Kapitel 94

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Emma

Wie versprochen kümmerte sich Wincent in den darauffolgenden Wochen um seine Aufgaben für die Hochzeit. Er hatte nicht viele, weil Linda und ich einfach da lieber selbst eine Hand darüber hatten- was sich als durchaus positiv erwiesen hatte. Die Zeit rannte nur so und ich drohte phasenweise echt durchzudrehen. Vor allem dann, wenn Wincent eigentlich „nur kurz mit Marco den Anzug abholen" wollte und mir dann schrieb, dass sie noch Zocken würden. Ob das okay wäre, fragte er. Eigentlich nicht, wollte ich gerne schreiben, aber ich hatte keinen Nerv und keinen Bock auf Diskussionen, also ließ ich ihn einfach machen. Ich richtete mir meine Bastelwerkstatt auf der Terrasse ein und machte mich an die Tischkärtchen. Ich schnitt gefühlt 200 Namen aus und steckte sie auf den Holzsockel. Und zugegeben, dabei konnte Wincent mir eh nicht helfen. Der ist feinmotorisch ungefähr so geschickt wie ein Zaunpfahl. Nachdem ich zwei Stunden später das letzte Teil fertig gestellt hatte, ließ ich mich in die Kissen sinken. 

Vor mir auf dem Tisch die letzten Stücke für die Hochzeit. Ich konnte es kaum fassen. Ich werde heiraten! Ich, ausgerechnet ich. Generell war ich in den letzten Wochen ziemlich emotional und auch manchmal nah am Wasser gebaut, weil mich meine Zukunftspläne so überrollten. Ich meine, wie verrückt war ich eigentlich? Ich führte ein Leben, an das ich vor vier Jahren keinen Gedanken verschwendet hätte. Wenn ich Simon damals nicht inflagranti erwischt hätte, wäre ich jetzt nicht an diesem Punkt. Und zugegeben, dafür war ich ihm letzten Endes irgendwie dankbar. Also natürlich nicht dafür, dass er mich über Monate betrogen hatte, aber dafür, dass danach all das kam, was eben kam. Dass ich zu diesem Klassentreffen gegangen war und Wincent in die Arme gestolpert bin. Irgendwie sprach die Melancholie aus mir, aber ich schrieb Simon an diesem Tag tatsächlich eine Nachricht- die erste und einzige, seit wir uns getrennt hatten. Ich dankte ihm für die Zeit, die wir hatten, schließlich war die generell ja schön, und wünschte ihm nur das Beste. Mir war egal, ob oder was er antworten würde, ich wollte einfach nur diese Worte loswerden.Und tatsächlich kam auch nichts zurück, obwohl er meine Nachricht direkt gelesen hatte. 

Ich packte mein Handy weg und stellte die Kiste mit den Tischkärtchen zu den zig anderen Dekokisten im Schlafzimmer. Wir hatten uns zwar für den Schloßhof entschieden, aber trotzdem war unsere Deko alles andere als königlich, sondern ziemlich romantisch und schlicht, würde Linda wohl sagen. Also genau das, was Linda nicht war. Und trotzdem hatte sie genau so geplant, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich war mir sicher, unser Tag würde perfekt werden. Und das war nicht zuletzt auch Lindas Verdienst. Als hätte sie mich gehört, rief sie keine zwei Minuten später an und fragte nach dem Stand der Dinge. Sie hatte schließlich mit mir die To-Do-Liste geteilt und ich hatte nichts von meine Aufgaben abgehakt. „Doch, ich hab alles gemacht, ich habs nur vergessen", erklärte ich mich und setzte sofort die Häkchen in unseren Notizen. 

„Gut, weil sonst wir das echt n knappes Ding", meinte sie, als wüsste ich das nicht. Augenrollend ließ ich mich wieder auf die Lounge auf der Terrasse sinken. „Ich hab genau gesehen, dass du die Augen verdreht hast, Maus", sagte Linda. Sie kannte mich einfach zu gut. „Ich bin einfach nur froh, wenn es soweit ist", gab ich zu. „Du kriegst doch aber keine kalten Füße, oder?", fragte sie direkt nach. Seufzend nahm ich einen Schluck von meinem alkoholfreien Bier. „Natürlich nicht, ich will das alles nach wie vor und genau so. Aber trotzdem bin ich froh, wenn es geschafft ist. Ich kann es kaum erwarten seine Frau zu werden", schwärmte ich. Mein Bauch kribbelte, wenn ich daran dachte. „Oh Gott, gleich muss ich kotzen", hörte ich die quälende Stimme meiner besten Freundin am anderen Ende. „Nein Quatsch, ich freu mich sehr", schob sie nach, „aber tatsächlich wollte ich dich auch noch was fragen". Ich hatte mich schon gewundert, ob meine nicht abgehakte To-Do-Liste wirklich der einzige Grund für ihren Anruf war. Natürlich nicht. Ich wartete, bis sie ihre Worte zurecht gelegt hatte.

„Also, ich weiß ihr habt sicher viel zu tun, aber ich wollte dich trotzdem fragen, ob du am Wochenende mal einen Abend auf Adam aufpassen könntest?", fragte sie und ich hörte die Unsicherheit in ihrer Stimme. Und hätte sie die besser überspielen können, hätte ich wohl einfach so ‚ja' gesagt, aber so steckte da doch mehr dahinter. „Darf ich wissen, was du vorhast?", fragte ich nach. „Marco und ich müssen was besprechen...als eure Trauzeugen", platzte es direkt aus ihr raus. Ich fand es so amüsant, wie sie sich anstellte und noch offensichtlicher hätte sie mir diese kleine Lüge nicht verkaufen können. „Ach", machte ich, „Trauzeugenarbeit...so so...". Sie wusste, was ich dachte. Und was ich dachte, was sie dachte. „Ja gut okay, vielleicht nicht nur...", seufzte sie, „aber ist ja auch egal, kannst du Adam nun nehmen oder nicht?" Ich liebte es, wenn ich Recht hatte und sie es nicht schaffte mich hinters Licht zu führen. „Klar", antwortete ich, „du weißt er ist mein Lieblingspatenkind". „Du hast ja auch nur das eine", warf Linda ein. 

Damit wechselte Linda flink und geschickt das Thema, dass ich gar nicht mehr dazu kam, weiter nach zu fragen, was da wieder mit Marco lief. Das nahm ich mir spätestens für die Hochzeit vor. Wir quatschten dafür so noch über Gott und die Welt, bis wir wieder an den Jungs hängen blieben. „Weißt du eigentlich, was die noch machen? Marco meinte sie holen nur Wincents Anzug ab", fragte Linda. „Zocken", antwortete ich, „seid ihr wohl eigentlich verabredet?" „Ne, das nicht, hatte mich nur gewundert warum er auf meine Nachricht nicht antwortet, aber das erklärt natürlich einiges", erwiderte Linda. „Ich schreib ihm mal, wie lange sie noch brauchen", murmelte ich und öffnete den Chat mit Wincent. „Nein!", unterbrach mich Linda, „wie sieht das denn aus? Als ob ich ihn vermissen würde...". Damit wurde ich aufmerksam, daran hatte ich schließlich nicht gedacht. „Und das tust du ja nicht...", murmelte ich weiter. „Korrekt", bestätigte Linda. „Mir fällt schon was ein, lass das mal meine Sorge sein", sagte ich. Ich fände es selbst auch ganz schön, wenn mein Freund wieder nach Hause kommen würde und den Abend mit mir verbringen würde. „Aber dafür muss ich auflegen", sagte ich zu Linda, „ich geb dir Brief und Siegel, dass Marco sich in spätestens einer halben Stunde meldet". Ich war mir sicher nach der Nachricht, die ich an Wincent verfasste, würde er binnen drei Sekunden Zuhause auftauchen. 

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