Kapitel 92

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Wincent

Bis ich das letzte Konzert für dieses Jahr gespielt hatte und auf dem Weg nach Hause war, war es mittlerweile Anfang Juli geworden. Irgendwie kam es mir viel länger vor und dann wiederum verflog die Zeit nur so. Je nachdem in welcher Gefühlslage ich mich gerade befand. Auf der einen Seite wollte ich unbedingt nach Hause zu Emma, und auf der anderen wollte ich gerne nochmal so viele Konzerte spielen. Schließlich würde es eine ganze Weile dauern, bis wir wieder auf Tour gehen würden. Als der Zug in meinem Zielbahnhof einfuhr und ich Emma am Gleis stehen sah, waren die Gedanken um die Tour und den Job allerdings vergessen. Ich wollte sie einfach nur in meine Arme schließen und so schnell nicht wieder los lassen. Ich schnappte mir meinen Rucksack und stolperte aus der Tür, kaum stand die Bahn still. „Emma!", rief ich, damit sie sich zu mir umdrehte. Grinsend lief sie auf mich zu und sprang mir wenig später in die Arme. 

Ich schloss meine Augen und drückte sie fest an mich. „Ich hab dich so vermisst", nuschelte ich in ihre Haare. Sie schlang ihre Beine um mich und sah mir in die Augen. „Ich dich auch", flüsterte sie und drückte mir einen langen Kuss auf die Lippen. Ich stellte sie wieder auf ihre Beine und strich ihr über die Wange. „Ich will einfach nur mit dir nach Hause fahren- jetzt!", flüsterte ich und sah sie grinsen. „Dass du aber auch immer gleich so mit der Tür ins Haus fallen musst", lachte sie und zog mich hinter sich her zum Auto. So hatte ich das gar nicht gemeint, zumindest nicht nur. Ich freute mich auf meine freie Zeit, Privatsphäre und mal keine Instagramposts jeden Tag. Meine Hand lag die ganze Fahrt über auf Emmas Oberschenkel und je weiter wir Richtung Zuhause kamen, desto entspannter wurde ich. Ich ließ den beruflichen Wincent im Auto und schloss die Haustür auf. Carlos wuselte direkt um meine Beine und holte sich seine Streicheleinheiten ab. Ich hörte meine Couch schon lautstark nach mir rufen, aber erstmal brauchte ich eine Dusche.

„Na los, geh, ich räum deinen Kram auf", sprach Emma meine Gedanken aus. Ich lächelte sie an, sie wusste immer das Richtige zu sagen. Bis ich wieder aus dem Bad kam, war mein Rucksack bereits ausgeräumt, die Lounge auf unserer Terrasse gemütlich hergerichtet und mein Lieblingsbier stand auf dem Tisch. Ich hörte Emma in der Küche werkeln und ‚The Killers' aus den Boxen spielen. „Jealousy, turning saints into the sea, Swimming through sick lullabies, Choking on your alibis. But it's just the price I pay, Destiny is calling me. Open up my eager eyes, 'Cause I'm Mr. Brightside", sang Emma völlig schief mit, was mich schmunzeln ließ. Und mir einen Flashback verpasste. Festival. Strand. Sonne. Bier, viel Bier. Meine Clique aus der Schule. Und Emma. Irgendwo im Hintergrund; sie sah mich an, aber im nächsten Moment klebte irgendjemand anderes an meinen Lippen. Ich kuschelte mich an ihren Rücken und legte meine Arme um ihre Taille. „Sorry, dass ich dich damals nicht gesehen hab", flüsterte ich ihr ins Ohr. Ich sah im Augenwinkel, dass sie grinste. 

„Ach ist das dein Flashback-Song gewesen? Vielleicht hätte ich den mal vorher singen sollen", scherzte sie und drehte sich in meinem Griff um. „Das mit dem Singen solltest du noch bisschen üben", zog ich sie auf, nur im sie im nächsten Moment zu küssen, damit sie gar nicht auf die Idee kam zu protestieren. Was sie eindeutig besser konnte als singen, war tanzen, und so tänzelte sie durch die Küche, während ich an der Arbeitsplatte lehnte und ihr zuschaute. „Was wird das eigentlich?", fragte ich irgendwann, als mein Magen auf sich aufmerksam machte. „Hab dein Leibgericht gekocht. Gemüselasagne. Außerdem dachte ich du brauchst mal wieder was Richtiges, nach dem ganzen Fastfood auf der Tour", erklärte sie, während das Essen im Ofen verschwand. Ich zog sie zu mir und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Du bist die beste Frau der Welt, weißt du das?", fragte ich rhetorisch und sie nickte. „Ich kann es kaum erwarten, bis du offiziell zu mir gehörst", schob ich nach. Ihre Augen leuchteten mich an, was mir zeigte, dass auch sie es kaum erwarten konnte.

„Nicht mehr lange", flüsterte sie und küsste mich kurz, bevor sie zu einer Rede ansetzte. „Aber bis dahin haben wir noch ordentlich war vor. Ich muss mit Linda die Blumen aussuchen und du musst deinen Anzug abholen, die haben letzte Woche angerufen. Genauso wie das Catering-Team, du wolltest dich nochmal melden? Und wo bringen wir jetzt die Münchner und alle von außerhalb unter? Hast du deine Großeltern gefragt?", prasselten ihre Worte auf mich ein. Nachdem ich nichts antwortete, wollte sie schon weitermachen, bis ich ihr zuvor kam. „Stopp, warte", sagte ich und hatte direkt ihre Aufmerksamkeit. „Wir machen das alles. Ich verspreche dir hoch und heilig, ich kümmere mich. Aber nicht heute okay? Können wir nur heute Abend noch so tun, als gäbe es das alles nicht?", schlug ich vor. Ich wollte nur entspannt wieder Zuhause ankommen, einen schönen Sommerabend mit meiner Freundin verbringen und erst morgen wieder an den Alltag denken. 

Emma grinste mich an und kam auf mich zu. „Okay", nickte sie und warf kurz einen Blick auf die Uhr am Ofen. „Das Essen braucht locker 40 Minuten", kommentierte sie und strich über meine Arme. Ich hatte sie sofort durchschaut und musste schmunzeln. „Und was willst du solange tun?", fragte ich ganz unbedarft nach. Emma legte ihren Kopf schief und legte ihre Hände an meinen Hosenbund. „Wir haben da noch eine Rechnung offen, oder nicht?", fragte sie ebenso. „Oder willst du die erst nach dem Essen begleichen?" Ich strich ihr über die Wange und verschränkte meine Hände in ihrem Nacken. „Vielleicht ist auch Ratenzahlung möglich? Dann würde ich jetzt und später wählen", flüsterte ich nah an ihre Lippen. „Mhm...darauf könnt ich mich einlassen", erwiderte sie und verband unsere Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. 

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