Kapitel 77

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Wincent

Ich war heilfroh, dass es Emma gut ging und dass zumindest für den Moment keine Gefahr drohte. Sie würde immer dreimal vorsichtiger sein, nachdem was ihrer Mum passiert war, aber gerade war sie gesund und das war alles, was zählte. Dass sie das wieder mit sich alleine ausgemacht hatte, dafür hätte ich sie erwürgen können, aber was passiert ist, ist passiert. „Weißt du, was das bedeutet?", fragte sie mich und ich sah zu ihr rüber. „Was was bedeutet?", fragte ich nach, weil ich mir nicht mehr sicher war, ob sie vorher schon was gesagt hatte, was ich nicht mitgeschnitten hatte. Dass Louis von unserem Gespräch so gar nichts mitkriegte, ließ mich im Nachhinein ziemlich schmunzeln. „Dass ich gesund bin...", murmelte Emma. Nie hätte ich sie als krank betitelt. „Ja, das is gut. Ich muss mir keine Sorgen um dich machen, also nicht mehr als normal", erwiderte ich. Emma schmunzelte und rollte mit den Augen. Was sollte das schon wieder? Sie ist meine Frau, ich werde mir immer Sorgen machen. Emma griff über Louis nach meiner Hand und hielt sie ganz fest. 

„Ich kann die Pille absetzen, Wincent", flüsterte sie. Es dauerte gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis ihre Worte bei mir angekommen waren. Erwartungsvoll sah sie mich an. „Hast du mich verstanden?", fragte sie nach und ich nickte nur. Ich konnte nicht begreifen, was sie da zu mir gesagt hatte. Völlig unvorbereitet traf sie mich damit. „Echt jetzt?", war alles, was ich rausbrachte. Hatte sie mir gerade echt gesagt, dass sie die Pille absetzen will? Hier und Heute? In Kevins Gästezimmer mit Louis zwischen uns? Ich dachte ja ich wäre unromantisch, aber Emma toppte Alles. „Ja echt jetzt", erwiderte sie und drückte meine Hand noch etwas fester. „Also nur wenn du willst..."

„Natürlich will ich", platzte es direkt aus mir raus. Das war alles, was ich immer wollte. Viel früher noch als Emma. Ich wusste nicht wohin mit mir. Wäre Louis nicht da würde ich ihr wohl um den Hals fallen. Wie bescheuert kann ein Timing eigentlich sein? Das ließ mich fast etwas schmunzeln. Emma rollte sich vorsichtig von Louis weg und kam rüber auf meine Bettseite. Sie kuschelte sich an mich und ich hielt sie einfach nur fest.

Tränen stiegen mir in die Augen, wenn ich daran dachte, welchen Weg wir nun endgültig einschlagen würden. „Nur dass ich das richtig verstehe...das heißt wir versuchen ein Baby zu kriegen?", flüsterte ich. Mein Herz zog sich richtig zusammen, als ich es ausgesprochen hatte. Emma stützte sich hoch und sah mir direkt in die Augen. „Das heißt wir versuchen ein Baby zu kriegen", wiederholte sie meine Worte. Während wir uns so ansahen, rollte eine kleine Träne über Emmas Wange, die ich ihr sofort wegstrich. „Ich liebe dich", sagte ich leise, bevor ich sie küsste. Ich wusste nicht, wie ich sonst hätte reagieren sollen. Ich war überrumpelt, überfordert und unfassbar glücklich. Ich hätte es am liebsten in die ganze Welt geschrien- aber da lag ja immer noch ein schlafendes Kind neben uns. „Aber über dein Timing müssen wir nochmal reden...hättest du damit nicht warten können, bis wir alleine sind? Dann hätten wir gleich noch üben können", meinte ich, als sich das Ganze etwas gesetzt hatte bei mir. Augenrollend sah Emma zu mir hoch. 

„Du hast uns so angesehen...das musste raus", entschuldigte sie sich. „Jeder wird fragen, was los is...mein Grinsen ist ja jetzt schon wie festgetackert", brachte ich an. „Dann überleg dir mal schön ne Ausrede...und zwar eine, die nicht das Wort ‚Baby' beinhaltet", wies Emma mich an. „Baby?", hörte ich es neben uns brabbeln und kurz darauf erschien Louis Kopf über uns. „Hat Emma ein Baby im Bauch?", fragte er und noch bevor einer von uns darauf reagieren konnte, sprang er aus dem Bett. „Papa, Papa, Emma hat ein Baby im Bauch", hörte ich ihn immer wieder rufen. Das hatte ja ganz wunderbar funktioniert. Schmunzelnd sah ich zu Emma, die nur seufzte. „Du hast das verbotene Wort gesagt!", triumphierte ich. Wie sollten wir da nur wieder rauskommen?

Andererseits hatte Emma gestern auch getrunken, Kevin hatte das mitbekommen, und das würde sie ja niemals tun, wenn sie schwanger wäre. „Ohren wie ein Luchs, dieses Kind", stöhnte sie und rollte sich aus dem Bett. „Ich werd das mal klarstellen...kommste mit?" Ich nickte und griff nach ihrer Hand. Frühstück klang auch um kurz vor vier nach keiner schlechten Idee. Wir stoppten kurz im Bad und setzten uns dann an den Esstisch- direkt wurden wir gemustert. Louis war auf Kevins Arm und strahlte uns an. Er freute sich sichtlich auf ein Baby. Kevin sah uns fragend an. „Er hat da was falsch verstanden", fing ich an. Louis ließ sich absetzen und kletterte auf Emmas Schoß, immer wieder erzählte er von einem Baby. „Das stimmt so nicht, Louis, ich hab kein Baby", versuchte sich Emma zu erklären, „aber der Paul und die Lisa haben ein Baby, das besuchen wir Morgen". Ich bewunderte sie, wie sie die richtigen Worte fand, um einem Kleinkind die Sachlage zu erklären. Louis hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder. „Aber soll ich dir ein Geheimnis verraten?", fragte sie und Louis strahlte sie mit großen Augen an. Emma flüsterte etwas in sein Ohr, was weder Kevin noch ich verstanden, und dann nickten sich die Beiden zu. Was auch immer sie ausgeheckt hatten, es fruchtete und Louis verlor kein Wort mehr über unser vermeintliches Baby. „Hätte mich aber auch gewundert, schließlich hast du gestern getrunken", meinte Kevin, als er uns einen Kaffee eingoss. Am liebsten wär ich damit rausgeplatzt, aber Emma hielt mich zurück. „Eben. Und ich würd auch mal behaupten, dass Louis nicht unbedingt der Erste ist, dem wir davon erzählen", grinste sie.

Wir kriegten tatsächlich noch ein kleines Frühstück von Kevin und machten uns dann aber am Abend auf den Weg nach Berlin- warum sollten die nächtlichen Fahrten nach Albumrelease auch aufhören? Wir kamen super gut durch und betraten noch vor Mitternacht unser Hotel. Normalerweise hätten wir uns bei Paul einquartiert, aber seit Bella geboren war, war seine Wohnung dann doch irgendwie zu klein. Und außerdem brauchten die drei ihre Nächte für sich. Und ehrlich gestanden brauchte ich diese Nacht auch für meine Freundin und mich. Erst als wir länger als zehn Minuten alleine waren, konnte ich begreifen, was sich in Zukunft ändern würde. 

Ich ging zu Emma ins Bad und sah sie mit dem Pillenblister in der Hand auf dem Badewannenrand sitzen. Kurzer Flashback an die Tour vor eineinhalb Jahren- da wäre eine Schwangerschaft alles andere als geplant gewesen. „Alles gut, Babe?", fragte ich sie. Sofort sah sie zu mir auf und lächelte. „Klar", meinte sie und spielte mit dem Blister. „Ich schmeiss die jetzt weg", sagte sie. Ich wusste nicht so richtig, was sie von mir wollte. Zuspruch? Nachfrage? Widerspruch? Ich kniete mich vor sie hin und nahm ihre Hände. „Emma, du weißt, dass ich nichts mehr will als eine Familie mit dir. Wenn du bereit dafür bist, dann mach, schmeiss sie weg", hörte ich mich sagen. Emma atmete tief durch und öffnete den Mülleimer. „Ich bin bereit, aber trotzdem is es irgendwie komisch. Ich weiß gar nicht, ob ich das kann. Was wenn ich voll die Niete bin?", murmelte sie, was mich beinahe wahnsinnig machte.

„Emma, jetzt mach doch keine Wissenschaft da draus. Schalt doch einmal dein Hirn aus und lass es auf dich zukommen. Wir machen das schon, du wirst sehen. Schließlich wächst man an seinen Aufgaben", redete ich ihr gut zu. Woher dieses Therapeutengelaber kam, wusste ich nicht. Der Bilster verschwand endlich im Müll und sie lächelte mich an. „Seit wann bist du eigentlich für diesen Part zuständig? Sonst war das meine Aufgabe dich runter zu bringen", murmelte sie. Ich zog sie auf meinen Schoß und in meine Arme. „Seit du dir viel zu viele Gedanken um alles machst. Ich will nicht, dass wir uns da jetzt stressen, das führt doch zu nix. Lass uns einfach Emma und Wincent bleiben, okay? Ich kann und will nicht Sex nach Plan haben, okay?", sprach ich weiter. Irgendwie therapierte ich mich damit auch ein bisschen selbst, wenn ich mich so reden hörte. Emma strich mir durch die Haare und lächelte mich an. „Weißt du, dass du der Beste bist?", fragte sie und ich grinste sie an.

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