Wincent
Knapp eineinhalb Jahre später hatte sich Einiges bei uns verändert. Ich hatte im Sommer 2020 eine kleine, aber feine Tour gespielt und nebenbei recht erfolgreich mit Kevin das dritte Album geplant und geschrieben. Ich freute mich tierisch darauf, weil es noch persönlicher werden würde, als das Letzte. Ich hatte besonders in den letzten zwei Jahren einfach echt viel erlebt, vor allem persönlich. Ich hätte 30 Songs aufs Album packen können und doch hätte ich nicht alles sagen können, so wurden es eben nur die besten 15. Emma war die ganze Zeit über an meiner Seite und ohne sie hätte ich mich wohl nie entscheiden können. Sie fand immer die richtigen Worte, analysierte jeden Song ohne ihre persönlichen Gefühle einzubringen und setzte mich nie unter Druck. Jede lange Nacht in München lag sie neben mir auf der Couch. Jede Fahrt nach Berlin begleitete sie mich und diskutierte mit dem Label, wenn ich es nicht mehr konnte. Musiktechnisch hatten wir demnach ein sehr intensives Jahr 2020 und auch 2021, bis jetzt. Es war der 06.05.2021 und wir fuhren nach München, um heute Nacht den Release des Albums zu feiern. „Hast du alles? Mein Laptop, dein Laptop, iPad...?", fragte mich Emma, als wir gerade knapp hinter Hamburg waren. Lieber jetzt nochmal umdrehen, als in zwei Stunden. Grinsend sah ich zu ihr rüber. „Ich hab alles. Sicher", beteuerte ich. Wir wollten heute Nacht zusammen mit den Fans im Livestream das erste Mal die neuen Songs hören. Auch in meiner Fancrew war Emma die Göttin, und ich war so froh darüber. Hatte ich mir doch am Anfang oft genug den Kopf zerbrochen, wie eine Frau an meiner Seite wohl ankommen würde, aber Emma machte es allen mit ihrer offenen, lustigen Art wirklich leicht. Sie KONNTE gar nicht gehatet werden. Und selbst wenn es doch mal einen blöden Kommentar gab, stand sie da drüber, fast noch besser als ich. „Die wissen gar nichts über uns. Wir sind die einzigen, die miteinander leben müssen. Und solange du noch weißt, was du an mir hast, und ich, was ich an dir habe, ist alles gut", hatte sie immer gesagt und sie hatte Recht.
Ich konnte mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen und mittlerweile waren wir tatsächlich in Sachen Hochzeit weitergekommen und hatten einen Termin festgelegt. Als klar war, dass es die richtige „Vielleicht Irgendwann"-Tour erst in 2022 geben würde, hatten wir uns schnell auf den 21. August geeinigt. Ich konnte es kaum erwarten. Grinsend sah ich zu ihr rüber, wie sie trotz Fahrt in ihr Handy tippte. „Arbeitest du etwa jetzt schon?", fragte ich sie und sie sah strahlend zu mir rüber. „Ne, Linda hat mir n Video geschickt. Adam zieht sich an der Couch hoch", erklärte sie mir und zeigte mir das Video. Da ich mich auf die Straße konzentrieren musste, erkannte ich natürlich nix außer das strahlende Lachen meines Patensohnes. Diese ganze Marco-Linda-Baby-Sache war wohl die größte persönliche Baustelle, die wir im letzten Jahr hatten. Es war für uns alle alles andere als einfach, aber mittlerweile hatten wir uns ganz gut eingespielt. Die Beiden wohnten sogar seit Adams Geburt im August zusammen und manchmal wirkten sie wie ein richtiges Paar. Ob das wirklich so war, wusste ich nicht, und ich wollte mich auch nicht mehr da einmischen. Das war nicht mein Business und solange gerade alle glücklich waren, war ich es auch. Ich hatte gelernt, dass ich nicht immer alles bekommen konnte, was ich mir wünschte, aber dass das ebenso nicht immer das Nonplusultra sein musste. Entgegen meiner Angst änderte diese Sache jedoch überhaupt gar nichts zwischen Emma und mir; wir waren immer noch genauso verknallt wie am Anfang, würde ich behaupten. Und mittlerweile waren wir echt gut im Reden, also richtig reden; das andere konnten wir vorher schon hervorragend. „Er is so süß", schwärmte Emma.
Langsam keimte in mir die Hoffnung, dass es auch bei uns vielleicht keine Jahre mehr dauern würde. Schließlich waren wir im letzten Jahr echt auf vielen „Willkommen, Baby"-Parties. Angefangen bei Benni und Sabi, über Paul und Lisa, zu Kevin und dann Marco. Uns fiel schon beim zweiten Paar nicht mehr ein, was wir schenken könnten. „Und is es nicht verrückt, dass Bella die Woche schon n Jahr alt wird?", murmelte Emma. „Hast du mit Paul eigentlich irgendwas ausgemacht? Wir sind eh am Wochenende in Berlin...dann könnten wir vorbeischauen. Es ist schon wieder zu lange her, dass wir die Kleine gesehen haben". Ich schmunzelte in mich rein. Emma war schon fast süchtig nach Babys geworden. „Ich schreib ihm mal. Bestimmt haben die drei Zeit für uns", grinste ich, bevor ich mich wieder auf die Straße konzentrierte. Wir hatten noch eine gute Strecke vor uns und da wir ausnahmsweise mal tagsüber fuhren, war auch nicht so wenig los, wie normalerweise. Nach der Hälfte machten wir einen Tankstopp, Emma ging pinkeln und brachte uns ne Cola mit. „Das nächste Mal fahren wir wieder nachts", meinte ich zu ihr, als ich den zähfließenden Verkehr vor uns erkannte. Sie reckte und streckte sich und versuchte ihre Schultern zu entspannen. „Auf jeden Fall. Aber dann hätten wir nix von den Kindern gehabt, wenn wir in München ankommen", brachte sie an. Und das war natürlich ein berechtigter Einwand.
Kaum standen wir bei Kevin im Wohnzimmer, steuerte Louis schnurstracks auf mich zu, während Kira versuchte mitzuhalten und auf Emma zu robbte. „Bist du schon wieder gewachsen", hörte ich sie sagen und wie jedes Mal brachte das Bild von Emma mit einem Kind auf dem Arm mein Herz zum schmelzen. Ich konnte gar nicht ausmachen, wer mehr strahlte, Emma oder Kira. Oder Lisi und Kevin, die uns im Hintergrund musterten. „Wincent, ich will dir meine neue Eisenbahn zeigen", unterbrach Louis meine Gedanken und zog mich hinter sich her. Ich setzte mich ihm gegenüber auf den Spielteppich und untermalte mit verschiedensten Zuggeräuschen jede seiner Fahrten. „Oh nein, Zugunglück vor dem Berg", rief ich aus und stieß die ersten zwei Waggons um. „Captain Louis muss kommen um die Prinzessin zu retten". Louis kam lachend mit seinem Superhelden angeflogen und stellte ihn auf den Waggons ab. Fragend sah er mich an. „Wer is eigentlich die Prinzessin?" Zugegeben, soweit hatte ich nicht gedacht. Ich blickte um mich nach irgendeiner Figur, die einer Prinzessin am nächsten kam. „Da is ja die Prinzessin", hörte ich ihn plötzlich sagen, ehe er aufstand und mit seinem Superhelden in der Hand von mir weglief. Mein Blick folgte ihm, bis er auf Emma traf. Sie nahm ihn auf den Arm und wirbelte ihn um ihre eigene Achse. „Was bin ich?", fragte sie Louis, als sie stehen blieb und sich schüttelte. Er legte seine kleinen Hände an ihre Wangen und lachte sie an. „Du bist die schöne Prinzessin", sagte er und auch Emma begann zu lachen. Ich stand auf und stellte mich hinter sie. „Da hat er wohl Recht", flüsterte ich ihr ins Ohr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Empört schob Louis mein Gesicht weg. „Das is meine Prinzessin", sagte er und schlang seine kleinen Hände um Emmas Hals. Das glaub ich nicht, dachte ich mir, aber ich verkniff mir jeden Spruch.
DU LIEST GERADE
Nur mit Dir
FanfictionDas hier ist der zweite Teil rund um Emma und Wincent. Es war schwierig mit den Beiden; dieser Pakt ihrer Freundschaft- plus, von der jeder sagte, dass es nicht gut gehen könnte. Und jeder sollte Recht behalten. Erst verliebt sich der eine, dann der...