofort die rote Eins entgegen. „Ich habe mich übrigens von Felix getrennt.", las ich. Ich las es immer wieder. Warum sagte sie mir sowas? Warum schrieb sie mir das nach Monaten ohne Kontakt, nach den schlimmsten Monaten in meinem Leben? Meine Finger schwebten über der Tastatur, ich versuchte stark zu bleiben, aber ich konnte nicht. Mein Herz schlug wie wild und dann begann ich zu tippen.

W: „Was soll mir das sagen?"
E: „Ich weiß es nicht, ich wollte nur, dass du Bescheid weißt."
W: „Okay."
E: „Wirklich okay?"
W: „Emma, bitte, ich halt das nicht aus. Ich kann das gerade nicht. Bitte schreib mir nicht, um mein Herz noch mehr zu zerreißen. Ich muss mich erstmal auf meine Tour konzentrieren, vielleicht melde ich mich danach."

Emma reagierte nicht mehr und das war für mich auch besser so, ich brauchte meine Kraft jeden Tag auf der Bühne, vor allem, wenn ich ‚Hier mit dir' spielte. Ich hatte es gerade geschafft, dass sie mir Nachts nicht mehr die Kraft raubte, diesen Fortschritt musste ich beibehalten. 

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